«Es ist für Giorgio eine grosse Chance»
Trainer Contini weg vom Clan – oder weg vom FCSG!

Verschleierte Zahlungen, mysteriöse Verträge, wilde Bevorzugungen: Matthias Hüppi (59) führt St. Gallen durch einen ersten Sturm. Im Interview erklärt er, warum man die Vertrauten von Trainer Giorgio Contini beurlaubte.
Publiziert: 28.01.2018 um 19:24 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 18:30 Uhr
FCSG-Präsident Matthias Hüppi beim Interview mit BLICK.
Foto: TOTO MARTI
Andreas Böni, Michael Schifferle (Interview) und Toto Marti (Fotos)

Matthias Hüppi (59) steht auf der Tribüne des Kybunparks, man riecht den Rasen. «Schaut, wie schön grün er ist, und das ist im Januar», schwärmt der neue Verwaltungsratspräsident des FC St. Gallen. «Gleich kommt der Platzwart wieder und kümmert sich um ihn. Dieser Mann ist gleich wichtig wie der Stürmer, der die Tore schiesst.»

 

Foto: TOTO MARTI

Hüppi, wie er leibt und lebt. Voller Elan. Voller Vorfreude. Und das,
obwohl auch dunkle Wolken über dem Verein stehen.

In den nächsten Wochen schliessen die Wirtschaftsprüfer von Price­waterhouse Coopers ihre Untersuchungen ab. Sie könnten, so hört man, auf allerlei Unappetitliches stossen. Auf Verträge, die möglicherweise rückdatiert neu aufgesetzt wurden. Auf verschleierte Zahlungen. Auf regelmässige Essen, die in die Tausender gehen. Auf Hunderte Franken Wein-Kosten bei Juniorenturnieren, dem Verein in Rechnung gestellt. Oder auf Verträge, wonach die Söhne von Nachwuchs-CEO Ferruccio Vanin und Spielerberater Donato Blasucci (beide 0 Einsätze bei den Profis) mehr verdienen als andere Talente.

Für Hüppi, den Gerechtigkeits­fanatiker, wäre es ein No-Go, falls das so zutreffen würde. Alle sollen gleich behandelt werden, so sein Credo. Er und seine neue Crew arbeiten fieberhaft an der Aufarbeitung der Vergangenheit und an der Unabhängigkeit der Organisation. Und so schreckte er auch nicht davor zurück, in den vergangenen Wochen vier Vertraute von Trainer Giorgio Contini zu beurlauben. Unter anderem den Nachwuchs-Chef Marco Otero oder Konditionstrainer Harry Körner.

 

Foto: TOTO MARTI

Das Zeichen ist klar: Contini muss sich vom Clan, der über Monate Einfluss auf den Klub nahm, emanzipieren. Tut er das nicht, hat er trotz eines Vertrages bis 2019 wohl keine Zukunft.

BLICK: Matthias Hüppi, sprechen Sie morgens mit Ihrem Spiegelbild, weil Ihnen das Moderieren
derart fehlt?
Matthias Hüppi: Nicht eine Sekunde. Ich habe zwar mit Begeisterung moderiert, bin jetzt aber hundertprozentig mit dem FC St. Gallen beschäftigt, wenn ich nicht gerade im Tiefschlaf bin.

Da hat Ihre Frau aber wenig von Ihnen.
Vor einer Woche waren wir zusammen im Schnee in Klosters, in ihrer Heimat. Sie sieht mich also schon noch. Und bald noch mehr, wenn wir im Stadtzentrum eine Wohnung beziehen. Du kannst nicht diesen grossen Klub vom Aargau aus führen. Im Moment wohne ich manchmal bei Verwandten oder im Hotel, wenn es später wird.

Foto: TOTO MARTI

Sie sind ein manischer Jogger. Kommen Sie zum Laufen?
Ich schaue, dass ich es einmal am Tag schaffe. Wenns gerade in
meinen Terminkalender passt, gehe ich. Ich wäre im Kopf nicht
in Form, wenn ich mich nicht bewegen könnte.

