Fassnacht zurück daheim
«Märli wurden schon genug geschrieben im Fussball»

Christian Fassnacht ist nach anderthalb Jahren in England zu YB zurückgekehrt. Im Gespräch mit Blick spricht er über seine Rückkehr, die emotionale Achterbahnfahrt und seine Ziele. Der 30-Jährige will nach einem «Seuchen-Halbjahr» wieder angreifen.
Foto: TOTO MARTI
Christian Fassnacht: YB-Rückkehrer im exklusiven Interview
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Christian Fassnacht ist nach eineinhalb Jahren zurück bei YB.
Foto: TOTO MARTI
Publiziert: 12.01.2025 um 19:46 Uhr
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Aktualisiert: 12.01.2025 um 21:35 Uhr

Da ist er wieder, und alles wirkt, als wäre er nie weg gewesen: Christian Fassnacht ist nach anderthalb Jahren in England zurück bei YB. Im Gespräch mit Blick gibt er sein erstes Interview seit der Rückkehr zu den Bernern. Im Trainingslager in Belek trainiert er aufgrund einer muskulären Verletzung noch individuell. Mit einem breiten Lachen im Gesicht kommt er gerade von seinem ersten Leistungstest. Das Interview müsse er pünktlich beenden, weil ein Teammeeting anstehe – sonst drohe ihm eine Busse. «Das kann teuer werden!» 

Mit Blick-Fussballchef Tobias Wedermann führt Fassnacht sein erstes Interview seit Bekanntwerden seiner Rückkehr.
Foto: TOTO MARTI

Christian Fassnacht, wie fühlt es sich an, wieder in Gelb-Schwarz herumzulaufen?
Irgendwie fühlt sich alles so vertraut und normal an. Als ich gestern im Bett lag, überlegte ich, warum ich es noch gar nicht richtig realisieren kann. Vermutlich, weil ich noch keinen Alltag habe. Aktuell fühlt es sich eher an, als wäre ich mit meinen Jungs aus Bern in den Ferien (lacht) – obwohl das Trainingslager wenig mit Ferien zu tun hat.

Er könne noch alles gar nicht so richtig realisieren: «Aktuell fühlt es sich eher an, als wäre ich mit meinen Jungs aus Bern in den Ferien.»
Foto: TOTO MARTI

Was war auf Ihrem Handy los, als Ihre Rückkehr zu YB bekannt wurde?
Ich habe unglaublich viele Nachrichten erhalten, und es war überwältigend, wie viel Freude mir entgegengebracht wurde. Das war richtig schön.

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«Der Abschied fiel mir nicht leicht, obwohl ich zuletzt nicht mehr so oft im Einsatz war.»
YB-Spieler Christian Fassnacht
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Beschreiben Sie die Emotionen, als Sie zurück im Wankdorf waren und auf Ihre Teamkollegen und Mitarbeiter trafen.
Wir konnten es recht lange geheim halten, daher wussten es noch gar nicht alle. Es war wie ein richtiges Nach-Hause-Kommen, mit ehrlichen Emotionen. Für mich ist es zudem schön zu sehen, dass ich bei YB Spuren hinterlassen habe – nicht nur als Spieler, sondern auch als Mensch. Es gab aber auch traurige Tränen in diesen Tagen.

YB-Stars sehen Fassnacht und sind aus dem Häuschen
1:11
Rückkehr nach Bern:YB-Stars sehen Fassnacht und sind aus dem Häuschen

Warum?
Es war eine emotionale Achterbahnfahrt. Ich habe ja mit Norwich City auch einen Klub verlassen, bei dem ich gemerkt habe, wie sehr mich die Leute mögen. Der Abschied fiel mir nicht leicht, obwohl ich zuletzt nicht mehr so oft im Einsatz war.

Der Abschied aus Norwich sei ihm aber alles andere als leicht gefallen.
Foto: imago/Focus Images

Wann kam es zu den ersten Kontakten?
Eigentlich schon früh. Mit Christoph Spycher und Steve von Bergen blieb ich sowieso immer in Kontakt. Sie waren auch mal in Norwich. Ich wollte aber noch nicht über eine Rückkehr sprechen, solange ich eine grosse Verletzung hatte. Im Dezember nahm der Transfer dann schnell Fahrt auf.

«Für mich ist es zudem schön zu sehen, dass ich bei YB Spuren hinterlassen habe – nicht nur als Spieler, sondern auch als Mensch.»
Foto: TOTO MARTI

Ab wann ist der Spieler Christian Fassnacht bei YB wieder auf dem Feld zu sehen?
Ich bin nicht mehr weit davon entfernt. Ich werde in den nächsten Tagen ins Mannschaftstraining einsteigen können. Für mich ist aber klar, dass ich nichts forcieren will. Ich bin dann einsatzbereit, wenn die Zeit reif ist.

