«Da gehts nur noch um Kleider und Aussehen»
GC-Lüthi hat die Schnauze voll vom Job als Profi-Fussballer!

Abertausende Jugendliche träumen davon, Profifussballer zu sein. Und dann kommt da GC-Verteidiger Benjamin Lüthi und wirft einfach den Bettel hin. Mit 28, freiwillig und kerngesund. Warum nur?
Publiziert: 16.12.2016 um 16:17 Uhr
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Aktualisiert: 11.09.2018 um 11:22 Uhr
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Benjamin Lüthi zog in eine WG und sucht sich jetzt einen Studentenjob.
Foto: KEY
Michael Wegmann

Sind Sie in den Ferien?
Benjamin Lüthi: Nein, ich bin im Berner Oberland und bereite mich auf die Semesterprüfungen vor. So wie ich das schon die letzten zwei Mal gemacht habe.

Sie sind im dritten Semester?
Ja. Betriebswirtschaft an der Uni Zürich. Ich wollte es für mich behalten, um keine Angriffsfläche zu bieten. Gewisse Leute sehen es nicht gerne, wenn Fussballer nebenbeistudieren. Was ich schade finde.

Wusste nicht mal Ihr GC-Trainer Pierluigi Tami, dass Sie studieren?
Nein. Ich hab ihn mal gefragt, was er davon halten würde. Er fand es nicht so cool. Dann habe ich es nie mehr erwähnt.

Student und Profi geht das?
Eigentlich problemlos. Mir hat es gut­getan, die viele freie Zeit mit Inhalt zu füllen. Zudem war mir der Kontakt mit den Mitstudenten wichtig. Das ist ein anderer Schlag als Fussballer. Was ich jetzt nicht wertend meine.

Ist Ihr Studium der Grund, dass Sie zurücktreten?
Das Studium hat mir den Entscheid vereinfacht. Das Uni-Leben gefällt mir sehr. Aber der Rücktritt war kein Schuss ins Blaue. Das war ein Prozess über Jahre. Als junger Fussballer habe ich keinen Gedanken ans Aufhören verschwendet. Da wollte ich keine Sekunde auf dieses Leben verzichten, auf die Annehmlich­keiten, die es mit sich bringt. Man macht gerne mit in diesem Unterhaltungsbusiness, in dieser Fussball-Blase. Aber es hat sich zuletzt alles verändert. Der Fussball und ich. Ich will da nicht mehr mitspielen. Das fühlt sich richtig gut an.

Was hat sich verändert?
Alles ist viel schneller und öffentlicher geworden. Die Werte haben sich verschoben.

Konkret?
Am Anfang in Thun, als Andres Gerber noch mein Mitspieler war, gingen wir zusammen nach den Trainings Kaffee trinken. Redeten über dieses und jenes. Heute ist jeder am Natel, kaum ist das Training fertig. Da geht es im besten Fall noch darum, was man für Kleider trägt und wie man aussieht. Das klingt jetzt nach grosser Abrechnung. Das sollte es aber nicht. Ich hatte zehn tolle Jahre als Profi.

Sie haben keinen Twitter-Account, kein Facebook, kein Instagram?
Ich bin nur auf Facebook wegen meinen Freunden. Bei all diesen Dingen muss man sich doch Fragen stellen dürfen: Was will ich? Was nicht? Ich will selbst bestimmen, was ich wissen will. Und gewisse Dinge will ich weder wissen noch sehen.

War der Umzug von Bern nach Zürich ein guter Schritt?
Ja. Zürich ist zwar ein anderes Pflaster. Härter, anonymer und auch oberflächlicher. Aber das ist nicht nur negativ. Es war zum Beispiel cool, dass es auch an der Uni anonym zu- und hergeht. So blieb ich unerkannt.

Ihr Vater Markus ist Thun-Präsident. Was meint er zu Ihrem Rücktritt?
Er vertraut meiner Intuition und unterstützt mich bei dem, was ich tue oder nicht tue. Die Frage, ob es richtig oder falsch ist, hat er nie gestellt. Die kann man auch nicht jetzt beantworten.

Sie lebten den Traum von Tausenden von Jugendlichen, und jetzt werfen Sie einfach hin. Entschuldigen Sie sich?
Das könnte ich. Es tut mir leid, wenn ich ihren grossen Traum ein bisschen relativiere. Aber ich finde meine Botschaft auch nicht schlecht: Dass man auf sich selber hören soll. Nicht einfach mit dem Strom schwimmen, weil man populär sein will oder mehr Geld verdient.

Konnten Sie in den zehn Jahren als Profi viel Geld auf die Seite legen?
Ich habe Geld auf der Seite, aber nicht viel. Ich habe zwar nie eine dicke Karre gefahren, dafür lebte ich in Zürich in einer schönen Wohnung. Ein Grossverdiener war ich nie. Bei Thun hatte ich einen Vertrag in der oberen Lohnstufe, aber das ist immer noch Thun. Und bevor ich bei GC unterschrieb, war ich arbeitslos. Das sind nicht die besten Argumente bei Lohnverhandlungen.

Müssen Sie sparen?
Meine Ausgaben fahre ich zurück. Aus meiner Wohnung bin ich ausgezogen und ziehe in eine WG. Aber ich habe genug gespart, dass ich ein angenehmes Studentenleben führen und mal auswärts essen kann. Aber ich schaue mich nach einem Studentenjob um. In einem lässigen Kaffee arbeiten wäre cool. Nicht Arbeiten ist für mich kein Thema! Nur schon aus moralischen Gründen.

Man könnte sich Sie auch als Fussball-Experte am TV vorstellen.
Vielleicht. Wer weiss, was in der Zukunft sein wird.

Bevor Sie 2014 zu GC kamen, hatten Sie ­eigentlich in Nürnberg unterschrieben. Was lief schief?
Mein Vertrag lag unterschriftsbereit vor. Ich habe meinen Berater schon zum Essen eingeladen. Dann fanden sie beim Medizin-Test Flüssigkeit in meiner Hüfte. Nach einer kurzen Therapie war die Flüssigkeit aber wieder weg. Auf dem Weg nach Nürnberg zur Nachkontrolle sagte man mir, dass man einen anderen verpflichtet habe. Da dieser sofort und nicht erst in zwei Wochen einsatzbereit sei.

Da war ein herber Schlag?
Das war sehr bitter. Mittlerweile denke ich, dass es so kommen musste. Tönt nach Floskel, ich weiss. So konnte ich meine Zelte in Zürich aufschlagen und durfte ein tolles erstes halbes Jahr bei GC erleben und Europa League spielen. Danach habe ich sportlich nicht überzeugt, hatte nur neben dem Platz eine Leader-Rolle. Dennoch ist der Weg für mich aufgegangen.

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