In einer verrückten Achterbahnsaison gehört er zu den grossen Gewinnern bei YB: die neue Nummer 1 im Tor, Marvin Keller (22). Mit überragenden Paraden, starkem Spiel mit dem Ball am Fuss und ungewohnt klaren sowie selbstbewussten Interviews nach den Spielen entzückt der 22-Jährige Fans und Experten im Schweizer Fussball. Blick trifft Keller zu seinem ersten grossen Interview als Berner Stammgoalie.
Marvin Keller, Sie lesen gerne Bücher. Aktuell etwas darüber, wie man das Unmögliche noch möglich macht und Meister wird?
Marvin Keller: Nein, da muss ich Sie enttäuschen. Ich habe aktuell eine kleine Flaute beim Lesen von Büchern. Zuletzt habe ich «Ego is the Enemy» angefangen – es geht darum, dass das eigene Ego das grösste Hindernis im persönlichen und beruflichen Leben sein kann.
Gut um die Meisterfrage gedribbelt. Anders gefragt: Wie kann diese YB-Saison trotzdem noch mit einem guten Gefühl enden?
Wenn wir die ganze Saison betrachten, ist die jetzige Konstellation schon mal etwas Gutes. Es wäre vermessen, wenn wir zum jetzigen Zeitpunkt auch noch von Titeln sprechen würden.
Aber es ist dennoch möglich – in der Liga wie auch im Cup.
Das ist so. Wir haben uns zurück ins Rennen gekämpft, und natürlich wollen wir jetzt oben angreifen. In dieser Liga kann jeder gegen jeden gewinnen, aber auch jeder gegen jeden verlieren.
So kann man sich das auch schönreden, dass es im Kampf um die Tabellenspitze zuletzt nur ein Remis gegen Yverdon gab?
Logisch haben wir den Anspruch, solche Spiele zu gewinnen. Nach vier Siegen in Folge hat uns das sehr geärgert, aber wir dürfen uns davon jetzt nicht aus der Ruhe bringen lassen.
Defensiv ist YB plötzlich sehr solid. In der Hinrunde kam es teilweise zu slapstickartigen Toren und Komplettausfällen in der Verteidigung. Was ist anders?
Das gehört zu den Mysterien unseres Herbstes. Qualität war schon in der Vorrunde vorhanden. Ich glaube auch nicht, dass wir damals aufgrund der Abwärtsspirale an unseren Qualitäten gezweifelt haben. Im Fussball ist es wirklich so: Wenn es mal schlecht läuft, ist es schwierig, wieder herauszukommen. Dann kommt es zu Szenen, die wir uns alle nicht erklären können. Umgekehrt ist es genauso, wenn man mal in den Flow kommt.
Sie sind im letzten Sommer gemeinsam mit Patrick Rahmen von Winterthur gekommen. Waren Sie überrascht, wie schnell sein YB-Engagement wieder zu Ende war?
Ja, ich dachte, dass das ein sehr guter Match sein kann. Es tut mir leid für ihn, wie es gelaufen ist. Bis heute ist es schwierig für mich, zu erklären, was im Herbst passiert ist. Ich habe auch überhaupt nicht das Gefühl, dass es an ihm lag. Ich halte viel von ihm als Mensch und Trainer – wir werden ihn sicher bald wieder in einer Form erfolgreich sehen.
Was macht Giorgio Contini besser als Patrick Rahmen?
Wir sind nun taktisch anders eingestellt. Wir spielen viel mit dem Ball von hinten heraus – was mir sehr liegt. Giorgio zeichnet sicher aus, dass er den Spagat zwischen kollegialem Austausch und Autorität gut schafft.
In der Jahrestabelle 2025 ist YB jetzt ganz weit vorne. Was ist in den letzten Monaten passiert?
In der Wintervorbereitung ist mit dem neuen Trainer ein positiver Ruck durch die Mannschaft gegangen. Wir haben einen klaren Plan, wie wir spielen wollen, und die Entwicklung ist sehr positiv – auch wenn wir noch immer Ausreisser nach unten haben.