Jetzt ist es noch eine kleine muskuläre Verletzung. Aber im Herbst waren Sie wochenlang ausser Gefecht.
Es war ein Seuchen-Halbjahr. Wahnsinn. Und ich weiss gar nicht wirklich, warum. Angefangen hat es mit der Wade, dann kam der Anriss einer Achillessehne, danach hatte ich Wasser im Knie und jetzt noch diese Hamstring-Verletzung zum Abschluss.

Die Entscheidung nach England zu gehen, habe er keine Sekunde bereut und er würde es jederzeit wieder so machen.
Foto: TOTO MARTI

Wie sind Sie mit dieser Situation und den Rückschlägen umgegangen?
Wenn du eine grosse Verletzung hast, weisst du, dass du ein paar Wochen oder Monate arbeiten musst und dann zurückkommst. Wenn aber immer wieder etwas Neues dazu kommt, ist das als Athlet sehr schwer zu verarbeiten. Ich hoffe, dass ich das jetzt abhaken und gesund bleiben kann.

Die Erwartungen an Sie sind in Bern gross. Spüren Sie den Druck schon?
Nein, ich habe die gleichen Erwartungen an mich selbst und setze mir hohe Ziele. Ich habe beispielsweise noch nie mehr als elf Tore in einer Saison erzielt. Ich habe noch einige Jahre im Körper und bin auf keinen Fall hier, um mich schon auf die Rente vorzubereiten. Aber ich bin auch nicht der alleinige grosse Retter, das ist klar.

Um seiner Leaderrolle bei YB gerecht zu werden, packt er teamintern gleich an, führt Gespräche mit den Kollegen, um die negative Entwicklung im Herbst analysieren zu können.
Foto: TOTO MARTI

Sie trainieren noch alleine. Konnten Sie sich trotzdem schon ein Bild machen von der Situation im Team und den Problemen im Herbst?
Das habe ich mir aktuell zu Herzen genommen: Mit den Teamkollegen zu sprechen, herauszufinden, was los war, und wie ich mit meiner Erfahrung gewisse Dinge in die richtigen Bahnen lenken kann.

Typisch Führungsspieler.
Das stimmt. Aber keiner der lauten Sorte auf dem Feld. Ich bin präsent in der Kabine und kümmere mich um das Team und die Mitspieler.

Wie haben Sie YB von England aus verfolgt?
Permanent. Ich habe mitgejubelt und mitgelitten – wenn möglich immer live im TV. Leider haben wir oft zeitgleich gespielt, was mich sehr genervt hat.

Mitgelitten haben Sie wohl besonders beim Saisonstart, als es fast bis Ende September dauerte, bis der erste Sieg in der Liga gelang?
Ja, ich war schon erschrocken. Ich dachte: «Was ist denn jetzt los?» Es wurde mir aber auch bewusst, wie viel Arbeit hinter unseren Erfolgen der letzten Jahre steckt und dass diese keine Selbstläufer waren. Wenn zwei, drei Puzzleteile nicht zusammenpassen, kann es schnell bergab gehen.

«Dieses Team hat längst bewiesen, was es kann. Der Start in den nächsten Wochen ist enorm wichtig. Märli wurden schon genug geschrieben im Fussball.»
Foto: TOTO MARTI

Zwei, drei Puzzleteile – klingt nicht nach grossen Änderungen, die nötig wären, um wieder erfolgreich zu sein.
Es fehlt wirklich nicht viel, davon bin ich 100 Prozent überzeugt. Wir müssen einfach Woche für Woche unsere Leistung abrufen. Dieses Team hat längst bewiesen, was es kann. Der Start in den nächsten Wochen ist enorm wichtig. Märli wurden schon genug geschrieben im Fussball.

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«Die Erfahrung hat mich sowohl als Fussballer als auch persönlich enorm weitergebracht. Ich bereue diese Entscheidung keine einzige Sekunde.»
YB-Spieler Christian Fassnacht
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Zur Tabellenspitze fehlen «nur» acht Punkte …
Ja, so sehe ich das auch (lacht). Wenn du aus YB-Sicht eine schlechte Hinrunde spielst und trotzdem nur acht Punkte Rückstand hast, fehlt wirklich nicht viel. Ein Beispiel: Gegen Sion haben wir in zwei Spielen keinen einzigen Punkt geholt. Das darf man sich als YB nicht leisten. Mit einem Sieg und einem Unentschieden wären wir mittendrin, obwohl es ein mieser Herbst war.

Sie hatten immer den Traum, im Ausland Fussball zu spielen. Jetzt haben Sie 50 Pflichtspiele für Norwich City absolviert. Wie war es, sich diesen Traum zu erfüllen?
Ich würde nichts anders machen. Die Erfahrung hat mich sowohl als Fussballer als auch persönlich enorm weitergebracht. Ich bereue diese Entscheidung keine einzige Sekunde.

