Espen-Boss Matthias Hüppi
«Ich träume vom FCSG, aber nicht vom Titel»

Die St. Galler Überflieger erwarten heute Tabellenführer Basel zum Spitzenkampf. FCSG-Präsident Matthias Hüppi (61) freut sich auf eine volle Hütte, spricht über seine 
Emotionen und (wohl unrealistische) Titelträume.
Publiziert: 06.10.2019 um 00:25 Uhr
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Matthias Hüppi zeigt während den Espen-Spielen Emotionen, damit möchte er sein Team unterstützen.
Foto: BENJAMIN SOLAND
Max Kern

BLICK: Matthias Hüppi, schlafen Sie in grün-weisser Bettwäsche des FC St. Gallen?
Matthias Hüppi: Nein. (Lacht.) Ich habe sonst viele Utensilien in Grün-Weiss. Aber Bettwäsche bis jetzt noch nicht.

Aber Sie träumen vom Fussball?
Ich träume zum Teil recht realistisch. Von Dingen, die kommen könnten. Der Klub ist offensichtlich so tief drin in mir, dass er mich auch noch in der Nacht beschäftigt.

Hatten Sie kürzlich auch Meisterträume?
Nein.

Weil Sie Realist sind?
Sicher. Wir befinden uns momentan in einer guten Lage, aber es wäre vermessen und völlig falsch, vom Boden der Realität abzu­heben. Aber träumen darf man immer. Ich träume gerne.

Leicester 2016 hatte auch niemand auf der Rechnung, den 1. FC Kaiserslautern 1998 auch nicht ...
Ja, es hätte auch niemand gedacht, dass ...

... St. Gallen 2000 Meister wird.
Es war damals für den FCSG fast ein Lauf von der Spitze aus. Die Konstellation stimmte perfekt. Das war eine Riesengeschichte, die ich natürlich noch genau im Kopf habe. Es gibt immer wieder Aussenseiter, welche die Grossen ärgern können. Das ist schon das, was wir wollen. Aber ich wiederhole: Schön bescheiden auf dem Boden bleiben.

Das sah man beim Cup-Out Mitte September beim Challenge-League-Klub Winterthur ...
Beispielsweise. Es gibt keine Garantie für nichts. Das ist eine Binsenwahrheit: Du kannst Spiele gewinnen, du kannst Spiele verlieren. Auch wenn wir jetzt vier Spiele in Serie gewonnen haben, wissen wir, dass es am Sonntag gegen Basel wieder bei null anfängt. Die erfolgreichen Heimspiele waren für uns Gold wert. Wir gewinnen unser Publikum dann, wenn wir zu Hause mehrmals überzeugend auftreten.

Und dazu ein Erfolg in Sion, was auch nicht alltäglich ist.
So wie unsere Mannschaft in Sion von Beginn weg in der ersten Hälfte aufgetreten ist, hat mich tief beeindruckt. Da gab es keine Fragezeichen von der ersten Minute an. Und wir haben gegen eine individuelle Klasse-Besetzung gespielt. Unsere Mannschaft hat es dort fertiggebracht, den renommierten Sion-Spielern keine Luft zu lassen. Das war einfach lässig. Obwohl du als klarer Aussenseiter nach Sion gereist bist.

Sie sind, behaupten wir, der Super-League-Präsident mit den meisten Emotionen während eines Spiels. Stimmts?
Ich spüre bestimmt viele Emotionen während einem Match, weil es mich einfach mitreisst. Ich bin so, wie ich bin. Darum will und kann ich mich nicht verstellen. Ich möchte mit meinen Emotionen das Team unterstützen, obwohl ich weiss, dass ich nicht direkt eingreifen kann. Aber es sind nie Emotionen, welche in Ärger oder in eine Riesenenttäuschung gegenüber der Mannschaft umschlagen, nie!

Unvorstellbar, dass Sie während eines Spiels wie Sion-Präsident Constantin sich drohend hinter die Trainerbank stellen werden?
Das ist absolut unvorstellbar, ja. Auch nach schwierigen Momenten, die wir ja auch überstehen mussten, wenn ich an die letzte Saison zurückdenke, wo wir über Wochen nicht gewusst haben, ob wir europäisch spielen oder in der Barrage. Und Barrage beinhaltet das Potenzial, dass du am Schluss noch absteigen kannst.

Sie waren schon als Kind Fan des FC St. Gallen, oder?
Ja.

Und waren mit einer Bockleiter am Spiel?
Ja, mit meinem Vater bei einem Stadtmatch gegen den SC Brühl, da hatten wir kleine Knirpse keine Chance, etwas zu sehen. Mein Vater nahm dann tatsächlich eine Bockleiter mit, eine, die man sonst zum Malen braucht, er stand in der Mitte, mein Bruder kletterte links rauf, ich rechts. Das ist ja unvorstellbar, aber ich weiss noch haargenau, in welcher Ecke des Espenmoos-Stadions das gewesen ist.

Und auf der Tribüne sass Ihr Onkel, alt Bundesrat Kurt Furgler.
Genau.

Wie würde der ehemalige Bundespräsident, falls er noch leben würde, Ihre aktuelle Arbeit be­urteilen?
Er würde sie sicher kritisch und sehr intensiv verfolgen, aber auch mit Wohlwollen mir gegenüber als Menschen. Aber sicher auch mit Freude, dass ich dieses Amt übernommen habe und ausführen darf.