Seit Sie die Nummer 1 im YB-Tor sind, geht es ebenfalls bergauf. Zufall?
Schwierige Frage. Wir haben uns gemeinsam als Team gut entwickelt, würde ich sagen.
Marvin Keller wird am 3. Juli 2002 in London geboren, da sein Vater zum damaligen Zeitpunkt in der englischen Hauptstadt arbeitet. Er wächst im Raum Zürich auf und schliesst sich in jungen Jahren den Grasshoppers an. Nach der U21 wechselt Keller nicht ins GC-Tor, sondern im Sommer 2021 nach Wil, wo er sich als Stammgoalie durchsetzt. Nach 1,5 Jahren und 52 Pflichtspielen zieht YB bei Keller eine Vertragsoption und holt ihn im Februar 2023 nach Bern. Für Spielpraxis leihen ihn die Berner im darauffolgenden Sommer für eine Saison nach Winterthur aus. In der Nationalmannschaft hat Keller bisher drei Spiele für die U17 und sieben Spiele für die U21 auf dem Konto.
Marvin Keller wird am 3. Juli 2002 in London geboren, da sein Vater zum damaligen Zeitpunkt in der englischen Hauptstadt arbeitet. Er wächst im Raum Zürich auf und schliesst sich in jungen Jahren den Grasshoppers an. Nach der U21 wechselt Keller nicht ins GC-Tor, sondern im Sommer 2021 nach Wil, wo er sich als Stammgoalie durchsetzt. Nach 1,5 Jahren und 52 Pflichtspielen zieht YB bei Keller eine Vertragsoption und holt ihn im Februar 2023 nach Bern. Für Spielpraxis leihen ihn die Berner im darauffolgenden Sommer für eine Saison nach Winterthur aus. In der Nationalmannschaft hat Keller bisher drei Spiele für die U17 und sieben Spiele für die U21 auf dem Konto.
Wie war es, als Giorgio Contini Ihnen vor dem Rückrundenstart gesagt hat, dass Sie die Nummer 1 im Tor sind?
Es gab innerhalb der Vorbereitung wenige Gespräche, daher bin ich nicht davon ausgegangen, dass es so kommt. Umso glücklicher war ich über diese Entscheidung und vor allem über die Art und Weise, wie der Trainer es mir erläutert hat.
Schon im schwierigen Herbst gab es Highlights für Sie: Was geht einem durch den Kopf, wenn man erfährt, dass man in der Champions League gegen Barcelona in der Startelf steht?
Ich habe mich riesig gefreut. Mein erstes Spiel auf dem höchsten Level überhaupt – und gleich gegen Barcelona. Das ist ein Bubentraum, der in Erfüllung ging.
Danach ging es wieder auf die Bank. Im Herbst war es ein schwer durchschaubares Hin und Her auf der Goalie-Position. Wie war das für Sie?
Ich kam von meiner ersten Super-League-Saison bei Winterthur zurück. Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass ich mit viel Geduld in die neue Saison gestartet bin. Ich wollte natürlich spielen. Als junger Goalie musst du Vertrauen spüren.
Das Vertrauen, dass man auch mal einen Fehler machen darf und nicht gleich aus der Startelf fliegt?
(Lacht.) Nein, nein. Wir sind hier bei den Young Boys. Keiner hat einen Freifahrtschein, und es gilt das Leistungsprinzip. Ich muss jedes Wochenende liefern, ansonsten ist David von Ballmoos bereit.
Wie ist das Verhältnis zu David von Ballmoos? Er ist im Klub eine grosse Figur, die Sie verdrängt haben. Spüren Sie das?
Wir sind Konkurrenten um diese Position, ja. Aber ich möchte betonen, dass mein Verhältnis zu ihm sehr gut ist. Sein Umgang mit mir, als er die Nummer 1 war, wie auch jetzt, war immer ausgezeichnet. Er ist ein absoluter Teamplayer und top Mensch.