Persönlich Christian Fassnacht

Christian Fassnacht ist am 11.11.1993 in Zürich geboren, spielte erst für den FC Thalwil und den FCZ, wo er sich nicht durchsetzen konnte, und später für den FC Red Star. 2015 wechselte er nach Winterthur in die Challenge League. In der Saison 2016/17, die Fassnacht beim FC Thun in der Super League verbrachte, erzielte er zehn Tore. 2017 ging er zu YB und schoss elf Tore, sorgte mit dafür, dass die Berner erstmals seit 32 Jahren wieder den Meistertitel feierten. Im Sommer 2023 wechselte Fassnacht zum englischen Zweitligisten Norwich City, absolvierte 50 Pflichtspiele. An Silvester 2024 machte er seine Rückkehr zu YB bekannt. Im Oktober 2018 debütierte Fassnacht für die Nati. Er war im Kader für die EM 2021 und die WM 2022. 2019 hat der Zürcher zudem die Modemarke «Cedici» mitgegründet.

Christian Fassnacht ist am 11.11.1993 in Zürich geboren, spielte erst für den FC Thalwil und den FCZ, wo er sich nicht durchsetzen konnte, und später für den FC Red Star. 2015 wechselte er nach Winterthur in die Challenge League. In der Saison 2016/17, die Fassnacht beim FC Thun in der Super League verbrachte, erzielte er zehn Tore. 2017 ging er zu YB und schoss elf Tore, sorgte mit dafür, dass die Berner erstmals seit 32 Jahren wieder den Meistertitel feierten. Im Sommer 2023 wechselte Fassnacht zum englischen Zweitligisten Norwich City, absolvierte 50 Pflichtspiele. An Silvester 2024 machte er seine Rückkehr zu YB bekannt. Im Oktober 2018 debütierte Fassnacht für die Nati. Er war im Kader für die EM 2021 und die WM 2022. 2019 hat der Zürcher zudem die Modemarke «Cedici» mitgegründet.

Gab es etwas, das Sie anders oder positiver erwartet hätten?
Nein, nicht wirklich. Das Einzige, was mir einfällt, ist Social Media. Wenn du ein schlechtes Spiel machst, spürst du bei Norwich eine bedenklich grosse Welle der Negativität. Ich möchte mir gar nicht vorstellen, wie es bei den ganz grossen Klubs in der Premier League ist.

Privat hat sich in Norwich ebenfalls viel getan: Sie und Ihre Frau Jennifer wurden Eltern einer Tochter. Wie ist das Papi-Leben?
Es ist eine grosse und wunderschöne Veränderung. Ich möchte keinen Tag mehr ohne die Kleine erleben. Sie ist jetzt das Wichtigste. Als ich über unser künftiges Zuhause in Bern nachdachte, war mein Fokus nur darauf gerichtet, wo es für sie am besten ist. So ist jetzt das Elternleben.

«
«Ich weiss nicht, ob ich noch auf Yakins Radar bin.»
YB-Spieler Christian Fassnacht
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Sie haben im Sommer 2023 zudem geheiratet. Dafür haben Sie bei der Nati abgesagt. Anschliessend wurden Sie nicht mehr nominiert. War Ihre Hochzeit das Ende Ihrer Nati-Karriere?
Das wurde so interpretiert. Ich kann aber sagen, dass ich einen offenen Austausch mit Murat Yakin hatte und nie das Gefühl, dass es für ihn ein Problem war. Muri ist selber ein absoluter Familienmensch.

Also ist die Tür zur Nati nicht zu, wenn Sie beispielsweise Ihren saisonalen YB-Torrekord von elf Treffern brechen?
Ich weiss nicht, ob ich noch auf Yakins Radar bin. Ich muss erst fit werden, Leistung zeigen, und wenn sich dann etwas ergibt, wäre das natürlich grossartig. Aber alles führt über gute Leistungen bei YB.

Credit Suisse Super League 24/25
Mannschaft
SP
TD
PT
1
FC Lugano
FC Lugano
18
6
31
2
FC Basel
FC Basel
18
21
30
3
FC Lausanne-Sport
FC Lausanne-Sport
18
9
30
4
FC Luzern
FC Luzern
18
3
29
5
Servette FC
Servette FC
18
2
29
6
FC Zürich
FC Zürich
18
-1
27
7
FC Sion
FC Sion
18
4
26
8
FC St. Gallen
FC St. Gallen
18
6
25
9
BSC Young Boys
BSC Young Boys
18
-4
23
10
Yverdon Sport FC
Yverdon Sport FC
18
-12
17
11
Grasshopper Club Zürich
Grasshopper Club Zürich
18
-10
15
12
FC Winterthur
FC Winterthur
18
-24
13
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