Es ist ein schmuckloser Raum im Hotel Radisson Blu am Zürcher Flughafen. In einem Besprechungsraum sitzt Basel-Präsident Bernhard Burgener (60), ein wenig geknickt, ein wenig traurig. Mehr als einmal füllen sich seine Augen während des Gesprächs mit Tränen.
Er, der grosse Unternehmer, der so viel Härte zeigen muss, ist halt auch nur eines: ein Mensch. Einer, der schon viel durchmachen musste: Knall auf Fall verliert er tragisch seine Eltern. Später seinen Kumpel – und nun wurde sein bester Freund, der Basler Anwalt Martin Wagner, im eigenen Haus erschossen.
«In solchen Momenten wirst du geerdet», sagt er. In solchen Momenten tritt alles in den Hintergrund: der Meisterkampf mit dem FC Basel, die geschäftlichen Auseinandersetzungen. Im grossen SonntagsBlick-Interview erzählt Bernhard Burgener sein Leben.
Herr Burgener, Sie sind in einem Plattenbau aufgewachsen. War Ihre Familie arm?
Bernhard Burgener: Ich würde sagen glücklich. Ja, wir wohnten in einer Genossenschaftswohnung nahe des St.-Jakob-Parks. Geld hatten wir nicht viel, wir hatten kein Auto, keinen Fernseher – aber wir hatten es gut. Ich hatte Eltern, die für meine beiden sechs und sieben Jahre jüngeren Schwestern und mich alles gemacht haben. Als ich das KV abschloss, schenkten sie mir ein Auto. Wenn sie etwas taten, dann taten sie es für uns Kinder.
Wo haben Ihre Eltern gearbeitet?
Meine Mutter im Service in der Kantine von Hoffmann-La Roche. Mein Vater war eine Hilfskraft in einem Architekturbüro.
Sie haben sich früh selbstständig gemacht. Hat Ihr Vater das verstanden?
Überhaupt nicht! Er verstand nicht immer alles. Als er sein 25-jähriges Dienstjubiläum hatte, bekam er 25 Goldvreneli. Ich luchste ihm diese ab und kaufte mir eine elektrische Gitarre ...
Burgener schliesst als junger Mann erst die KV-Lehre ab. Mit 25 gründet er mit zwei Partnern eine Firma, es geht um Videokassetten. Der erste «Moviestar»-Laden steht in Allschwil BL. 1100 Franken Miete, 6000 für die Videokassetten, seine Frau führt ihn. Rund 18 Monate später verkaufen sie erfolgreich ihre Videotheken-Kette, die inzwischen auf sechs Läden angewachsen ist. Danach reist er nach Amerika und Frankfurt, verhandelt mit Paramount, sichert sich die exklusiven Vertriebsrechte für die Schweiz und rund ein Jahr später auch für Österreich für Streifen wie «Der Pate», «Spiel mir das Lied vom Tod» oder «Indiana Jones».
Er selbst fährt zu Beginn in einem Lieferwagen durch die ganze Schweiz, um die Video zu liefern. «Am Morgen um sechs Uhr fuhr ich an den Zoll, um Videokassetten zu verzollen. Dann bin ich mit dem 3,5-Tönner, den ich fahren durfte, durch die Schweiz gerast, um Direktlieferungen zu machen.» Nach drei Jahren kauft Ringier (gibt auch den SonntagsBlick heraus) ihm die Mehrheit an der Rainbow Video AG ab, Burgener ist mit 28 mehrfacher Millionär.
Eine verrückte Story, wie Sie vom kleinen Bürger zum reichen Mann geworden sind.
Es sind schöne Erinnerungen, aber eben, es war dann so, dass in
meinem Leben immer wieder schlimme Dinge passiert sind. Und dass unsere Eltern sehr früh gestorben sind.
Was ist passiert?
Mein Vater hatte 1992 gerade aufgehört, zu arbeiten, als er drei
Monate nach der Pensionierung an einem Herzinfarkt starb. Er ist zu Hause über Nacht einfach für immer eingeschlafen. Das war mein zweiter Tiefschlag, denn kurz davor hatte bereits das Schicksal bei meiner Schwester zugeschlagen.
