Vor 20 Jahren explodierte St. Gallen – bis dieses Jahr?
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Deshalb fehlte Captain Stiel:Vor 20 Jahren explodierte St. Gallen – bis dieses Jahr?

Deshalb fehlte Captain Stiel
Vor 20 Jahren explodierte St. Gallen

«Sanggalle explodiert» titelt BLICK heute vor 20 Jahren. Der FCSG ist erstmals seit 96 Jahren Meister. Doch die Feier hat einen Makel: Es fehlt der Captain.
Publiziert: 21.05.2020 um 03:06 Uhr
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Espen-Party: Der FCSG ist in der Saison 1999/2000 nicht zu stoppen.
Foto: Keystone
Max Kern

Samstag, 21. Mai 2000. Gespielt wird in der Finalrunde der besten acht Teams die elfte von 14 Runden. Tabellenführer St. Gallen hat am Vorabend in Luzern 2:1 ­gewonnen. Die Torschützen: Sascha Müller und Marc «Zelli» Zellweger. Drei Runden vor Schluss sind die Espen (spielen damals im Espenmoos) auf einen Punktverlust von Verfolger Basel bei Servette angewiesen. Für eine mögliche, verfrühte Meisterfeier machen es sich die St. Galler Kicker am Marktplatz auf einem Balkon der St. Gallischen Credit-Anstalt vor einen Grossbildschirm bequem. Es fehlt aber Captain Jogi Stiel ­(damals 32).

Der spätere Gladbach- und Nati-Goalie (2004 an der EM in Portugal) sitzt mit 35 geladenen Gästen in einer Scheune im vorarlbergischen Rankweil an einem Festessen. Der Grund für die Party: Stiels zweite Tochter Indira wird am Morgen in Herisau AR getauft.

Stiel, heute Goalie-Trainer bei Xamax, sagt 20 Jahre später: «Irgendwann, so drei Monate nach der Geburt feiert man die Taufe. Und es konnte wirklich kein Mensch voraussehen, dass wir mit St. Gallen bereits drei Runden vor Schluss Meister werden könnten.» Die St. Galler Überflieger von Trainer Marcel Koller halten im Frühling 2000 die Grossgewichte GC (mit Chappi, Petric, Hakan Yakin, Gren, Cabanas) und Basel (Murat Yakin, Huggel, Zuberbühler) zum Narren. Ähnlich wie in ­diesem Frühling der FCSG von Peter Zeidler, der als aktueller Leader die heutigen Schwergewichte YB (Meister 2018 und 2019) und Basel ärgert.

Legendäres 4:4 im Hardturm

Die Initialzündung gibts 2000 für Grün-Weiss im ersten Spiel der Finalrunde im Hardturm. GC führt nach 14 Minuten 3:0, in der 90. mit 4:3. In der Nachspielzeit trifft Charles Amoah aber zum 4:4. Stiel gestern: «Das war der i-Tupfer. Denn das GC von damals wäre das heutige YB. Wir sahen, was wir erreichen können.»

An Stiels Taufessen in Österreich sind auch die Teamkollegen Giorgio Contini (heute Lausanne-Trainer), Thomas Alder und Kollers Assistent Werni Zünd dabei.

Der FC Basel führt in Genf ab der 26. Minute dank Didier Tholot 1:0. Aber nur bis zwei Minuten vor Schluss. Denn da trifft der Slowene Ermin Siljak zum 1:1.

SonntagsBlick schreibt damals: «Es ist 18.02 Uhr. Eine Minute, welche die Geschichte der Ostschweiz für immer verändern wird. Alle Kameras richten sich auf Trainer Marcel Koller. Und Dino Pinelli fordert Adrian ­Eugster schon auf, sie zu bringen. Mit ‹sie› meint er die Champagner-Flaschen. ‹Nur die Ruhe›, erwidert Eugster. Sie haben lange genug gewartet in St. Gallen. Da dürfen die paar Sekunden auch keine Rolle mehr spielen. Zwei Minuten später pfeift Schiri Urs Meier ab. Alle Dämme brechen: St. Gallen explodiert! Aus allen Winkeln der 70'000-Seelen-Stadt strömen sie zu Tausenden zum zuvor halbleeren Marktplatz, der von einer grün-weissen Welle überschwemmt wird.»

«Schwebte im luftleeren Raum»

Bei Stiels Taufessen läuft ihm Bruder Arne, der frühere GC- und Servette-Profi, in die Arme und spricht davon, dass es in Genf 1:1 steht. «Mein erster Gedanke war: Der will mich ver­arschen. Dann hielt mir Thomi Alder sein Handy ans Ohr. Ich hörte ein unglaubliches Gejohle. Erst dann begann ich es allmählich zu realisieren. Ich spürte meinen Körper einen Moment lang nicht. Ich schwebte irgendwie im luftleeren Raum.» Und spätestens als Teamkollege Contini völlig auszuflippen begann, wusste auch der Captain: Ja! Es ist wahr!

Stiel vor 20 Jahren: «Mann, war das affengeil! In Sekundenschnelle spülte ich, alleine auf einer Bank am Waldrand sitzend, ein Bier hinunter.»

Oben auf dem Balkon mitten in St. Gallen, sechs Meter über den Köpfen der Fans, umarmt derweil Koller Teamleiter Othmar Gubelmann, der mit ihm von Wil nach St. Gallen gekommen ist. Daneben stammelt Charles Amoah bloss: «I'm very happy!» Und Ionel Gane bringt sogar nur noch ein «Yes, yes, yes!» heraus. Amoah, zusammen mit Jörg Stiel Liebling der Massen, packt sich eine Espen-Fahne, schwingt sie triumphierend vor der Meute, die nun irgendwo zwischen Ekstase und Delirium schwebt. Gubelmann packt die Meister-T-Shirts aus, und die Fans singen: «Das ist unser FCSG!»

Wie hoch ist die Meisterprämie damals? Stiel: «Ich glaube, die meisten von uns hatten nur eine Prämie für das Erreichen der Finalrunde.» Es ist Stiels einziger Titel. Für den FCSG den ersten seit 1904, den letzten bis heute. Den letzten bis Ende Saison?

Credit Suisse Super League 24/25
Mannschaft
SP
TD
PT
1
FC Basel
FC Basel
15
22
28
2
FC Lugano
FC Lugano
15
9
28
3
FC Zürich
FC Zürich
15
4
26
4
Servette FC
Servette FC
15
0
25
5
FC Luzern
FC Luzern
15
4
23
6
FC Lausanne-Sport
FC Lausanne-Sport
15
3
23
7
FC St. Gallen
FC St. Gallen
15
6
21
8
FC Sion
FC Sion
15
-1
17
9
BSC Young Boys
BSC Young Boys
15
-5
17
10
Yverdon Sport FC
Yverdon Sport FC
15
-10
16
11
FC Winterthur
FC Winterthur
15
-21
12
12
Grasshopper Club Zürich
Grasshopper Club Zürich
15
-11
10
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