Herr Hefti, haben Sie sich an der Oberlippe verletzt?
Silvan Hefti: Das war eine Fieberblase. Und später habe ich im Training noch eins draufbekommen. Dann ists geplatzt. Ich hoffe, es ist bald wieder vorbei.
Was sagt die Freundin dazu?
Nichts, aber es gibt sicher Angenehmeres.
Wie fühlt man sich als Tabellenführer?
Sehr gut, nach jedem Sieg freut man sich. Einen Sieg auswärts in Basel durften wir erfreulicherweise ja schon mehr als einmal erleben. Jetzt wars unbeschreiblich, vor allem auf dem Platz, da hat es extrem viel Spass gemacht, Gas geben zu können.
Erster in der Rangliste, das sind Sie in Ihrer Karriere zum ersten Mal, nicht wahr?
Ja, stimmt. Es ist wunderschön, die Tabelle anzuschauen. Auf dem Heimweg aus Basel habe ich mir die Rangliste kurz angeschaut.
Haben Sie sie fotografiert?
Nein, ich habe keinen Screenshot gemacht. Vielleicht auch, weil mir bewusst ist, dass dies eine Momentaufnahme ist. Wir haben vor der Runde vom Wochenende gleich viele Punkte wie YB. Das ist nicht selbstverständlich. Es gibt noch viel zu tun.
Mussten Sie sich diese Woche nicht öfter zwicken?
Nein, zwicken nicht. In der Hinrunde hat sich das Ganze immer mehr aufgebaut. Wir konnten viele positive Resultate erzielen, oft überzeugend spielen. Es machte ja nicht plötzlich Zack und wir waren punktgleich mit Bern. Uns war immer klar, dass das alles nicht selbstverständlich ist. Und dieses Bewusstsein hilft uns, dass wir jetzt nicht im Traum leben.
Vom Titel haben Sie noch nicht geträumt?
(Lacht.) Nein, nein, wirklich nicht. Ich träume schon manchmal vom Fussball, von Trainings.
Wie hoch ist Ihre Meisterprämie?
Wir haben eine allgemeine.
Alle Spieler die gleiche?
Ja.
Wie hoch?
Über Vertragsdetails sprechen wir in der Öffentlichkeit nicht.
Wie stehts mit den Schulterschmerzen?
Gut, zwischendurch im Kraftraum, bei spezifischen Übungen ...
... wir dachten eher, dass Sie wegen den vielen Schulterklopfern Schmerzen bekommen haben ...
Die Frage passt gut, denn in der letzten Vorbereitung im Sommer bin ich ganz blöd auf die Schulter gefallen. Die Schulter ist sehr, sehr nachtragend. Aber zum Glück spüre ich sie im Spiel nicht. Zu Ihrer Frage: Logisch ist die Euphorie gross.
Waren Sie in der Stadt unterwegs diese Woche?
Ja, aber es waren nicht viele Leute in der Stadt. Es ist mir nicht aufgefallen, dass mehr Leute auf mich zugekommen sind. In der ganzen Hinrunde hat man die Freude schon gespürt in der Umgebung und bei den Fans. Am extremsten war es nach dem Schlusspfiff in Basel, als die Fans die ganze Nacht durch im Joggeli feiern wollten.
Wie war die Stimmung auf dem Feld, als der Schiri dank VAR Ihren Führungstreffer annullierte? Jede andere Mannschaft wäre nach einem solchen Entscheid wohl zusammengebrochen ...
Im Spiel, in der ganzen Hektik, dachte ich schon, dass es ein Foul war. Nachher machten wir den Angriff, Goal, ich freute mich. Nach den langen Diskussionen und nachdem der Schiri rausgegangen war, schmeckten wir schon, dass wohl was kommen wird. Wir standen vor der Entscheidung nahe beieinander. Wir sagten: «Egal, wie’s kommt, im schlimmsten Fall stehts immer noch 1:1. Wir haben noch alle Chancen, hier noch etwas zu holen.»
Jordi Quintilla hatte in der Pause in der Kabine eine Ansprache ...
Ja, mehrere Spieler, er vor allem. Aber auch Lukas Görtler und ich. Wir sagten: «Wir sind gut drin, wir müssen so weitermachen.» Das war unsere Kernbotschaft.
