Foto: TOTO MARTI

FCSG-Coach Zeidler offenbart
«Ich habe jede Entlassung persönlich genommen»

Peter Zeidler (57) verrät, ob er seine Haare als Gymi-Lehrer oder Trainer verloren hat, und redet über Lieblingsschüler, Strafaufgaben, die Liebe zu Frankreich und Entlassungen.
Publiziert: 14.01.2020 um 00:43 Uhr
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Peter Zeidler weilt derzeit mit St. Gallen im Trainingslager.
Foto: TOTO MARTI
Michael Wegmann (Text) und Toto Marti (Fotos)

Im Januar 2008 hängt Peter Zeidler seinen Lehrerjob an den Nagel und wird erstmals professioneller Fussballtrainer. Sein erster Arbeitstag als Assistent bei Hoffenheim? «Das war genau vor zwölf Jahren hier in La Manga», sagt Zeidler und schmunzelt, «von dem her passt es ausgezeichnet.» Da ist er zurzeit wieder – im Trainingslager mit dem überraschenden Tabellendritten St. Gallen.

Peter Zeidler, Wikipedia verrät, dass Sie einst auch Spielertrainer waren ...
Peter Zeidler:
... das ist aber lange her. Mitte der 90er-Jahre in Tübingen. Hauptberuflich war ich damals Lehrer, daneben Spielertrainer. Ich habe früher auch gekickt, in der 6. Liga. Als ich es als Spielertrainer versuchte, war mir schnell klar, dass es mir besser liegt Trainer zu sein.

Als Spieler hatten Sie keine Profi-Ambitionen?
Nein. Ich bin als Trainer sicher besser. Aber ich konnte schon kicken, da leg ich schon wert drauf. Aber Profi werden, das lag nicht drin.

Woran hats gefehlt?
Die meisten würden jetzt sagen, dass sie sich genau im dümmsten Moment verletzt hätten. Am Knie oder so (lacht). Bei mir war es nicht so. Ich hatte einfach keine realistischen Chancen. Mir fehlte es vor allem am Tempo.

Der fussballbegeisterte Schwabe wurde dann Französischlehrer. Woher kommt diese Faszination für Frankreich?
Ich mochte die französische Literatur, die französische Sprache schon immer. Aber der Fussball hatte wohl auch Einfluss. Das war damals Anfang der 80er die Zeit von Platini, Giresse und Tigana. Ich war fasziniert von diesen spielstarken Franzosen. Wir Deutschen galten ja damals eher als Rumpelfussballer.

Sie waren wohl der einzige Deutsche, der nach Frankreich geschaut hat, um Fussball zu sehen.
So viele gab es sicher nicht, stimmt schon.

Was waren Sie für ein Lehrer-Typ. Eher der strenge oder der kollegiale?
Ich war eher streng, denke ich. Aber ich bin in der Regel ohne Strafen durchgekommen. Ich glaube, ich konnte meine Schüler begeistern. Für gewöhnlich sind deutsche Teenager nicht so einfach für die französische Sprache zu motivieren. Aber mir ist es irgendwie gelungen. Ob jetzt alle jedes Verb konjugieren konnten, war mir nicht das Wichtigste. Ich wollte den Schülern und Schülerinnen meine Liebe zu Frankreich vermitteln. Mein Ziel war es, das nachbarschaftliche Verhältnis zu pflegen. Nicht viele Franzosen lernen deutsch und nicht viele Deutsche lernten zu dieser Zeit französisch. Ich wollte, dass deutsch-französische Freundschaften entstehen. Deswegen habe ich auch Austauschwochen organisiert.

Hatten Sie Lieblingsschüler?
Würde ich nein sagen, würde ich lügen. Die einen sind einem sympathischer als andere, das ist normal. Aber ich habe immer versucht, gerecht zu sein. Irgendwie mochte ich sie alle.

Es gibt sie wohl in jeder Schulklasse: Die drei Jungs, die meist hinten in einer Ecke sitzen, Blödsinn im Kopf haben und nur schwer zu motivieren sind. Gibt’s die auch in Ihrem Team?
Das kenne ich aus der Schule (lacht). Aber wir haben keine desinteressierten Fussballer in der Mannschaft. Wir haben im Moment mit Vilotic, Costanzo und Rüfli zwar schon auch Spieler, die eher wenig zum Zug kommen. Die anderen haben im Moment die Nase vorn. Aber die drei benehmen sich vorbildlich. Man kann sie nicht mit den Jungs in der letzten Reihe vergleichen.

Kann man eine Schulklasse mit einer Fussballmannschaft vergleichen?
Das kann man durchaus. Es gibt Situationen, da entsteht eine Eigendynamik. Wenn der eine sich anstrengt, die Hausaufgaben macht, ein gutes Referat hält, dann ziehen die anderen mit. So eine Stimmung haben wir im Moment bei St. Gallen. Die Jungs sind fleissig. Alle sind gewillt, haben Feuer und halten zusammen. Wir hatten schon auch Glück, dass diese verschiedenen Typen so gut zusammenpassen.