Wo war das?
In Engelberg auf der Skipiste. Sie hatte im April 1990 plötzlich bei einer Abfahrt einen Hirnschlag und stürzte. Sie kam sofort ins Spital, aber es war kein Arzt da, der Sofortmassnahmen gegen diese Thrombose im Kopf einleiten konnte. Man flog sie abends mit dem Helikopter nach Basel ins Krankenhaus, wo sie einige Tage auf der Intensivstation lag und überlebte. Sie ist seither halbseitig gelähmt. Sie war damals 27, sie ist sieben Jahre jünger als ich.
Eine Frau, die von heute auf morgen gelähmt ist, zu betreuen, ist keine einfache Aufgabe.
Wir lösten das familienintern. Meine Mutter hörte auf zu arbeiten und kümmerte sich voller Hingabe um sie. Doch eben, nach drei Jahren traf uns 1995 ein weiterer Schicksalsschlag. Meine Mutter ist mit einer Freundin spazieren gegangen, an der Birsstrasse, ganz nahe beim Joggeli. Sie ging über den Fussgängerstreifen, als plötzlich ein Motorradfahrer mit über 80 Stundenkilometern in die beiden Frauen raste. Meine Mutter wurde 30 Meter weggeschleudert und war sofort tot, die andere Frau kam schwer verletzt ins Spital und überlebte zum Glück. Es ist ein Moment, in dem du dich fragst: Warum? Wieso kommt da dieser Mann so angerast?
Haben Sie eine Antwort darauf?
Nein. Ich weiss, dass der Mann Ausländer war und es daher auch noch rechtliche Auseinandersetzungen mit seiner Versicherung gab. Schliesslich ging es um meine Schwester, die ohne meine Mutter von der einen auf die andere Sekunde professionell gepflegt werden musste. Und vor allem dank Martin Wagner konnte dies aussergerichtlich zugunsten meiner Schwester geregelt werden.
Wie geht es ihr heute?
Sie ist ins Wallis gezogen und sie bestreitet ihr Leben allein in ihrer Wohnung. Sie war immer die Fröhlichste von uns dreien. Und sie ist es heute immer noch.
Mit seiner Firma Highlight Communications geht es für Burgener geschäftlich steil bergauf, er steht unter anderem hinter Constantin Film. Die Produktionsfirma ist verantwortlich für Streifen wie «Fack ju Göhte» oder «Das Parfum». Ein Freund von ihm wird der berühmte Produzent Bernd Eichinger, der einst über ihn sagte: «Bernhard sieht aus wie ein Schulbub, aber er hat es faustdick hinter den Ohren.» 2011 sitzt Burgener mit Eichinger in Los Angeles im Restaurant. Man isst, man lacht, man redet – bis der Produzent zusammenbricht.
Herr Burgener, wie ist es, wenn einem der Freund quasi unter den Händen wegstirbt?
Man sitzt da und fühlt sich einfach nur hilflos. Wir assen gerade, als Bernd in sich zusammensackte. Es dauerte keine fünf Minuten, bis die Ärzte und ein Krankenauto da waren, das Spital zwei Blocks vom Restaurant entfernt. Aber es war kein Infarkt, sondern ein Herzschlag – und da konnte man eben nichts mehr machen. Es ist irgendwie surreal.
«Das Parfum» war ein grosses Produkt von Ihnen beiden. Was verband Sie sonst geschäftlich?
Wir wollten uns über den nächsten Teil der Erfolgs-Franchise «Resident Evil» unterhalten und über eine Neuverfilmung von Winnetou. Dazu gab es bereits einen ersten Drehbuch-Entwurf mit dem Titel «Ride Alone» des Oscar-Gewinners Michael Blake. Blake hatte das Drehbuch von «Der mit dem Wolf tanzt» geschrieben.