Wie war die Rückfahrt aus Basel?
Cool.
Laut?
Mehr oder weniger. Zwischendurch schauten wir auf den Bildschirmen die Zusammenfassungen der Spiele. Als unser Spiel gezeigt wurde mit den Interviews, da mussten wir zwischendurch schmunzeln.
Gabs Bier zum Feiern?
Nein. Während der Saison übermässig Alkohol zu konsumieren, wäre ja auch blöd.
Im Spiel laufen Sie extrem viel. Wie viele Kilometer spulen Sie ab?
In Basel nicht einmal so viele.
Elf, zwölf?
Wir hatten in Basel oft schnelle Läufe Richtung Gegner. Wenn wir in der Hälfte des Gegners bleiben können, dann müssen wir nicht die langen Wege gehen. Wir können mit unseren Laufleistungen sicher zufrieden sein. Ich persönlich laufe meistens mehr als elf Kilometer.
Schlucken Sie Wunderpillen?
Nein, keine speziellen «Chügeli». Wir haben die Ernährung ein wenig umgestellt.
Welche Produkte gibts nicht mehr?
Es ist eher vegetarisch, aber nicht nur vegetarisch. Es gibt auch Fleisch. Das Ziel der Führung war, dass wir wirklich gute Produkte zu uns nehmen und dass wir ein sehr grosses Angebot haben.
Essen Sie als St. Galler nie Bratwurst?
Doch, schon.
Mit Senf?
(Lacht.) Nein, ich wüsste nicht einmal, ob es mit Senf schlecht wäre. Aber ich bin hier so aufgewachsen. Zur St. Galler Wurst gibts keinen Senf.
Sind Sie nie müde?
Doch, doch. Auch nach dem Spiel in Basel war ich müde. Aber die Freude über den Sieg hat mich fast die ganze Nacht wach gehalten. Da ist noch Adrenalin mit dabei, das ist nach vielen Spielen so.
Wie lange schlafen Sie normalerweise?
Ich bin nicht so der Langschläfer. Meine Freundin eher.
Beim Frühstück mit der Mannschaft sind Sie aber laut Trainer Zeidler immer der Erste ...
Ja, einer der Ersten. Mit Boris Babic, er ist auch ein Frühaufsteher. Und Mo Costanzo, er hat zu Hause zwei Kinder.
Wer ist in der Kabine Ihr DJ?
Alessandro Kräuchi, sein Rap-Song ist ja bekannt. Er ist musikaffin. Jérémy Guillemenot lässt auch gerne Musik laufen. Victor Ruiz steht auf spanische Musik.
Welche Sprache wird in der Kabine gesprochen?
Deutsch, Englisch, Französisch. Oder Spanisch, das spreche ich leider nicht. Würde mich schon reizen. Wenn Quintilla und Ruiz miteinander sprechen, megaschnell, dann nimmts mich schon wunder, was die jetzt die letzten zehn Minuten diskutiert haben.
Wer ist der Spassvogel?
Görtler macht gerne Spässe. Nimmt andere Spieler gerne hoch. Auch mit Babic habe ich es oft lustig, ihn kenne ich seit Juniorenzeiten.
Wie gut gefüllt ist die St. Galler Mannschaftskasse?
Vor kurzem haben wir in einen neuen Pingpongtisch investiert. Und zwei neue Lautsprecherboxen haben wir auch gekauft. Die kommen ja mit zu den Auswärtsspielen. Die alten Boxen waren schon da, als ich mein Debüt gab, haben also sicher fünf Jahre überlebt.
Wofür gibts Geldstrafen?
Unser Coach ist nicht wirklich für Strafenlisten mit Geldbeträgen. Es gibt Regeln wegen der Handys. Eine halbe Stunde vor dem Training darf nicht mehr telefoniert werden. Auch nicht gleich nach Trainingsschluss.
Was kosten die Verstösse?
Das bestimmt der Trainer Fall für Fall. Nur wer bei den Physios zu spät kommt, muss fünfzig Franken ins Physio-Kässeli bezahlen.
Sie haben in Ihrer jungen Karriere nach Tarone, Zinnbauer, Contini, Kuzmanovic mit Zeidler jetzt bereits Ihren fünften Trainer. Was macht Zeidler anders?
