Sascha Ruefer, wann haben Sie das letzte Mal für eine so lange Zeit nicht kommentiert?
Sascha Ruefer: Da müsste ich nachschlagen. Seit ich mich erinnern kann, habe ich jedenfalls noch nie so lange keinen Fussballmatch mehr live gesehen.
Vermissen Sie den Fussball?
Ja. Ich vermisse den Fussball, ich vermisse den Gang ins Stadion, ich vermisse die Bratwurst und ich vermisse die Emotionen. Es ist jetzt aber nicht so, dass ich jeden Tag heule, weil kein Fussball läuft.
Sie haben dadurch viel weniger zu tun. Was machen Sie stattdessen so?
Langweilig wird es mir nicht. Ich moderiere weiterhin «sportpanorama» und legendäre Sportmomente. Zudem nutze ich die Zeit für Recherchen, rede mit Spielern und Trainern, organisiere meine Datenbank mit Spielerdaten neu. Und Sie kennen es selber auch, wenn man in der Aktualität drin ist, findet man kaum Zeit, um zu reflektieren, um einmal kritisch und mit dem nötigen Abstand etwas zu analysieren. So habe ich den Kommentator Ruefer jetzt einmal in den Service geschickt.
Was ist dabei rausgekommen?
Was das Kommentieren angeht, habe ich zum Beispiel festgestellt, dass ich gewisse Wörter öfters wiederhole oder dass ich teilweise dazu neige zu schnell zu reden oder mir manchmal zu früh ein Urteil bilde. Als Journalist und als Kommentator bist du ja angewiesen, Dinge bereits einzuordnen. Jetzt habe ich für mich herausgefunden, dass es sich lohnen würde, in der einen oder anderen Situation damit etwas zuzuwarten.
Haben Sie sich in den letzten Wochen auch einmal ein Fussballspiel angeschaut?
Ja, ganze 15. Ich habe mir diese Spiele aber nicht einfach so und nicht in voller Länge angesehen. Es waren einige darunter, die ich selber kommentiert habe und solche von Kollegen aus dem Ausland. Dann habe ich mir zum Beispiel den Anfang von mir angehört, um dann in die genau gleiche Sequenz von Béla Réthy (deutscher Kommentator d. Red.) reinzuhören. So konnte ich vergleichen. Wie beginnt er, wie beginne ich oder wie hat er bei einer Penaltyszene geurteilt.
Rein zum Vergnügen haben Sie kein Spiel gesehen?
Nein, ich kann das nicht. Für mich hat Fussball etwas mit Emotionen zu tun. Eine der Grundemotionen ist die Anspannung. Dieses Unmittelbare, das macht bei mir die Faszination aus. Deshalb schaue ich selten ganze Spiele im Nachgang. Ausser vielleicht legendäre Partien wie die irre Aufholjagd von Liverpool gegen Milan im Champions-League-Final 2005.
Dann haben Sie nicht einmal beim spektakulären Cup-Halbfinal GC - FCZ (2004, GC gewann 6:5 nach 2:5 - Rückstand d. Red.), den SRF im April ausgestrahlt hat, reingezappt?
Doch, hab ich. Ich hatte an diesem Abend zwar etwas vor, habe mir aber im Nachgang tatsächlich noch die letzten 20 Minuten angesehen. Die waren ja unfassbar.
Sie haben dieses Spiel ja damals kommentiert, welche Erinnerungen kamen hoch?
Mir ist der Hardturm wieder in Bildern in den Sinn gekommen, spannend wie dieser sich als Sportstätte eingebrannt hat. Ich sah plötzlich einige Spieler wieder vor mir. Eigentlich hat sich mir mit dieser «Trouvaille» eine Türe geöffnet, die lange verschlossen geblieben ist.
Neben all dem Fussball, scheinen Sie auch noch eine zweite Passion zu haben. Wein.
Ou ja.
Haben Sie während den letzten zweieinhalb Monaten auch dafür Zeit gefunden?
Ja, ich habe mich tatsächlich auch etwas um den Wein kümmern können. Und dabei gehts nicht ums Trinken, sondern um die Faszination Wein an sich. Wenn man bedenkt, wieviel Arbeit im Wein steckt, ist das schon beeindruckend. Und weil jedes Gut, jede Weinregion und jeder Winzer eine eigene Geschichte hat, ist für mich Weingenuss auch so etwas wie eine kulinarische Reise.
Ihr Lieblingswein?
Es gibt nicht DEN Lieblingswein für mich, weil sich Geschmack bekanntlich auch immer etwas verändert. Derzeit bevorzuge ich die Regionen Ribera del Duero und das Priorat. Ich habe auch schon tolle Weine in Bulgarien oder aus Tasmanien gefunden. In diesem Jahr habe ich den Fokus allerdings auf weisse Weine gelegt.
Würden Sie denn selber auch mal Winzern wollen?
Das hat mich noch nie jemand gefragt. Mit jemandem zusammen einen eigenen Wein zu kreieren, wäre schon cool. Sollte ich mir einmal eine Auszeit nehmen, was mir schon durch den Kopf gegangen ist, dann mit allergrösster Wahrscheinlichkeit auf einem Winzerbetrieb.
Wie viele Flaschen besitzen Sie?
Ich zähle sie nicht. Mal mehr, mal weniger. Vielleicht knapp 650 Flaschen. Aber ich lagere sie aus Platzgründen nicht alle bei mir zuhause.
Zurück zum Fussball. Sind Sie für Geisterspiele oder für Abbruch?
Die Vereins-Verantwortlichen müssen sich diese Frage aus wirtschaftlichen Gründen stellen. Ich finds aus eigenem Berufsinteresse natürlich gut, wenn die Meisterschaft möglichst rasch wieder losgeht und wir über Fussball berichten können. Aber kein Fussballfan sehnt sich nach Geisterspielen. Ohne Fans fehlt dem Fussball der Zauber. Allerdings ist jetzt nicht die Zeit für Zauber. Es geht um Existenzen und wenn man die mit Geisterspielen retten kann, dann versteht das jeder.
Freuen Sie sich, dass jetzt die Bundesliga wieder loslegt?
Ich habe ein mulmiges Gefühl. Hoffentlich geht der Plan der DFL auf.
Das heisst? Freuen Sie sich oder nicht?
Ich bin gespannt. Aber ich werde ganz sicher einschalten, das ist fix eingeplant. Ich weiss aber nicht, ob ich bis zum Schluss dranbleiben werde.
Wieso denn das?
Weil erst die Fans mit ihren Emotionen den Fussball zu dem machen, was er ist.