Wollten Sie immer Profitrainer werden?
Nein. Lehrer war mein Traumjob, meine Lebensaufgabe. Profitrainer war damals nie mein erklärtes Ziel. Als ich dann 2004 beim VfR Aalen in der 3. Liga entlassen wurde, habe ich gedacht: «Eigentlich kannst du das ja!» Nun wollte ich es versuchen, obwohl ich zum ersten Mal entlassen wurde und dies so überhaupt nicht verstehen konnte. Sie müssen wissen: Aalen ist meine Heimatstadt, ich ging nicht mehr raus, habe mich verbarrikadiert, dachte, die ganze Welt sei gegen mich. Ich habe darauf aber dennoch mit Überzeugung den Job gewechselt. Heute ist Fussballtrainer mein Traumberuf. In St. Gallen macht es mir unglaublich Spass. Ich bin jeden Tag total motiviert.

Wie oft wurden Sie entlassen?
Viermal.

Steckt man das einfacher weg?
Nein. Jede Entlassung tut weh. So cool kann man gar nicht sein, dass einem das kalt lässt. Wenn einer sagt, dass ich nicht mehr gut genug bin, dass es nicht mehr reicht, tut das weh. Ich habe jede Entlassung persönlich genommen – ob in Aalen, Sion oder Salzburg...

Lehrer werden selten gefeuert. Haben Sie den Job-Wechsel auch schon bereut?
(Lacht.) Nach der Entlassung bei Salzburg habe ich mich schon gefragt, was ich hier eigentlich mache. Da war ich vor meinem Engagement bei Sion acht Monate ohne Klub, das war eine lange Zeit.

Hätten Sie nochmals als Lehrer einsteigen können?
Ja, aber nicht mehr als Beamter. Und als Beamter hat man in Deutschland schon viele Privilegien, was zum Beispiel die Pension oder die Krankenversicherung angeht. Gymnasiallehrer sind schon gut entlöhnt.

Und nach Ihrer Entlassung bei Sion?
Das war irgendwie anders, da es sich abgezeichnet hat. Klar war es blöd, dass ich gehen musste, dass ich den Cupfinal nicht mehr erleben durfte. Ich bin überzeugt, wir wären damals in der Meisterschaft Dritter geworden. Das war schade.

Platz drei können Sie diese Saison mit St. Gallen nachholen. Oder wären Sie damit nach dieser tollen Vorrunde überhaupt noch zufrieden?
Klar wären wir zufrieden mit Platz drei. Diese Frage haben Sie aber geschickt gestellt. Alles dreht sich nach der Vorrunde nur noch darum, was für ein Ziel wir ausgeben, ob es zu einem Dreikampf um den Titel kommt. Von mir hören Sie nicht, dass wir Dritter werden wollen, oder dass Platz vier eine Enttäuschung wäre. Wir schaffen es, dass wir uns von der Tabellensituation lösen. Auch wenn Sie mir das vielleicht nicht abnehmen.

Doch, doch. Ich nehme Ihnen aber nicht ab, dass St. Gallen noch immer gegen den Abstieg spielt, wie Sie kürzlich gesagt haben.
Das war doch eher flapsig daher gesagt, weil es rein theoretisch ja noch möglich gewesen wäre.

Sie coachen oft sehr emotional und gestenreich. Ist das beabsichtigt?
Nein. Wild gestikulierend will ich nicht sein. Wenn ich mich im TV sehe, denke ich auch ab und an: «Weniger wäre mehr.» Zumindest was die ausladenden Gesten angeht. Ich arbeite daran, dass ich ruhiger werde. Und ich habe mich schon gebessert. Aber ich werde immer an der Seitenlinie mitleben und versuchen, mein Team nach vorne zu pushen.

Wie erholt sich Peter Zeidler?
Ich lese viel. Zeitungen und Bücher. Und mache regelmässig Ausflüge mit dem Rad. Ich habe noch ein altes Banesto-Shirt, welches noch Miguel Indurain getragen hat und einen Helm natürlich.

Wo haben Sie eigentlich Ihre Haare verloren? Schon im Klassenzimmer oder auf dem Trainingsplatz?
Die waren sehr früh weg. Mit Mitte zwanzig haben sie sich schon gelichtet. Mit gut 30 habe ich mich entschieden, oben ohne zu leben.

Haben Sie unter Ihrem Haarausfall gelitten?
Sagen wir es mal so: Wenn man mit Mitte zwanzig seine Haare verliert, jubelt man sicher nicht. Ich habe schon auch gelitten. Aber später war es kein Problem mehr. Wichtig ist doch, was im Kopf ist – und nicht, was drauf ist. In den 90ern war eine Glatze dann plötzlich Mode – dank Fabien Barthez oder Zinedine Zidane. Da sind wir wieder bei den lieben Franzosen.

Credit Suisse Super League 24/25
Mannschaft
SP
TD
PT
1
FC Zürich
FC Zürich
14
7
26
2
FC Basel
FC Basel
14
20
25
3
FC Lugano
FC Lugano
14
6
25
4
Servette FC
Servette FC
14
2
25
5
FC Luzern
FC Luzern
14
4
22
6
FC St. Gallen
FC St. Gallen
14
6
20
7
FC Lausanne-Sport
FC Lausanne-Sport
14
2
20
8
FC Sion
FC Sion
14
0
17
9
BSC Young Boys
BSC Young Boys
14
-5
16
10
Yverdon Sport FC
Yverdon Sport FC
14
-10
15
11
FC Winterthur
FC Winterthur
14
-21
11
12
Grasshopper Club Zürich
Grasshopper Club Zürich
14
-11
9
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