Was im Sommer mit dem FCSG passiert ist, kann man als hohes Risiko bezeichnen. Legende Barnetta hörte auf, Sierro ging, Kutesa ebenfalls, Bakayoko und Nuhu sind Langzeitverletzte, bei Itten wusste man nach dessen Kreuzbandriss nicht, wie er zurückkommen würde ...
Ja, Fussball ist eigentlich immer hohes Risiko. Du weisst nie, was passiert. Du weisst nie, in welchem Moment einer deiner Schlüsselspieler plötzlich ausfällt, was bei Cedric Itten vor einem Jahr so passiert ist, da brauchten wir dann schon einen Moment, bis wir uns wieder einigermassen stabilisieren konnten. Am Schluss war es dann ein Hin und Her, und es fehlte nur wenig auf den dritten Platz. Wir wussten, was im Sommer auf uns zukommen würde und in welche Richtung wir gehen wollen. Und da hat Alain Sutter ...

... Ihr Sportchef ...
... hervorragend gearbeitet, indem wir schon anfangs Trainingslager mehr als 90 Prozent unseres Kaders beieinander hatten. Das hat die ganze Arbeit positiv beeinflusst. Wir hatten Zeit, um die neuen Spieler zu integrieren, die Veränderungen aufzufangen, und wir haben zum Glück auch Spieler, die sich blitzschnell integriert haben. Dafür muss man natürlich auch ein Gespür entwickeln.

Trotzdem grenzt es beinahe an Wahnsinn, dass der FCSG zuletzt eine Siegesserie hingelegt hat mit einem Team, in dem sieben Spieler erst 21 oder jünger sind.
Das ist fantastisch und entspricht ganz unserer Strategie, die wir so auch in Zukunft beibehalten wollen. Es ist schon extrem, wenn gleich fünf Jungprofis in die erste Mannschaft aufsteigen. Allerdings ist dies keine Selbstverständlichkeit, die sich jedes Jahr wieder­holen lässt. Doch die Jungen sehen jetzt, welche Möglichkeiten sich auftun. Wenn einer den Sprung ins Profikader schafft, braucht er immer noch sehr viel Geduld. Es spielt ja nicht gleich jeder auf Anhieb. Aber sie wissen: Der Tag kommt und die Chance auch. Unser Trainer ist auch sehr interessiert daran, was in der U21 und in der U18 passiert. So hat er auch dort die Gesamtübersicht. Er trägt unsere Strategie mit. Unser Trainer muss die Bereitschaft haben, und die hat er in einem hohen Mass, mit Jungen arbeiten zu wollen.

War dies auch mit ein Grund, weshalb der Vertrag mit Peter Zeidler im Sommer ohne Not bis 2022 verlängert wurde?
Ja, definitiv ohne Not und vielleicht auch nicht typisch fürs Fussballgeschäft. Für uns absolut ein Signal, in welche Richtung wir arbeiten wollen, nämlich langfristig.

Wo sehen Sie Zeidlers Stärken?
Erstens erfüllt er alle Grundvoraussetzungen, die ein Trainer erfüllen muss. Zudem hat er eine klare Vorstellung von seinem Spiel, die er den Spielern auch vermitteln kann. Das ist entscheidend. Er hat ein hohes Mass an Sozialkompetenz und ist in der Lage, schwierige Entscheide zu fällen. Und dann hat er auch eine positive, packende Ausstrahlung, auch auf junge Spieler. Wenn ich sehe, wie sich zum Beispiel Boris Babic bei uns entwickelt hat, der vor einem Jahr bei Vaduz praktisch keine Rolle gespielt hat ...

Im Ländle sass er meistens auf der Tribüne.
Ja, dann kam er hierher und wusste: «Ich habe jetzt einfach noch eine Chance. Wenn ich es jetzt nicht packe, dann wird es extrem schwierig.» Entscheidend ist, dass der Spieler alles dafür tut, um auf Touren zu kommen. Dann braucht er aber auch einen Trainer und ein Umfeld, die dieses Vertrauens­verhältnis aufbauen können. Das gilt bei Zeidler für alle Spieler, nicht nur mit Babic. Ein anderer Trainer hätte vielleicht gesagt: «Was will ich mit einem Spieler, der in der Challenge League nicht gespielt hat? Ich habe den Anspruch, renommierte Spieler zu holen!»

Was liegt am Sonntag gegen den FC Basel drin?
Der FCB hat eine beeindruckende Entwicklung durchgemacht, er ist momentan die stärkste Mannschaft in der Schweiz und hervorragend besetzt. Wir sind und bleiben der Underdog, der mit breiter Brust und viel Vertrauen aus den letzten Spielen auflaufen wird. Dazu erhoffen wir uns, dass das Stadion gut gefüllt ist. Das zeichnet sich ab. Über 12 000 Tickets sind schon weg. Ich hoffe, es werden 14 000 verkauft, dann geht im Stadion die Post ab. Und wir wollen unser Publikum begeistern.

Persönlich

Der St. Galler Matthias Hüppi (61) studiert nach der Matura einige Semester Jura, ist danach kurz als Reporter beim Schweizer Radio tätig, ehe er von 1981 bis 2017 beim Schweizer Fernsehen arbeitet. Dort moderiert er unter anderem das Sportpanorama und prägt während Jahren zusammen mit Bernhard Russi die Ski-Berichterstattung der Schweiz. Seit Januar 2018 ist er vollamtlicher Präsident des FC St. Gallen. Hüppi ist verheiratet und hat zwei erwachsene Töchter und einen Sohn.

Der St. Galler Matthias Hüppi (61) studiert nach der Matura einige Semester Jura, ist danach kurz als Reporter beim Schweizer Radio tätig, ehe er von 1981 bis 2017 beim Schweizer Fernsehen arbeitet. Dort moderiert er unter anderem das Sportpanorama und prägt während Jahren zusammen mit Bernhard Russi die Ski-Berichterstattung der Schweiz. Seit Januar 2018 ist er vollamtlicher Präsident des FC St. Gallen. Hüppi ist verheiratet und hat zwei erwachsene Töchter und einen Sohn.

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