FCZ-Star Alexander Kerschakow
Kollegen klauten ihm 10 Mio. Franken!

Vor drei Jahren wurde das Konto von Alexander Kerschakow (33) leergeräumt. «Es gibt krassere Geschichten. Vor allem in Russland», sagt der Stürmer-Zar.
Publiziert: 14.03.2016 um 17:17 Uhr
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Aktualisiert: 11.09.2018 um 15:55 Uhr
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Betrüger haben dem russischen Stürmerstar Alexander Kerschakow mit gefälschten Unterschriften ein Konto leergeräumt.
Foto: EQ Images
Michael Wegmann und Anastasia Mamonova

Anfang März 2013 meldet die Moskauer Zeitung «Kommersant», Betrüger hätten dem russischen Stürmerstar Alexander Kerschakow mit gefälschten Unterschriften ein Konto leergeräumt. Die Rede ist von 330 Millionen Rubel.

Die Geschichte ist im deutschsprachigen Raum kaum mehr als eine Randnotiz wert. Vielleicht zweifeln hiesige Journalisten an ihrem Wahrheitsgehalt. Dabei ist sie doch viel zu spektakulär, um erfunden zu sein: 330 Millionen Rubel sind damals 10,2 Millionen Franken!

SonntagsBlick trifft Alexander Kerschakow am Mittwoch in der Saalsporthalle neben dem FCZ-Trainingsgelände. Der Leihspieler von Zenit trägt Jeans und einen grauen Pullover. «Die Geschichte stimmt.» Kerschakow sagt dies ohne Groll. Ganz so, als ob der Rekordtorschütze der russischen Nationalmannschaft (30 Treffer) über seine Tore sprechen würde.

Alexander Kerschakow, haben Sie das Geld mittler­weile zurückbekommen?

Alexander Kerschakow: Nein. Der Prozess läuft noch immer. Es kann sein, dass noch ein Teil des Geldes zurückkommt. Aber ich glaube eigentlich nicht mehr daran.

Was ist damals passiert?

Einen Teil des Geldes habe ich selbst überwiesen. Ich habe an Leute geglaubt, die meine Kollegen waren. Und ich dachte, dass ich ihnen vertrauen könne. Kollegen, mit denen ich früher Fussball gespielt habe, auch in der Nationalmannschaft. Ich habe in ihr Projekt investiert. Dieses wurde jedoch nie umgesetzt.

Und die restlichen Rubel?

Die sind ohne mein Wissen weggekommen. Sie haben meine Unterschrift gefälscht und Überweisungen getätigt.

Beschreiben Sie den Moment, als Sie merkten, dass Millionen fehlen.

Es war ein Schock. Ich war total ratlos.

Wie haben Sie reagiert?

Ich bin sofort zur Polizei gegangen und habe Anzeige erstattet. Was sollte ich denn sonst tun?

Und heute? Wie stark schmerzt der Verlust noch?

Ich lebe mittlerweile auch sehr gut mit der Tatsache, dass das Geld weg ist und wohl auch nie mehr zurückkommt. Das Leben geht weiter.

Tönt sehr abgeklärt.

Diese Sache liegt in der Vergangenheit, und es bringt nichts, immer wieder darüber zu reden. Diese Typen sind weg, und die Vergangenheit kann man nicht rückgängig machen.

Bei der Untersuchung damals stellt sich heraus, dass Kerschakows Geld auf das Konto jenes Geschäftsmannes überwiesen wurde, der ein Jahr zuvor den Stürmerstar überredete, in eine Erdölraffinerie zu investieren. Die Anlage wurde jedoch nie gebaut. Russische Medien werfen Kerschakow zudem Leichtsinn vor, weil er hohe Summen telefonisch überweisen liess und die Belege erst später unterschrieb.

Stimmt das?

Wie sagt man doch: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Und das habe ich damals nicht gemacht.

Haben Sie Ihr Vertrauen nun verloren?

(lacht) Denen werde ich sicher nie mehr etwas geben. Eigentlich will ich jetzt aber nicht mehr darüber reden.

Diese Geschichte ist zu krass, um nicht darüber zu reden ...

... es gibt noch viel krassere Geschichten, über die nicht geredet wird. Überall auf der Welt. Aber vor allem in Russland.

Kerschakow wird wissen, wovon er spricht. Weil er viel mehr ist, als ein gut bezahlter russischer Fussballer mit einem geschätzten Jahresgehalt von vier Millionen Franken. Kerschakow verkehrt in der russischen Oberschicht, ist Teil der regierungsnahen Promi-Elite. Er unterstützte Wladimir Putin im Wahlkampf. Witali Mutko – russischer Sportminister und früherer Zenit-Präsident – ist ein guter Kollege. Doch Kerschakow ist auch Entertainer, schon mit 19 hat er eine Autobiografie herausgegeben – auch in zwei Filmen hat er mitgespielt. «Es waren nur kleine Rollen, keine Sprechrollen. Und ich durfte mich selber spielen», sagt er.

Doch welcher Schauspieler darf schon sich selber spielen? Der neue FCZ-Zar schon. In Russland ist er ein Megastar – sein Leben öffentlich. So findet der Streit mit seiner ehemaligen Lebensgefährtin um das Sorgerecht für den gemeinsamen Sohn Igor (3) 2014 im russischen TV statt. Der Fussballer gewinnt ihn.

