FCL-Trainer Fabio Celestini verrät
«Ich war kurz vor einem Burnout»

Luzerns neuer Coach Fabio Celestini (44) gibt zu, dass sein Engagement bei Lausanne fast in einem Burnout geendet hat – und er erklärt, weshalb ihm das Tanzen hilft, abzuschalten.
Publiziert: 21.01.2020 um 18:08 Uhr
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FCL-Trainer Fabio Celestini erklärt, nach seinem Engagement bei Lausanne ausgebrannt gewesen zu sein.
Foto: TOTO MARTI
Michael Wegmann (Text) und Toto Marti (Fotos) aus Marbella

BLICK: Fabio Celestini, nach Ihrer Ent­lassung bei Lugano waren Sie nur zwei Monate arbeitslos. Was haben Sie in dieser Zeit getan?
Fabio Celestini: Über Weihnachten war ich in Panama bei meiner Frau und meiner Tochter. Davor war ich in Spanien und sah mir Trainings des FC Valencia an. Und ich habe meine Zeit in Lugano analysiert. Das war mir wichtig, um richtig abschliessen zu können.

Zu welchem Schluss sind Sie dabei gekommen?
Während der Saison, in den Spielen und Trainings haben wir aus meiner Sicht einen guten Job gemacht. Vor Meisterschaftsbeginn habe ich aber Fehler gemacht. Es wären wichtige Entscheidungen im Klub angestanden, die wir sofort hätten klären müssen, dies aber nicht getan haben.

Mussten Sie lange überlegen, als Sie für den Job in Luzern angefragt wurden?
Nein. Als Remo mich angefragt hat, ob ich Interesse hätte, sagte ich sofort Ja. Da war ich noch in Panama, zwei Tage später war ich schon in Luzern. Der FCL hat riesiges Potenzial, ein super Stadion, tolle Fans und eine tolle Organisation mit professionellen Strukturen. Beim FCL war man von der ersten Minute an klar, präzis und zuverlässig. Sagte man mir, man rufe mich am Dienstag an, hat man das auch getan.

Sie sagten, dass Sie immer gerne mal ein Team aus der Deutschschweiz trainieren wollten. Warum?
Weil die Arbeitseinstellung der Deutschschweizer eine andere ist, die Disziplin. Die Hierarchie ist klarer. Es wird auch weniger hinterfragt als im Tessin oder in der Romandie. Die ersten Tage hier haben mir gezeigt, dass es stimmt. Die Spieler hinterfragen nicht alles. Sie tun es einfach, sie arbeiten. Im Welschland oder im Tessin heisst es oft als Erstes: «Aber man könnte doch ...» Oder: «Müsste man nicht ...?»

Sie sind auch Welscher. Als Sie Nati-Spieler waren, soll der Röstigraben besonders gross gewesen sein.
Auf dem Platz nicht, daneben gab es schon Gruppen. Aber nicht Welsche, Tessiner oder Deutschschweizer. Da gab es zum Beispiel die grosse GC-Fraktion. Zu ihr gehörten auch die Welschen Müller und Vogel. Spycher war wiederum mehr mit den Westschweizern zusammen. Ein Beispiel: Ich war zehn Jahre mit Hakan Yakin in der Nati. Aber wir sagten uns eigentlich nur «Guten Morgen», mehr nicht. Auf dem Platz verstanden wir uns super, er war ein toller Fussballer. Neben dem Platz aber sprachen wir kaum miteinander. Hatsch sprach Deutsch, ich Französisch, Spanisch oder Englisch.

Sie sagten einst, dass Sie nach Ihrem Engagement als Lausanne-Trainer ausgelaugt gewesen seien. Wie war es nach Ihrer Entlassung bei Lugano?
Da fühlte ich mich ganz anders. Ich war voller Energie und sofort bereit für eine neue Herausforderung.

Was haben Sie im Tessin dann anders gemacht?
Kam ich in Lausanne nach einem Arbeitstag nach Hause, blieb mein Kopf im Stadion. Ging ich schlafen, war mein Kopf immer noch im Stadion. Da war nur noch Lausanne, Lausanne und Lausanne. Das geht natürlich nicht. Das kapierte ich aber erst, als es fertig war. Steckst du mittendrin, merkst du es nicht. Du bist zwar müde, kannst aber nicht abschalten.

Tönt nach einem Burnout?
Ja, ich weiss, dass ich damals ganz knapp an einem Burnout vorbeigeschrammt bin. Ich war ausgelaugt. Nachdem ich bei Lausanne ent­lassen wurde, ging es drei Tage so weiter. Am vierten Tag bin ich dann ins Fitness gegangen und ein wenig mit meiner Familie weg. Plötzlich kam langsam die Energie zurück. Nach einem Monat war ich ein komplett anderer Mensch.

Welche Schlüsse haben Sie daraus gezogen?
Egal wie lange ich in Lugano ge­arbeitet habe, nach Feierabend sass ich ins Auto und es war fertig. «Stopp, morgen wieder», sagte ich mir. Zwei Stunden täglich nahm ich Zeit für mich selbst. Da bin ich entweder ins Fitness, in ein Restaurant oder ins Kino gegangen. Oder ich habe zu Hause gekocht.