Reden wir übers Sportliche. Haben Sie Angst, dass Giorgio Contini hinschmeisst?
Nein.

Das wissen Sie oder das glauben Sie?
Es ist eine Mischung aus beidem.

Sie haben vier seiner Vertrauten geschasst – da ist doch klar, dass er sich diese Gedanken macht.
Was wir gemacht haben, ist nicht üblich, klar. Aber es ist für die
Zukunft das Richtige, alles auf gute Beine zu stellen. Es ist für Giorgio Contini eine grosse Chance. Es gehört dazu, dass man sich nach Meinungsverschiedenheit zusammenrauft.

Foto: TOTO MARTI

Aber es passt nicht zusammen, wenn Alain Sutter sagt, Contini sei «ein hervorragender Trainer, der hervorragende Arbeit macht» – und man ihm dann seine Vertrauten wegnimmt.
Doch, er kann sein Profil schärfen. Er kann sich entwickeln.

Aber gerade, dass Sie den entlassenen Physio-Chef Simon Storm zurückholen wollen, ist ein Frontalangriff auf Contini – oder die Neuauflage von «Der Feind in meinem Bett». Contini war die treibende Kraft, dass Storm gehen musste.
Wir wissen, dass es auch für den Trainer eine schwierige Situation ist. Und man muss sicher mit allen Beteiligten reden, falls Storm
zurückkehrt. Aber ja, er ist eine Kapazität und ihn wollen wir unbedingt zurück. Ich gehe davon aus, dass man allfällige zwischenmenschliche Probleme lösen kann.

Wäre es nicht ehrlicher, ganz frisch anzufangen? Neuer Präsident, neuer Sportchef, neuer Nachwuchs-Chef – da wäre auch ein neuer Trainer nur konsequent. Das hat der FC Basel ja auch so gemacht.
Nein. Wir haben einen Trainer, der einen Vertrag und das Potenzial hat, die Mannschaft in eine gute Rückrunde zu führen. Giorgio
Contini war ein Held der Meistermannschaft, ich sehe nicht ein,
warum er mit den Veränderungen nicht zurechtkommen sollte.

Foto: TOTO MARTI

Weil Contini dem sogenannten Clan angehört, der nun durch die Beurlaubungen von Konditions-trainer Harry Körner und Nachwuchs-Chef Marco Otero geschrumpft ist. Sie fordern
eigentlich von Contini, sich für den Clan oder für den FC St. Gallen zu entscheiden.
Von mir haben Sie das Wort Clan nie gehört. Sollte es aber Leute geben, die von aussen – egal woher –versuchen, Einfluss zu nehmen, werden wir das nicht dulden. Es darf nur noch eine Gruppe geben: die in Grün-Weiss.

«Der Klub ist unterwandert», schrieb das St. Galler Tagblatt. Und meinte damit die Gruppe um Spielerberater Blasucci. Haben Sie ihn kennengelernt?
Nein.

Die Söhne von Blasucci und Nachwuchs-Chef Ferruccio Vanin sind talentiert und nahe an der ersten Mannschaft. Das Verrückte ist, dass die beiden mehr verdienen als andere Talente, die mehr spielten bei den Profis.
Zu Vertragsdetails kann ich keine Auskunft geben. Sollte das tatsächlich zutreffen, werden wir reagieren. Es wird in Zukunft keiner besser behandelt werden als der andere. Jeder Jungprofi, der hoch kommt, soll gleich viel verdienen. Da geht es um Chancengleichheit. Und alles, was hintenrum passiert oder grenzwertig ist, hat hier keinen Platz mehr.

Foto: TOTO MARTI

So was ist auch fürs Klima in einem Verein ganz schlecht.
Die Verantwortung dafür liegt in jedem Verein bei der Führung. Der FC St. Gallen darf kein Selbstbe­dienungsladen sein.

