«Das hat mich tief getroffen»
FCB-Janko über den Verlust seines besten Freundes

Marc Janko (32) erzählt, wie er den Verlust seines besten Freundes verarbeiten musste. Und er verrät, weshalb er trotz 1,96 m auf die Zehenspitzen stehen muss. Und warum er nie mit Urs Fischer per Du sein will.
Publiziert: 16.08.2015 um 09:45 Uhr
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Aktualisiert: 05.10.2018 um 20:22 Uhr
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Basel-Knipser Marc Janko an der Birs in Basel.
Foto: Sven Thomann
Von Stefan Kreis

Marc Janko, 4 Tore in 5 Spielen. Sie machen Ihrem Spitznamen als Strafraumkobra alle Ehre.
Marc Janko:
Ich bin ganz zufrieden, vor allem weil ich noch nie eine so kurze Vorbereitungszeit hatte wie in diesem Sommer.

Beim 3:1 gegen Thun hätten Sie gerne den Penalty geschossen. Doch Gashi hat sich den Ball geschnappt. Hat Sie das geärgert?
Natürlich nicht. Er hat mir gesagt, dass er sich gut fühle, da habe ich ihm den Ball überlassen. Schliesslich hatte ich zuvor ja schon zweimal getroffen.

Bräuchte es für solche Situationen nicht eine klare Hierarchie? Muss der Trainer nicht festlegen, wer schiesst?Warum? Wir sind schliesslich Männer und keine Lemminge. Das können wir auf dem Platz unter uns regeln. Shkeli und ich verstehen uns gut. Wer sich besser fühlt, soll schiessen.

Klingt fast so, als bräuchten Sie keinen autoritären Trainer an der Seitenlinie, der Dinge befiehlt.
Natürlich braucht es eine Hierarchie. Der Trainer ist der Chef, darum würde ich ihn selbst dann siezen, wenn er mir das per Du anbieten würde. Eine gewisse Distanz ist wichtig, es darf nicht zu freundschaftlich werden, sonst kann das Ganze aus dem Ruder laufen.

Mit Ihrem Trainer bei Trabzonspor hatten Sie Probleme, wie Sie in einem Interview mit dem Redbulletin verraten haben.
Nach einer Niederlage wurde ich behandelt wie einer, der jemanden umgebracht hat. Der Trainer hat nur ein einziges Mal mit mir gesprochen und sagte: «Bei dem, was du verdienst, musst du das Spiel gegen Fenerbahce allein gewinnen.» Ich durfte die Mannschaft danach nicht mehr sehen, trainierte ganz allein. Monatelang. Das war schlimm. Es blieb mir nichts anderes übrig, als den Klub zu wechseln.

Auch mit dem Knurrer von Kerkrade, Huub Stevens, hatten Sie damals in Salzburg das Heu nicht auf der selben Bühne.
Ja, aber das hatte andere Gründe.

Er liess Sie nicht zur Beerdigung Ihres besten Freundes Gustav gehen, der 2009 bei einem Autounfall ums Leben kam.
Das hat mich tief getroffen. Stevens wollte mich nicht hinfahren lassen, weil wir am selben Abend ein Spiel hatten. Ich habe ihm garantiert, dass ich pünktlich da bin, war in Tränen aufgelöst, aber er meinte nur: «Du kannst die Mannschaft nicht im Stich lassen.»

Und was haben Sie ihm geantwortet?
Ich bin trotzdem zur Beerdigung gefahren. Und ich habe dort meine Rede gehalten, das war mir wichtig. Nach dieser Geschichte war zwischen mir und Huub Stevens nichts mehr zu machen. Sportlich muss ich ihm für manche Dinge dankbar sein, er hat mir einen neuen Spielstil beigebracht, aber zwischenmenschlich …

Kurz vor Gustavs Tod haben Sie in der EM-Quali gegen Litauen gespielt.
Ja und ich habe ein Tor geschossen und am nächsten Tag hatte ich 15 Nachrichten auf dem Handy. Glückwünsche dachte ich. Aber die erste Nachricht war von meinem Bruder: «Ruf mich an.» Als ich von Gustavs Tod erfuhr, musste ich mich hinsetzen, sonst wäre ich umgefallen.

