Er hat seine Mutter stets dabei
Genie oder Wahnsinn? FCZ-Moniz tickt anders

Genialer Trainer oder kaum zu bändigendes Alphatier? Ricardo Moniz polarisiert, fasziniert und ist beim FCZ nach Punkten so erfolgreich wie keiner vor ihm. Eine Spurensuche.
Publiziert: 10.11.2024 um 09:15 Uhr
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Aktualisiert: 10.11.2024 um 09:30 Uhr
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FCZ-Trainer Ricardo Moniz polarisiert.
Foto: Martin Meienberger/freshfocus

Auf einen Blick

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Pascal RuckstuhlSport-Desk-Reporter

Öffentliche Schelte gegen den eigenen Spieler, Eingewechselte gleich wieder auswechseln, überbordende Emotionen und Pressekonferenzen, die geradlinig und erfrischend ehrlich sind. FCZ-Trainer Ricardo Moniz (60) ist definitiv kein Trainer wie jeder andere und gleicht keinem seiner Vorgänger. Doch wer ist dieser Mann, der sportlich überzeugende Argumente liefert und gleichzeitig durch sein Verhalten gelegentlich Fragen aufwirft?

Dass die Zürcher in der Tabelle ganz vorne dabei sind, kommt für manchen überraschend, nicht zuletzt, weil der Klub wiederholt mit Nebengeräuschen zu tun hatte. Sportchef Milos Malenovic (39) wurde im letzten Jahr engagiert und stellte den FCZ-Kosmos neu auf: neue einheitliche Spielphilosophie, viele Abgänge von Nachwuchstrainern, sieben neue Spieler im Kader der ersten Mannschaft. Und seit April ist Moniz der Trainer, der den FCZ auf die Erfolgsspur gebracht hat und es innert kürzester Zeit geschafft hat, zu einer der spannendsten Figuren der Super League zu werden. Ursprünglich wurde er als Leiter Spielerentwicklung von Malenovic im Oktober 2023 geholt.

Glaubt man Moniz, passt der Rummel um seine Person eigentlich gar nicht zu ihm. Der Trainer sagt, er stehe nicht gerne im Mittelpunkt. Trotzdem dreht sich vieles um ihn. Warum? Das beantwortete Moniz gleich selber, als er im April als FCZ-Interimstrainer vorgestellt wurde. «Mit mir kann es zum Zusammenprall kommen», sagte er. Der Mann hielt Wort.

Beispielsweise, als er auf einer Pressekonferenz Jonathan Okita öffentlich kritisierte oder als er sich gegen Lausanne ein hitziges Wortgefecht mit der gegnerischen Bank lieferte. Auch beim Cup-Eklat in Zug stand Moniz im Mittelpunkt, weil er bei 2:0-Führung und auf Siegeskurs Jungspund Labinot Bajrami ein- und wieder auswechselte wie er es zuvor mit Okita und im ersten Saisonspiel mit Doron Leidner machte. Eine Blossstellung. Bajramis Vater hatte daraufhin einen Schirm nach dem FCZ-Coach geworfen und Blick fragte sich, wie lange das mit Energiebündel Moniz noch gutgehen könne.

«Er war motivierter als die Spieler»

Dass Moniz aber nicht nur Wüterich ist, sondern unbestrittene Fähigkeiten besitzt, dürfte mittlerweile jedem klar sein, wenn man auf die Tabelle der Super League blickt. Schon bei seiner ersten Cheftrainer-Anstellung 2012 in Salzburg zeigte Moniz, dem als Spieler aufgrund von Verletzungen eine grosse Karriere verwehrt blieb, dass er Konfrontationen nicht scheut. Nach dem historischen ersten Doublegewinn verliess er den Red-Bull-Klub, weil ein medizinischer Stab integriert wurde und Einfluss auf die Trainingssteuerung nehmen wollte. Die Beziehung zwischen dem studierten Physiotherapeuten Moniz und dem Dosen-Klub endete trotz des bis dato grössten Erfolg abrupt.

Moniz lasse sich nicht viel vorschreiben, meint Stefan Savic, der bei Salzburg unter dem Coach spielte und ihn kennenlernte. Er sagt: «Vielleicht ist es ihm ein bisschen zum Verhängnis geworden. Aber das ist nur Mutmassung.» Savic, inzwischen bei Borac Banja Luka in Bosnien unter Vertrag, behält Moniz aber sowieso ganz anders in Erinnerung: Als einer der besten Trainer: «Moniz war einer der besten Ausbildner in Salzburg. Ein total Fussballverrückter im guten Sinn. Er war im Training motivierter als die Spieler und wollte jeden weiterbringen.»

Mit dieser Arbeitsmoral ist Moniz auch zum Gesicht des «neuen» FCZ gereift. Wenn andere sich frühmorgens das Frühstück zubereiten, brennt bei Moniz auf dem FCZ-Campus im Büro bereits das Licht und er bereitet sich auf einen Tag voller Fussball vor. «Er ist ein Arbeitstier», so Savic. Eine grosse Familie hat Moniz nicht – und doch ist er Familienmensch. Bei allen seinen Stationen war und ist er mit seiner Mutter unterwegs. Sie ist mittlerweile 85 Jahre alt. Die beiden gehen zusammen durch dick und dünn.