Wie kann der Nachwuchs ein Budget von unglaublich hohen 4,3 Millionen Franken haben und es um 300 000 Fr. überziehen?
Wir sind in der Pflicht, die Verhältnisse in eine Balance zu bringen, die vertretbar ist. Und ja, im Nachwuchs müssen wir einen vernünftigen Neustart hinlegen.

Hatten Sie mal Kontakt mit Ex-Präsident Dölf Früh?
Ja, ich hatte ein gutes Gespräch mit ihm und wir pflegen ein Verhältnis, das auf gegenseitigem Respekt beruht. Mir war es wichtig, dem Retter des FC St. Gallen zu erklären, wie wir vorgehen. Das war mir ein persönliches Anliegen.

Sie haben die Wirtschaftsprüfer von Pricewaterhouse Coopers (PwC) ins Haus geholt, um die Finanzen des letzten halben
Jahres zu überprüfen. Man vermutet Unregelmässigkeiten, von rückdatierten Verträgen über auffällige Bewirtungen und so weiter. Wann wird PwC seinen Bericht vorstellen?
Im Februar.

Wie offen werden Sie kommunizieren?
Wir bleiben gelassen, aber konsequent. Am Schluss sollen alle
wissen, woran sie sind.

Sie haben bis Sommer noch 900 000 Franken an Salären wie Ex-Trainer Zinnbauer, Konditionstrainer Körner oder
Nachwuchs-Chef Otero offen.
Durch diesen Sturm müssen wir durch. Aber wir brauchen Geduld. Ich hoffe, dass wir in einem Jahr sagen können: Ja, unsere Massnahmen haben gegriffen. Wir können nur versuchen, ehrliche Arbeit abzuliefern. Wir werden dabei auch ein paar Mal den Kopf anstossen und Kritik ernten.

Foto: TOTO MARTI

Wie beim bosnischen Testspieler, der gar keine Arbeitsbewilligung erhalten hätte.
Gut, man kann auch dafür sorgen, dass so etwas an die Öffentlichkeit kommt ...

Sie vermuten ein Leck, dass jemand im Klub böswillig so
etwas streut?
Ob Leck oder nicht, ich finde das Ganze nicht so schlimm. So ein Fehler kann passieren, wir sind alle neu im Business.

Kommen Sie sich nicht vor, wie vor einem riesigen Berg, bei dem Sie mit dem Meissel immer wieder ein kleines Stück weghämmern?
Mit den Lackschuhen auf dem Säntis ... (lacht) Nein, überhaupt nicht. Es ist hoch spannend und ich sehe so viele gute, hochmotivierte Leute mit Herzblut.

Sie werden an der Generalversammlung von 580 Personen gefeiert. Popstar Matthias Hüppi.
Das war zwar schön, Applaus tut immer gut. Aber ich kann das für mich realistisch einordnen. Jedenfalls ist der Support in der Stadt und der Region wunderbar.

Sie sagten, Ihnen könne man jederzeit ein Mail schreiben.
Ja, ich bin ja kein Phantom. Aber seither räblets, ja ... (lacht) Als ich meinen Wechsel von SRF zum FCSG bekanntgab, gab es über 400 Reaktionen.

Sie stehen auf Platz 4. Was ist Ihr Ziel?
Wenn man Stadion, Infrastruktur, Publikum, Begeisterung, Qualität des Kaders und Mittel anschaut, darf der Anspruch sein, unter die ersten Fünf zu kommen. Dann kanns passieren, dass du mal
Dritter wirst – dann machen wir ein Fest hier im Stadion.

Von was träumen Sie insgeheim?
Vom Cupfinal. Das ist in dieser Saison nicht mehr möglich, ab Sommer gibts einen neuen Anlauf. Die ganze Ostschweiz, die zum
Final pilgert, das wäre Wahnsinn.