Wenige Tage danach standen Sie im Quali-Spiel gegen Frankreich auf dem Feld. Wie konnten Sie das Ganze ausblenden?
Ich bin vor dem Spiel in die Kirche gegangen, stundenlang auf einer Bank gesessen, versuchte den Schock zu verdauen. Dann habe ich beschlossen, zu spielen. Für den Gusti, mit Trauerflor. Ich habe dann sogar getroffen und ihm das Tor gewidmet. Noch heute denke ich oft an ihn.

Darf ein Fussballer keine Schwäche zeigen?
Eigentlich nicht, denn man ist in einem Umfeld, in dem man funktionieren muss. Im Endeffekt ist es ein brutales Geschäft. Du stehst auf den Zehenspitzen, weil du dich immer zur Decke strecken musst. Sonst ist da sofort ein anderer. Das sind die Regeln.

Sie sind 1,96 Meter gross. Mussten Sie sich wirklich strecken, um Erfolg zu haben?
Natürlich, meine Grösse war nicht immer ein Segen. Mit 16 bin ich innerhalb von nur einem Jahr 14 Zentimeter gewachsen. Auch deshalb sieht mein Gesicht etwas länger aus als normal. Aber Spass beiseite. Der Schub war enorm, innert kürzester Zeit. Ich war damals der schnellste Spieler der Mannschaft, aufgrund meines Wachstums habe ich viel davon eingebüsst. Es fehlte plötzlich an allen Ecken und Enden. Das war frustrierend.

Haben Sie damals mit dem Gedanken gespielt, mit Fussball aufzuhören?
Nein, nie. Dafür liebe ich diesen Sport zu sehr.

Auch nicht 2006, als Sie sich einen komplizierten Schienbeinbruch zugezogen haben?
Der Arzt prophezeite mir damals, dass ich nie wieder schmerzfrei werde gehen können. Das war wie eine Bombe. Als der Doktor aus dem Zimmer ging, habe ich geheult. Es war damals eine extrem schwierige Zeit für mich, aber so banal es klingt: Solche Rückschläge machen dich stärker.

Aufgrund dieser Verletzung haben Sie die Heim-EM 2008 verpasst.
Ich hätte mich selbst zwar aufgeboten und hätte auch spielen können, doch der damalige Teamchef verzichtete darauf. Ich war wahnsinnig enttäuscht, aber habe seine Entscheidung respektiert.

Nun schliesst sich ein Kreis, Österreich steht acht Jahre später vor der EM-Qualifikation. Mit Ihnen im Sturm. Freuen Sie sich auf Ihr erstes grosses Turnier?
Noch sind wir nicht qualifiziert. Aber natürlich: Das ist unser Ziel. Ich bin stolz ein Teil der Mannschaft zu sein, die sich zum ersten Mal für eine Europameisterschaft qualifizieren kann.

Welchen Anteil hat Ihr Schweizer Naticoach Marcel Koller?
Einen riesigen. Ich persönlich bin ihm sehr dankbar, denn er hat selbst dann auf mich gesetzt, als ich beim FC Porto und bei Trabzonspor kaum zum Einsatz gekommen bin. Hätte ich nicht gut gespielt, die Entscheidung wäre auf ihn zurückgefallen. Das Risiko war hoch.

Aber es hat sich ausgezahlt, unter anderem haben Sie den wichtigen zweiten Treffer beim 2:1-Sieg über Schweden erzielt.
Und wurde kurze Zeit später wegen einer Oberschenkelverletzung ausgewechselt.

Sie machen in den ersten Spielen für Basel nicht den Eindruck verletzungsanfällig zu sein. Sind Sie mit dem Alter robuster geworden?
Ich bin ehrlich gesagt froh, wenn ich – wie gegen Luzern – mal 90 Minuten lang draussen sitzen kann. Ich hatte noch nie eine so kurze Vorbereitung wie in diesem Jahr, Ruhepausen sind wichtig, damit man nicht übersäuert. Ich bin den Drei-Tages-Rhythmus nicht gewohnt.

Dann hätten Sie nichts dagegen im Cup gegen Meyrin auf der Bank zu sitzen?
Letzten Endes entscheidet der Trainer, aber wir haben so viele gute junge Spieler im Kader, dass er sicherlich genügend Alternativen hätte.

Kann der FCB wirklich auf seine Strafraumkobra verzichten?
Ich weiss ehrlich gesagt nicht, woher dieser Spitzname kommt. Aber eigentlich ist mir das auch egal. Er schmeichelt mir ja, besser als wenn man mich Schnecke nennt.

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