Im Juni letzten Jahres hat Zenits Rekordtorschütze Milana geheiratet. Die neue Frau Kerschakowa ist Tochter eines russischen Senators, studiert Journalismus in St. Petersburg, wohnt zurzeit aber bei ihrem Mann in Zürich. Die beiden engagieren sich auch sozial. Sie haben eine Stiftung für Waisenkinder gegründet. «Ich habe schon früher Kinder unterstützt. Es jedoch nie an die grosse Glocke gehängt. Und als ich Milana kennenlernte, war sie davon begeistert. Ab diesem Zeitpunkt wusste ich, dass ich den Menschen gefunden habe, der mich unterstützen wird.»

Auf seinem Instagram-Profil sind Fotos von Kerschakow und Milana im «Züri-Tram». Er auf dem «Sechseläutenplatz» oder Brezel essend am Bahnhof. Darunter unzählige Kommentare in kyrillischer Schrift. Russland schaut nach Zürich, zumindest bis zum Saisonende der Super League. So lange ist der ehemalige Sevilla-Star an den FCZ ausge­liehen. «Zürich ist eine tolle Stadt. Es gefällt mir hier sehr gut. Und ich hatte noch kein einziges Problem», sagt Kerschakow.

Auf keinem der Fotos sticht der 33-Jährige aus der Masse heraus. Dass er in der Schweiz unerkannt bleibt, stört ihn nicht. Dass es in Russland anders ist, auch nicht. «Das gehört dazu, wenn man Fussballer ist und die Spiele im TV übertragen werden.» Er sagt dies, wie er sich kleidet: unaufgeregt und sachlich. Da ist nichts Extravagantes.
 
Auch auf dem Platz sticht er in Zürich zu Beginn nicht heraus. Nur Durchschnitt ist seine Leistung in den ersten Spielen, für einen Mann mit seinem Leistungsausweis eher drunter. Bis zum Cup-Halbfinal im Wallis. Da hebt sich der neue FCZ-Zar ab – und wie. Mit zwei Toren zerlegt er Sion quasi im Alleingang. Seine Erklärung: «Jetzt fühle ich mich hundert Prozent fit.» Seine Tore seien in Russland registriert worden, sagt er. «Es freut mich auch, dass nun viele Russen den Schweizer Fussball verfolgen.» Ganz ohne Kerschakow muss Zenit auch in diesem halben Jahr nicht auskommen. Alexanders jüngerer Bruder Michail (29) ist Goalie beim Klub.

Musste Michail als Kind immer ins Tor, damit Sie schiessen konnten?

Das stimmt schon. Er im Tor, ich draussen. Als Buben haben wir immer so gespielt. Auch in unserer Wohnung, die sehr klein war. Aber wir haben auch da einen Fussballplatz gefunden und Tore gebaut!

Ihre Eltern arbeiteten in einer Fabrik. Sie sind in einer kleinen Wohnung aufgewachsen. Treten Sie deshalb eher bescheiden auf?

Das hat nichts mit der Grösse einer Wohnung zu tun. Das hat nur mit der Erziehung zu tun. Ich bin meinen Eltern sehr dankbar, dass sie mich so erzogen haben.

In Zürich sind Sie mit dem Tram unterwegs. In St. Petersburg haben Sie wahrscheinlich einen Chauffeur?

Nein. Da fahre ich Auto. Die Trams da bieten nicht dieselben Vorteile wie in Zürich. Zudem wohne ich in St. Petersburg ausserhalb der Stadt, da fahren gar keine Trams.

Haben Sie schon Russen in der Schweiz kennengelernt?

Milana schon. Es gibt Russen, die ihr im Alltag helfen. Ich nicht unbedingt. Ich konzentriere mich auf den FC Zürich.

Ihre Frau macht den Master in Journalismus. Haben Sie auch studiert?

Ich habe zwei Studien ab­geschlossen. Erst Sport, dann Wirtschaft.

Ist Ihr Sohn Igor auch in Zürich?

Leider noch nicht. Ich hoffe, er kann bald zu uns kommen. Wir hatten ein Problem mit dem Visum. Im Moment lebt er noch bei meinen Eltern.

Aus erster Ehe haben Sie eine zehnjährige Tochter. Kommt sie auch?

Nein. Daria wohnt bei ihrer Mutter. Wir telefonieren jedoch regelmässig.

Sie haben bereits zwei Kinder. Wünschen Milana und Sie sich auch noch gemeinsamen Nachwuchs?

Ja. Wir beide wünschen uns ein gemeinsames Kind. Es ist nicht so, dass wir uns Druck aufsetzen, aber wir lassen es drauf ankommen. Es kommt, wie es kommt.

Sollte es auch rasch mit dem Nachwuchs klappen, das Baby dürfte nicht in der Schweiz auf die Welt kommen. Kerschakow ist einzig hier, um seiner ins Stocken geratenen Karriere neuen Schwung zu verleihen. Ein halbes Jahr Spielpraxis sammeln und Tore schiessen. So ist es vorgesehen. Seine Heimat ist Russland, sein Ziel: die Rückkehr in die russische Nationalmannschaft.

Warum schreibt man eigentlich schon als Teenager eine Autobiografie?

Ein Journalist hat mich angefragt. Ich habe ihm Dinge erzählt, und er hat es aufgeschrieben.

Wie war der Titel des Werks?

Der hiess «Bis 16 und älter». Aber der stammt nicht von mir. Der Journalist, der das Buch geschrieben hat, hat auch den Titel gemacht.

Wir würde der Titel Ihrer Autobiografie heute heissen?

Damit habe ich mich noch nicht beschäftigt, und damit will ich mich auch nicht beschäftigen. Ich will noch nicht zurücktreten.

Wollen Sie erst den FCZ zum Cupsieg schiessen und dann mit Russland an die EM?

Ja. Und am liebsten zwei Jahre später auch noch an die WM!

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