Foto: TOTO MARTI

Wo waren Sie eigentlich 2000 beim Meistertitel?
Erst auf dem Balkon der ehemaligen Creditanstalt. Als Servette gegen Basel unentschieden ausging und St. Gallen als Meister feststand, ging da die Post ab. Der Grossteil der Mannschaft war da, Meistertrainer Marcel Koller ebenfalls. Eine einmalige Fete. Und bei der Meisterfeier waren 30 000 Fans in der Stadt und ich sollte Interviews auf einem Lastwagen mit den Spielern machen – das konntest du grad vergessen, kein Mensch hat mich gehört ... Viele Leute schwärmen heute noch von der riesigen Party.

Meistertrainer Marcel Koller als Coach zu präsentieren – das würde noch weitere Energie entfachen.
Auch Giorgio Contini war in der Meistermannschaft und spielte eine coole Rolle. Er wird das auch als Trainer tun. Marcel Koller ist
sicher ein Name, den die Ostschweizer auch im Herzen tragen.

Apropos Marcel: Haben Sie den österreichischen Skistar Marcel Hirscher eigentlich schon eingeladen?
Ja, wir suchen einen Termin, er wird kommen. Aber er soll erstmal Olympiasieger werden.

Sie wünschen einem Österreicher den Olympiasieg?
Gut, ungeschickt formuliert. Er soll erstmal an den Olympischen
Spielen teilnehmen ...

Persönlich

Matthias Hüppi wurde am 29. März 1958 in St. Gallen geboren, ist der Neffe von Ex-Bundesrat Kurt Furgler. Hüppi studierte nach der Matura vier Semester Jura, bevor er 1981 zum Schweizer Fernsehen wechselte. Hüppi blieb dem SRF 36 Jahre lang treu, bis er im Dezember 2017 sein letztes «sportpanorama» moderierte und beim FC St. Gallen als Verwaltungsratspräsident übernahm. Hüppi ist mit Cornelia (50) über 30 Jahre verheiratet, das Paar ist Eltern von Sarina (29), Emanuel (27) und Mirja (22). Im Moment wohnt der Musikfan und Bassgitarrist im Aargau, bezieht nun aber auch in St. Gallen eine Wohnung.

Matthias Hüppi wurde am 29. März 1958 in St. Gallen geboren, ist der Neffe von Ex-Bundesrat Kurt Furgler. Hüppi studierte nach der Matura vier Semester Jura, bevor er 1981 zum Schweizer Fernsehen wechselte. Hüppi blieb dem SRF 36 Jahre lang treu, bis er im Dezember 2017 sein letztes «sportpanorama» moderierte und beim FC St. Gallen als Verwaltungsratspräsident übernahm. Hüppi ist mit Cornelia (50) über 30 Jahre verheiratet, das Paar ist Eltern von Sarina (29), Emanuel (27) und Mirja (22). Im Moment wohnt der Musikfan und Bassgitarrist im Aargau, bezieht nun aber auch in St. Gallen eine Wohnung.

Credit Suisse Super League 24/25
Mannschaft
SP
TD
PT
1
FC Zürich
FC Zürich
14
7
26
2
FC Basel
FC Basel
14
20
25
3
FC Lugano
FC Lugano
14
6
25
4
Servette FC
Servette FC
14
2
25
5
FC Luzern
FC Luzern
14
4
22
6
FC St. Gallen
FC St. Gallen
14
6
20
7
FC Lausanne-Sport
FC Lausanne-Sport
14
2
20
8
FC Sion
FC Sion
14
0
17
9
BSC Young Boys
BSC Young Boys
14
-5
16
10
Yverdon Sport FC
Yverdon Sport FC
14
-10
15
11
FC Winterthur
FC Winterthur
14
-21
11
12
Grasshopper Club Zürich
Grasshopper Club Zürich
14
-11
9
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