Bleibender Eindruck in Kroatien – trotz nur neun Spielen

Nach der Zeit in Salzburg ging es für Moniz in verschiedenen Funktionen über Osteuropa nach England, Deutschland und Kroatien. Bei einigen Stationen feierte Moniz Erfolge, bei keiner war er allerdings lange Trainer. Bei Belupo in Kroatien war er im Sommer 2023 nur neun Spiele im Amt, ehe er wegen Erfolglosigkeit und mangelnder Rückendeckung von Spielern und Verein entlassen wurde.

Tomislav Bozic ist Captain bei Belupo und sagt zu Blick: «Er war einzigartig. Ich erinnere mich gut an ihn. Er forderte viel, vielleicht zu viel.» Einmal habe Moniz der Mannschaft ein Video gezeigt. «Zu sehen waren 100 Tore von Robin van Persie und er sagte, das will er von unserem Stürmer auch. Einige hatten mit diesen utopischen Erwartungen Mühe. Wir im Balkan haben eine andere Mentalität.»

Trotz des kurzen Intermezzos ist auch Bozic von Moniz' Fähigkeiten überzeugt. Es überrasche ihn keineswegs, dass er rund ein Jahr später beim FCZ Erfolg hat: «Es müssen alle mitziehen, dann kommt das sehr gut. Und das machen sie ja in Zürich, oder? Moniz versteht und lebt den Fussball wie wenige andere. Seine Trainings waren wirklich unglaublich.»

«Man muss ihn vielleicht ein bisschen führen»

Was an diesen so speziell war, sagt Maciej Makuszewski, der unter Moniz 2014 bei Lechia Gdansk in Polen spielte: «Statt 100-Meter-Läufe oder sonstige Sprint-Übungen zu machen, spielten wir fast immer mit Ball. Zum Beispiel 2 gegen 2 über 50 Meter. Das war mindestens genau so anstrengend, aber machte Spass.»

Auch in Polen habe es «Konfrontationen» gegeben. Einmal eine verbale mit einem Journalisten. So sei Moniz einer, der mit seiner direkten Art und dem harten, teilweise grenzwertigen Vokabular einige überrumpeln könne. Doch auch hier überwog das Positive. «Er war ein hervorragender Trainer und Entwickler. Wäre ich Sportdirektor, würde ich ihn zu einhundert Prozent als Trainer verpflichten. Man muss ihn kennen und vielleicht auch ein bisschen führen», sagt Makuszewski.

In Zürich machen sie das. Moniz bekommt Rückendeckung. Präsident Ancillo Canepa sagte nach der Ein- und Auswechslung von Okita gegen Guimaraes und dem anschliessenden, verbalen Zusammenprall, dass er es noch drastischer formuliert hätte. Beim Bajrami-Zwischenfall hatten sich die Verantwortlichen sogar dazu entschieden, den Stürmer in die U21 zu verbannen und anschliessend auszuleihen. Und kürzlich meinte der FCZ-Boss: «Er ist schon jetzt das Gesicht des neuen FCZ».

Es ist das Vertrauen, das Moniz in seiner Karriere offenbar oftmals nicht hatte. Sportchef Milos Malenovic meinte im Blick-Podcast FORZA!, dass er glaube, dass Moniz in seiner Karriere teilweise keine oder keine guten Begleitungen hatte, die ihn unterstützten. Malenovic: «Aber auch Trainer brauchen ein Coaching.» Der FCZ-Sportchef wollte Moniz unbedingt in Zürich. «Ricardo ist ein Künstlertyp, ab und zu eine Wundertüte – mit ein paar Leitplanken von uns funktioniert das bisher sehr gut», so Malenovic.

Einer von zwei Coerver-Schüler

Sein Fussballverständnis erlernte der heute 60-Jährige in seinem Heimatland, den Niederlanden, vom ehemaligen Trainer und Ausbilder Wil Coerver (†86). Die Zeit prägt ihn bis heute. Coerver stellte in den 1970ern ein Konzept für die Juniorenausbildung auf die Beine, das im Kern auf der Idee beruht, dass Fussball letztlich nur aus Eins-gegen-eins-Situationen besteht. Dazu sind Ballbeherrschung, individuelle Technik und Handlungsschnelligkeit wichtig. Coerver war in den Achtzigern seiner Zeit weit voraus, sein Konzept bezüglich Techniktraining war revolutionär.

Manchester Uniteds langjähriger Jugendchef Rene Meulensteen war einer von zwei Personen, die Coerver selbst ausbildete. Der andere war Moniz, der Coervers Methode anschliessend auf seine Art und Weise verfeinert hat und mit diesem Stil beim FC Zürich spielen lässt. Bisher erfolgreich. Keiner der Moniz-Vorgänger war in den ersten 18 Spielen nach Amtsantritt punktemässig besser.

Langfristiges Glück beim FCZ?

Ob Moniz in Zürich nach vielen kurzen Intermezzos endlich auch langfristiges Glück findet? Seine durchschnittliche Dauer von sechseinhalb Monaten als Trainer hat er bald erreicht. Sportlich läufts gut, die Verantwortlichen stehen voll hinter ihm und die Emotionen scheint der FCZ-Coach mit Hilfe seiner Staff-Mitglieder und Sportchef Malenovic langsam kanalisieren zu können. Ausserdem hat er an die Stadt gute Erinnerungen: Als Technikcoach war er um die 2000er viereinhalb Jahre bei Stadtrivale GC. Länger als an jedem anderen Ort.

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