Wie gehen Sie mit dem jetzigen Hype um? Vom Herausforderer bei YB zum besten Goalie der Liga ging es schnell in der öffentlichen Wahrnehmung.
Sagt man das wirklich? Das ehrt mich natürlich, aber ich sehe es anders. Ich spiele gerade mal drei Monate regelmässig bei YB. Es gibt noch sehr vieles, das ich für meine weitere Entwicklung lernen kann und muss. Ich fühle, wie ich von Match zu Match reifer und besser werde.
Sie stapeln tief. Sie werden schon mit Yann Sommer verglichen.
Auch das ist ein wunderschönes Kompliment – auch wenn Roman Bürki für mich als GC-Junior damals noch der grössere Held war (lacht). Nein, im Ernst: Yann ist der beste Torhüter, den die Schweiz vermutlich je hatte. Er war immer ein Vorbild für mich. Ich bin noch weit weg von solchen Vergleichen. Wenn ich nur annähernd erreiche, was er geschafft hat, wäre ich sehr glücklich.
Wie viel zusätzlicher Aufwand steckt in Ihrer Entwicklung?
Sehr viel. Ich bin extrem ehrgeizig und will immer gewinnen. Dieser Einstellung ordne ich alles unter. Seit ich im Profifussball zum Thema wurde, arbeite ich viel auch ausserhalb des Klubs an mir – sei es im athletischen Bereich oder im mentalen. Regeneration, Erholung, Lifestyle – alles habe ich für meine Ziele angepasst.
Es ist kein Geheimnis, dass Sie mit Ihrem Ehrgeiz irgendwann einmal in einer internationalen Liga spielen möchten. Sie haben zu einer deutschen Berateragentur gewechselt. Könnte dieser Schritt schon bald kommen?
Darüber mache ich mir keinerlei Gedanken. Ich habe mit Winterthur meine erste Saison in der Super League machen können, dafür bin ich sehr dankbar. Jetzt kann ich mich beim erfolgreichsten Schweizer Klub der letzten Jahre weiterentwickeln. Über das Ausland können wir in Zukunft sicher mal sprechen. Es ist ein Ziel in meinem Leben, aber aktuell gibts nur YB.
Wenn Ihr Ziel eine internationale Karriere ist, haben Sie aber sicher auch Ziele in der Nationalmannschaft, oder?
Natürlich ist es mein Anspruch, wenn ich weiterhin hart arbeite, in meiner Karriere auch mal eine Rolle in der Schweizer Nationalmannschaft zu spielen.
Und wie sieht der Austausch mit den Nati-Verantwortlichen aus?
Ich kenne Nati-Goalietrainer Patrick Foletti, seit ich zehn Jahre alt bin, aus gemeinsamen GC-Zeiten. Wir haben einen guten Austausch.
Murat Yakin sagte uns, dass er Sie im Juni für die Testspiele in den USA sicher mitnehmen wird.
Das habe ich auch vernommen. Wenn das so sein wird, freue ich mich natürlich sehr. Aber darüber können wir gerne sprechen, wenn der Moment gekommen ist.
Mannschaft | SP | TD | PT | ||
---|---|---|---|---|---|
1 | FC Basel | 32 | 35 | 58 | |
2 | Servette FC | 32 | 8 | 52 | |
3 | FC Luzern | 32 | 11 | 51 | |
4 | BSC Young Boys | 32 | 6 | 50 | |
5 | FC Lugano | 32 | 3 | 49 | |
6 | FC Zürich | 32 | -3 | 47 | |
7 | FC Lausanne-Sport | 32 | 6 | 44 | |
8 | FC St. Gallen | 32 | 2 | 44 | |
9 | FC Sion | 32 | -9 | 36 | |
10 | Grasshopper Club Zürich | 32 | -10 | 33 | |
11 | Yverdon Sport FC | 32 | -19 | 33 | |
12 | FC Winterthur | 32 | -30 | 27 |