Der Canepa-Report – ein Klassiker in der Präsidentschafts-Loge
«Nein, nein, nein – es läuft wieder einmal gegen uns!»

Der Klassiker-Tag mit Ancillo und Heliane Canepa. Das präsidiale Power-Duo gewährt Blick beim Heimspiel gegen Basel temporär Einlass in den innersten Zirkel des FC Zürich.
Publiziert: 19:18 Uhr
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Die FCZ-Klubleitung ist da: Vorfreude vor dem Klassiker bei Ancillo und Heliane Canepa.
Foto: TOTO MARTI
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Sven SchochReporter Sport

Um 14.33 Uhr biegt der schwarze SUV Richtung Letzigrund-Tiefgarage ab. Die Scheibe senkt sich, ein freundliches Lächeln für den Fotografen, das Ehepaar Canepa ist angekommen. Ancillo und Heliane sind in bester Klassiker-Laune. Die sportlichen Turbulenzen der letzten FCZ-Wochen trüben ihre Vorfreude zu keinem Prozent: «Wir sind guter Dinge. Ein wunderbarer Tag.»

Im Untergeschoss schlendern die beiden einflussreichsten Fans vom Parkplatz beschwingt zum Lift: Der Präsident mit einer braunen Ledertasche, gefüllt mit Tabak-Pfeifen, die zweite Hälfte des Präsidiums in einem FCZ-Wintermantel in Türkis und mit pinker Pudelmütze. «Cillo wollte mir diese Garderobe ausreden», feixt Heliane. «Ich finde es total schick.» Ancillo verdreht seine Augen. Die beiden sind seit 1973 verheiratet, die innerfamiliären Pointen sitzen.

«Was wird denn heute wieder Wunderbares gezaubert?», erkundigt sich die Klub-Chefin beim Chef de Buffet. «Aber eigentlich kommt man ja nicht wegen des Essens in den Letzigrund. Wir jedenfalls gehen nicht wegen der Fünf-Sterne-Bewirtung ins Stadion», sagt Heliane Canepa zum Blick-Reporter und zieht sich zusammen mit ihrem Ehemann in die eigene Loge zurück. «Mir reicht eine feine Wurst mit einer Cola Zero.»

7,5 Millionen eingeschossen

Den eisgekühlten Weisswein reservieren die Canepas für ihre Gäste. Am gemütlichen runden Tisch hinter der gläsernen Schiebetür geht es trotz des wochenlangen Stillstands in der Tabelle bei der Besitzer-Familie um das grosse Bild: «Wir wollen den FCZ nicht einfach nur verwalten, wir wollen Neues wagen und uns nach vorne bewegen.» Damit streben sie sportlichen Erfolg und wirtschaftliche Stabilität an. «Dass dies nicht einfach ist, wissen wir.» Im vergangenen Geschäftsjahr mussten sie 7,5 Millionen Franken in den Verein pumpen.

Heliane ist das Lachen im FCZ-Kosmos trotz bitterer Abstürze nie vergangen. Die frühere CEO von Nobel Biocare hat in ihrem erlebnisreichen Leben weitaus kompliziertere Herausforderungen verdauen müssen als neun Liga-Spiele mit nur einem Sieg. «Was soll ich mich über jeden Punktverlust tagelang ärgern? Im Alter wird man da etwas gelassener. Ich kenne beide Seiten. Nach einem Erfolg haben wir früher in der Wirtschaftswelt auch nur knapp eine Minute ‹We are the Champions› gesungen, dann gings sofort weiter zur nächsten Neuerfindung.»

Von Zeit zu Zeit greift Heliane zur Zigarettenschachtel, er stopft seine Pfeife mit jenem Tabak, von dem er 200 Büchsen Nachschub zu Hause lagert. «Ich habe ihn zum Rauchen gebracht. Ich liebe Männer, die Pfeife rauchen. Das gibt Gemütlichkeit.» Das Ambiente passt zu den Bildern an der Wand. Nostalgie, die verstorbene Klub-Ikone Köbi Kuhn in Aktion. Verblasster Glanz, wunderbare Glorie. Noch eine gute halbe Stunde bis zum Anpfiff, zwei langjährige Freunde der Familie betreten den Raum: Bruno Chiomento, FCB-Fan und früherer VR-Präsident von Ernst & Young, und der frühere Vorsteher des Staatssekretariats für Migration, Mario Gattiker.