Vor einigen Wochen erschüttert ein schlimmer Mord die Schweiz. Martin Wagner (57), der berühmte Medien-Anwalt, wird zu Hause von seinem Nachbarn erschossen. Dieser richtet sich danach selbst. Wagner ist seit 1990 der beste Freund von Bernhard Burgener. Besonders tragisch: Der Verstorbene hat kurz vorher seine Frau Sandra (46) wegen einer schweren Krankheit verloren, die beiden Söhne (über 20) und die Tochter (10) müssen nun ohne Eltern auskommen.
Mit Martin Wagner wurde Ihr bester Freund erschossen. Wie geht es Ihnen damit?
Es trifft mich schwer, und er fehlt mir sehr. Er war seit Anfang der 90er-Jahre an meiner Seite. Wir waren jung und voller Tatendrang, wir wollten Geschichte schreiben, wir hatten Träume. Ich durfte mit ihm so viele Sachen erleben, die viele Buchseiten füllen würden. Martin war aber auch ein Kämpfer, der mich nie im Stich liess. Wann immer dunkle Wolken aufzogen, war er stets zur Stelle. Aber in seinem letzten Kampf war er alleine und machtlos. Und das schmerzt mich besonders. Wir können nicht den Schmerz lindern. Wir können nun nur für seine Kinder da sein und versuchen, ihnen zu helfen.
Sie waren sich sehr nah, das spürt man.
Ich kann es bis heute nicht verstehen. Und es sind viele Erinnerungen, die mir im Kopf bleiben: Wir haben zum Beispiel immer gerne gut zusammen abends gegessen. Wir haben dann alles besprochen, Gott und die Welt, und sind mit den Familien in die Ferien gefahren. Nach Arizona, wo er ein Haus hatte. Oder wir sind in Florida zusammen herumgereist, das Geschäft stand dann nicht im Vordergrund in solchen Tagen.
Wie füllen Sie die Lücke in Ihren Firmen?
Das ist die Herausforderung, seine grosse Erfahrung zu ersetzen. Aber wir haben es immer gleich gemacht: Wir versuchen, eigene Mitarbeiter nachzuziehen. Die eigenen Leute fördern, das ist unsere Philosophie. Aber eben, es ist nach solchen Momenten schwierig, an die Geschäfte zu denken. Auch wenn man dann anpacken muss, es muss ja immer weitergehen.
Aber Geld wiegt keine persönlichen Verluste auf.
Ja, in solchen Momenten nützt es dir nichts, Millionär zu sein. Ich würde alle Millionen zurückgeben, wenn es mir die Menschen zurückbrächte. Ohne eine Sekunde zu zögern.
Zu Bernhard Burgeners Geschäften gehört auch ein Marmorbruch im Südtirol. Eine alte italienische Familie um Josef Lechner (1851-1926) baute den Laaser Marmor auf. Aus dem Bruch entstanden Denkmäler auf der ganzen Welt: Die Königin-Victoria-Statue vor dem Buckingham-Palast in London zum Beispiel. Nach dem Ersten Weltkrieg wählten die Alliierten den Laaser Marmor für ihre berühmten weissen Kreuze aus. 86'000 gibt es davon, 400 Angestellte schlugen sie aus dem Berg. Nur jenes Material, welches leuchtend weiss war, wurde verwendet.
Herr Burgener, liefern Sie auch heute noch die weissen Soldaten-Kreuze in die USA?
Ja, wir haben die letzten vier Jahre rund 3000 Kreuze geliefert. Wir haben Freude, dass die Geschichte des Steines weiterlebt.
Wie kamen Sie darauf?
Ich habe 1989 mein Haus gebaut und diesen Marmor innen und aussen verwendet. So bin ich auf diese Geschichte gestossen. 1992 gründeten wir eine Firma vor Ort. Es hat viele Jahre gebraucht, bis 2007, bis wir wieder die Genehmigung der Förderung aus dem alten Bruch bekamen. Unter anderem mussten wir zum Beispiel abklären, dass beim Abbau die Schmetterlings-Population im Gebiet nicht gefährdet ist. Es brauchte viele Jahre.
Es scheint, dass sich die Geduld gelohnt hat: Aus Ihrem Marmor ist sogar die U-Bahn-Station am One World Trade Center gebaut worden.
