Sepp Blatter (84) hat sich klar positioniert: «Gianni Infantino ist nicht mehr tragbar», sagt der Ex-Chef des Weltfussballverbands über seinen Mitwalliser, Nachfolger und Erzfeind. «Jetzt muss auch die Fifa-Ethikkommission ein Verfahren gegen ihn einleiten und ihn suspendieren!»
Der Fall Infantino ist allerdings komplexer als der Fall Blatter, obwohl Strafverfahren gegen beide laufen – beim früheren Fifa-Boss wegen ungetreuer Geschäftsbesorgung, beim amtierenden wegen Amtsmissbrauch, Verletzung des Amtsgeheimnisses, Begünstigung und Anstiftung. Blatter stolperte über eine Zahlung von zwei Millionen Franken an den damaligen Uefa-Präsidenten Michel Platini. 13 Tage nach Eröffnung des Verfahrens 2015 verbot ihm die Fifa-Ethikkommission für 90 Tage alle mit Fussball verbundenen Tätigkeiten. Schliesslich wurde er für sechs Jahre gesperrt.
Reaktion der Ethikkommission ungewiss
Die Ethikkommission kann auch Gianni Infantino (50) sperren, muss aber nicht. Wie zu hören ist, gehen Fifa-Insider nicht davon aus, dass ihr Präsident aus dem Verkehr gezogen wird. Dennoch steht die Frage im Raum: Welche Folgen hätte eine Suspendierung? Nach SonntagsBlick-Informationen käme dann Salman bin Ebrahim al-Khalifa (55) zum Zuge: Der Scheich aus dem Golfstaat Bahrain würde die Geschäfte des Präsidenten übernehmen – zumindest interimistisch.
Salman ist Präsident des Asiatischen Fussballverbandes und dienstältester Fifa-Vizepräsident. Ausserdem gilt er nicht nur in Europa als skandalumwittert. Vor vier Jahren war er Favorit für die Blatter-Nachfolge – unterlag aber Infantino. Im Wahlkampf und danach wurde das Mitglied der bahrainischen Königsfamilie heftig angegriffen. Der Hauptvorwurf: Er sei bei der Niederschlagung des Arabischen Frühlings 2011 in seiner Heimat beteiligt gewesen. Damals wurden Tausende Demonstranten verhaftet, unter ihnen auch Sportler.
Gegenüber BLICK wehrte er sich damals: «Welcher Perverse würde bei der Niederschlagung von Unruhen und der Verhaftung von Demonstranten zusehen? Nicht einmal die boshaftesten Kritiker haben mir eine Beteiligung vorgeworfen.»
Der Scheich widerspricht eigener Nachrichtenagentur
Dabei war es die staatliche Nachrichtenagentur des Scheichtums, die meldete, Salman habe eine Untersuchungskommission geleitet, die regimekritische Sportler dingfest machen und der Justiz ausliefern sollte. «Nichts als Verdrehungen und haltlose, politisch motivierte Anschuldigungen, die mich nicht tangieren, weil sie boshaft und frei erfunden sind», so der Scheich. Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch sahen das freilich anders.
Salman gibt sich gern bescheiden. Er habe englische Literatur und Geschichte studiert, in der Zollverwaltung gearbeitet und sei «ein normaler Bürger wie alle anderen in Bahrain auch», sagte er der «NZZ». Auf sein Gehalt als Fifa-Boss hätte er aber verzichtet – als Sprössling eines orientalischen Herrschaftshauses ist er eben doch nicht nur ein einfacher Werktätiger.
Für Aufsehen sorgte am Fifa-Wahltag im Februar 2016, dass 20 Männer mit Pro-Salman-Plakaten vor dem Hallenstadion standen, als die Delegierten eintrafen. «Ich unterstütze den sauberen Mann», «Salman ist die beste Wahl für die neue Fifa» oder «Ja für Salman» war zu lesen. Offenbar waren die Salman-Anhänger für diese Aktion bezahlt worden; drei Stunden für 80 Franken. Das Honorar drückte ihnen ein älterer Herr in die Hand.
Scheich Salman als interimistischer Fifa-Präsident – für weitere Schlagzeilen wäre in jedem Fall gesorgt.