«Es läuft wieder einmal gegen uns!»

Milos Malenovic gesellt sich kurz zur Runde: «Presidente, alles gut?» Der nicht restlos überzeugende serbische Verteidiger Nemanja Tosic wird am Tag der akuten Personalnot in der Defensive leihweise beim spanischen Zweitligisten Deportivo La Coruna platziert. Sport- und Klubchef reden die gleiche Sprache: «Er selber war mit seiner eigenen Leistung nicht zufrieden. Deshalb tut ihm die Veränderung gut.» Die Wege beim FCZ sind auch ausserhalb der Loge kurz. Die Canepas sind über jede personelle Bewegung im Bild: «Wir tragen letztlich ja auch die gesamte Verantwortung.»

17.05 Uhr, 21’688 Fans plus das Duo-Canepa starren gebannt auf den Penaltypunkt im FCB-Strafraum: Mounir Chouiar holt Anlauf, Heliane dreht sich auf der Tribüne ab, weil sie im bald 20. Jahr der Canepa-Regentschaft ahnt, was passieren wird: «Ich hatte ein schlechtes Gefühl.» Basels Keeper Marwin Hitz stoppt die Elfmeterrückgabe. Ancillo Canepa kickt im Frust ins Leere. «Nein, nein, nein. Es läuft wieder einmal gegen uns! Es ist nicht zu fassen!» Fluchen, bangen, hoffen.

VIP-Gast Gattiker leidet still mit. Er versteht, weshalb das bekannteste Fussball-Paar der Schweiz emotionale Schlangenlinien fährt: «Sie sind im besten Sinne wahre Patrons. Ihr wirtschaftliches und soziales Engagement für diesen Klub ist beeindruckend. Sie kümmern sich wirklich um die Sache.» In der zweiten Hälfte dehnt Ancillo Canepa sein Refugium vom obersten Stadion-Level zur Spielerbank aus – wie üblich tigert der Chef hin und her.

Seine immer jüngere Equipe vergibt Chance um Chance. «Tellisiech! Das kann einfach nicht wahr sein!» Blick-Kontakt zu Malenovic, den ebenfalls nichts mehr auf der Bank hält. Die Assistenten fuchteln, Coach Ricardo Moniz schreit sich heiser. Der Präsident versinkt mehr und mehr in seiner Winterjacke. Vor dem letzten Vorhang fällt im Strafraum der letzte Zürcher – am Spielstand ändert sich nichts mehr. 0:1, Frust pur. Treten an Ort. Canepa verschwindet sofort im Tribünenbauch. «Wir waren besser, ich kann den Jungs nicht viel vorwerfen.»

Stürmer und Schiedsrichter Canepa

Ganz oben sitzt Heliane bei ihrer Cola. Im Hintergrund läuft auf einem TV-Screen ein Blue-Interview mit dem drei Tage zuvor wegtransferierten Meister-Helden Antonio Marchesano: «Ich bin froh, jetzt hier in Yverdon zu sein. 3:0 gewonnen, fast ein Tor gemacht, alles gut.» In Fan-Kreisen löst der Verkauf emotionale Debatten aus. Für Heliane wirkt das TV-Gespräch surreal, weil sie das Addio dieses FCZlers noch nicht ganz verdaut hat. Dann folgt die Frage, die sich bei ihnen nach einer Niederlage institutionalisiert hat: «Sind wir gesund? Ja. Geht es unseren Hunden gut? Ja.» Beide Canepas lachen – bis sie der Geschäftsführer Andreas Schmocker daran erinnert, «dass wir bald gehen müssen, weil das Stadion schliesst». Der FCZ ist nur geduldeter Mieter; die Kuhn-Bilder an der Wand verschwinden ebenfalls wieder.

Heliane reagiert mit einer Prise Sarkasmus: «Wir werden das neue Stadion noch erleben. Wir haben noch lange nicht genug.» Ancillo schweigt. Das 0:1 hallt nach. Dann schiebt er doch noch etwas nach: «Wir sind auf dem richtigen Weg. Stadion hin oder her. Punkt.» Nach dem Klassiker-Frust ist vor dem internen Spiel: «Darauf freue ich mich.» Cillos Friends gegen die Trainer-Crew. Gespielt wird nach den Regeln von Stürmer und Schiedsrichter Ancillo Canepa.

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