Alle anderen hatten fixe Bussenlisten. Das und das kostet so viel. Peter Zeidler schaut mehr den Einzelfall an.
Ein Jubelbild vom letzten Sonntag, das gross im BLICK abgedruckt war, drückt Ihre momentane Stimmung wohl am besten aus. Ersatzspieler, gesperrte Spieler, alle jubeln auf dem Feld zusammen und treiben den Trainer zu den mitgereisten Fans.
Natürlich, wenn die Resultate stimmen, kommst du in einen positiven Flow. Wo auch die Verletzten und die Gesperrten nur lachen können, einfach, weil sie glücklich sind. So müsste es sein, auch wenn es nicht einfach ist, das zu erreichen. Auch in meiner Karriere ist dies das erste Mal, dass ich einen solchen Flow erlebe. Die Zusammensetzung des Teams spielt natürlich auch eine wichtige Rolle. Mit Görtler haben wir, auch neben dem Platz, einen sehr wichtigen Spieler, der zu unserem jungen Team dazugestossen ist. Es passt jetzt alles sehr, sehr gut zusammen. Auch das Spielsystem. Man kann nicht mit allen Spielern ein solches Spielsystem spielen wie das unsrige.
Wo spielen Sie nächste Saison?
Ich weiss es nicht. Mein Vertrag läuft noch bis 2021. Jetzt liegt der Fokus voll auf der Rückrunde.
Gibts noch keine Angebote?
Ich bin nicht der Einzige hier, der sich jetzt interessant gemacht hat. Auch aufgrund unserer Resultate. Aber ich will eigentlich nicht darüber reden, denn jetzt haben wir eine so coole Chance, um relativ lange vorne mitzuspielen. Und das wollen wir ja auch. Aber wir sind uns auch bewusst, dass wir die drei nächsten Spiele gegen Servette, Luzern und YB verlieren können. Doch wir sind selbstbewusst genug: Wenn wir alles geben, versuchen wir, so lange wie möglich vorne mitzuspielen.
Und Erster zu werden ...
Wir wollen nicht mehr runter, klar. Aber wir sehen auch die Qualitäten der anderen Spitzenmannschaften.
Das Wort «Meister» ist verboten?
Nein, es ist nicht verboten. Wir wollen das Rennen so lange wie möglich offen halten und spannend machen. Das wäre auch schon eine Riesenleistung für einen Verein wie St. Gallen, der offensichtlich kleiner aufgestellt ist als andere Klubs in dieser Liga, dass er bis zur 20. Runde mithalten kann. Und hoffentlich auch noch länger.
Silvan Hefti wurde am 25. Oktober 1997 in Rorschach SG geboren. Bei den Junioren spielte er beim FC Goldach, 2009 ging er zur U13-Mannschaft des FC St. Gallen. Dort durchlief er alle Stufen und bekam im September 2015 einen Profivertrag. Als knapp 20-Jähriger wurde er Captain. Sein jüngerer Bruder Nias (20) ist auch Profi, er spielt beim FC Thun.
Silvan Hefti wurde am 25. Oktober 1997 in Rorschach SG geboren. Bei den Junioren spielte er beim FC Goldach, 2009 ging er zur U13-Mannschaft des FC St. Gallen. Dort durchlief er alle Stufen und bekam im September 2015 einen Profivertrag. Als knapp 20-Jähriger wurde er Captain. Sein jüngerer Bruder Nias (20) ist auch Profi, er spielt beim FC Thun.
Mannschaft | SP | TD | PT | ||
---|---|---|---|---|---|
1 | Servette FC | 27 | 9 | 48 | |
2 | FC Basel | 27 | 27 | 46 | |
3 | FC Luzern | 27 | 6 | 44 | |
4 | FC Lugano | 27 | 4 | 42 | |
5 | BSC Young Boys | 27 | 8 | 40 | |
6 | FC St. Gallen | 27 | 4 | 39 | |
7 | FC Zürich | 27 | -1 | 39 | |
8 | FC Lausanne-Sport | 27 | 6 | 37 | |
9 | FC Sion | 27 | -6 | 33 | |
10 | Yverdon Sport FC | 27 | -17 | 28 | |
11 | Grasshopper Club Zürich | 27 | -11 | 26 | |
12 | FC Winterthur | 27 | -29 | 20 |