Oder die Moschee von Scheich Nahyan. Die Station am One World Trade Center war übrigens ein riesiges Projekt, wir lieferten über 70 000 Teile in 250 Containern.
Sie haben wirklich eine stattliche Anzahl an irren Ideen. Sie gründeten mit Partnern die «WBSS World Boxing Super Series» eine Art Box-Champions-League ...
... das ist eine Riesen-Freude, ja ...
... und Sie haben auch schon versucht, die Israeli und Palästinenser im kleinen zu versöhnen ...
Ach, das war jetzt wirklich nur eine Idee, umgesetzt hat es Werner Kimmig und das ZDF.
Wie sah die Idee konkret aus?
Es gibt die Schweizer Kinderhilfe Bethlehem. Diese entstand auch aus der Geschichte: In den 50er Jahren sah Pfarrer Ernst Schnydrig einen Mann, der im Morast seinen Sohn beerdigen musste. Er gründete daraufhin 1952 das Kinderhospital in Bethlehem. Zur langfristigen Sicherung dieser Kinderklinik gründete er die Kinderhilfe Bethlehem in Europa. Er mietete ein Haus dafür, bis heute wurden dort über 500'000 Kinder gepflegt. Egal, aus welcher Region sie stammen oder welcher Religion sie angehören. Ich fragte mich: Es gibt Neujahrskonzerte, die Salzburger Festspiele und vieles mehr. Aber was gibt es noch nicht? Da kam mir die Idee: Lasst uns ein Weihnachtskonzert in Bethlehem machen.
Und wie wurde es umgesetzt?
Überragend. Werner Kimmig und Ernst Heller haben das «Wunder» vollbracht. Sie durften in der Geburtsgrotte filmen, Markus Lanz moderierte. Ein jüdischer Mädchenchor sang und wurde von einem palästinensischen Jugendorchester begleitet. Selbst Abbas war da. Es war nur ein Zeichen, aber manchmal können kleine Dinge Grosses bewirken.
Herr Burgener, ist es Schicksal, was Sie in Ihrem Leben erdulden müssen?
Ich weiss es nicht . Es erdet einen einfach wieder. Wenn man dann nachdenkt über Geld oder so und dass man alles kaufen kann. In solchen Momenten merkt man, dass es Dinge gibt, die man nicht kaufen kann. Es schlägt einen zu Boden, aber auch meine Eltern wollten immer, dass es weitergeht. Und das erinnert mich an Mark Twain: «Trenne dich nie von deinen Träumen und Illusionen, wenn sie verschwunden sind, wirst du weiterexistieren, aber aufgehört haben zu leben.» Und ich will und werde weiter träumen…
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Persönlich
Bernhard Burgener wird am 7. August 1957 in Basel unweit des St.-Jakob-Parks geboren. Bereits mit 25 macht er sich selbstständig, ist mit 28 mehrfacher Millionär. Seit dem 1. Juli 2017 ist der Unternehmer Präsident des FC Basel, den er, je nach Quellen, für 15 bis 20 Millionen Franken erwarb. Privat wohnt Bernhard Burgener im Fricktaler Dorf Zeiningen AG, ist seit 1979 mit seiner Frau Romy zusammen (verheiratet seit 1991) und Vater der Kinder Robin (19) und Ramona (15).
Mannschaft | SP | TD | PT | ||
---|---|---|---|---|---|
1 | FC Lugano | 18 | 6 | 31 | |
2 | FC Basel | 18 | 21 | 30 | |
3 | FC Lausanne-Sport | 18 | 9 | 30 | |
4 | FC Luzern | 18 | 3 | 29 | |
5 | Servette FC | 18 | 2 | 29 | |
6 | FC Zürich | 18 | -1 | 27 | |
7 | FC Sion | 18 | 4 | 26 | |
8 | FC St. Gallen | 18 | 6 | 25 | |
9 | BSC Young Boys | 18 | -4 | 23 | |
10 | Yverdon Sport FC | 18 | -12 | 17 | |
11 | Grasshopper Club Zürich | 18 | -10 | 15 | |
12 | FC Winterthur | 18 | -24 | 13 |