Sie können sich beim Kochen erholen?
Ja, wunderbar sogar. In der Küche stehen und kochen oder backen macht mir grossen Spass. Ich mache Brot, Pizza, Pasta oder Spezialitäten aus Spanien und Panama.

Isst man dort viel Fisch?
Ja, aber Fisch ist nicht meine grosse Spezialität. Fleisch kann ich besser zubereiten.

Sie sind auch ein leidenschaftlicher Tänzer.
Tanzen ist für mich pure Freude. Im Tessin habe ich einen Kurs für lateinamerikanische Tänze besucht. Tanzen hat mir geholfen, abzuschalten und soziale Kontakte zu knüpfen.

Ist es für Sie denn schwierig, mit Menschen in Kontakt zu treten?
Sie müssen wissen, dass meine Familie und meine Freunde so gut wie auf der ganzen Welt verteilt sind. Im Tessin kannte ich kaum jemanden. Wollte ich über anderes als über Fussball reden, war das schwierig. In der Tanzgruppe konnte ich immer Fabio sein, nicht der Trainer Celestini. Die Personen da wollten tanzen, nicht mit mir über Fussball reden. Es hat mir geholfen, sozialen Anschluss zu finden.

Werden Sie auch in Luzern tanzen gehen?
Klar. Warum nicht? Ich geniesse den direkten Kontakt mit anderen Personen. Nicht mit Whatsapp oder SMS. Die Natels bleiben draussen. Beim Tanzen berührst du die Leute. Meine Söhne sind 20 und 18. Sie kamen auch mit. Für sie, die sonst immer am Handy sind, ist dieser re­ale Kontakt mit den Händen ein ganz neues Erlebnis.

Zurück zum FC Luzern. Haben Sie sich bei Ihrem Vorgänger Thomas Häberli Tipps eingeholt?
Nein, das habe ich bisher nicht getan.

Tut man das aus Anstand nicht?
Doch, man kann sich sehr wohl beim Vorgänger Informationen einholen. Es hängt aber sicher auch davon ab, wie gut man sich kennt. Ich glaube, es ist nicht einfach, wenn du deinen Job verlierst und kurz darauf dein Nachfolger dich noch um Hilfe bittet. Zudem wollte ich mir selber ein Bild der Situation machen.

Und wie ist Ihr Bild nach den ersten Tagen?
Die Bedingungen sind top, alles ist sehr professionell organisiert. Mit dem Staff passt es sehr gut, und die Spieler ziehen voll mit. Ich bin im Moment sehr glücklich.

Der FCL liegt auf Rang acht, vier Punkte vom Barrage-Platz entfernt. Was sind Ihre Ziele?
Ich will das Bestmögliche aus dieser Truppe herausholen. Ich will den Spielern meine Spielidee vermitteln und ein Modell kreieren, welches zum Klub passt. Ich will, dass wir die einzelnen Spieler und das Team besser machen und dass wir eine Mentalität hineinbringen, mit der man gewinnt.

Es scheint, als wollen alle Trainer mittlerweile dasselbe System spielen. Mit viel Ballbesitz und aggressivem Pressing bei Ballverlust ...
... mein Stil wird derselbe bleiben wie in Lugano oder Lausanne. Aber das Modell wird anders sein. Denn die Spieler sind nicht mehr dieselben. Ein Trainer muss sich seinen Spielern anpassen, nicht umgekehrt. Sie sind 25, ich bin allein.

Können Sie ein Beispiel nennen?
In Lugano hatte ich nicht die Spieler, um konsequent zu pressen. Für ein solches Spielsystem muss man 90 Minuten laufen können. Deshalb sind wir in Lugano einige Meter defensiver gestanden als damals in Lausanne. Wir werden nun schauen, welches System am besten zu den Spielern des FC Luzern passt.

Fabio Celestini

Fabio Celestini spielte 143 Partien für Getafe, war Captain bei Marseille und lief 35-mal für die Schweizer Nati auf. 2010 beendet der Mittelfeldspieler seine Karriere. Seine Trainerkarriere beginnt er als Assistent bei Málaga. 2015 übernimmt er Lausanne in der Challenge League. 15 Monate später steigt er auf. Mit Lugano qualifiziert er sich letzte Saison für die Europa League. Nun hat er in Luzern einen Vertrag bis Sommer 2021. Celestini hat zwei Söhne aus erster Ehe. Seine jetzige Frau lebt mit der gemeinsamen Tochter in Panama, seine Eltern in Italien.

Fabio Celestini spielte 143 Partien für Getafe, war Captain bei Marseille und lief 35-mal für die Schweizer Nati auf. 2010 beendet der Mittelfeldspieler seine Karriere. Seine Trainerkarriere beginnt er als Assistent bei Málaga. 2015 übernimmt er Lausanne in der Challenge League. 15 Monate später steigt er auf. Mit Lugano qualifiziert er sich letzte Saison für die Europa League. Nun hat er in Luzern einen Vertrag bis Sommer 2021. Celestini hat zwei Söhne aus erster Ehe. Seine jetzige Frau lebt mit der gemeinsamen Tochter in Panama, seine Eltern in Italien.

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