Das letzte Spiel der Hinrunde steht an. Der FC Fislisbach muss auswärts gegen Schlusslicht Gränichen ran. Bei gefühlten Minusgraden coacht Trainerin Ramona Armuzzi, stets umgeben von ihren Jungs, dem Assistenten Cristian Iglesias und Sportchef Christian Umbricht, ihre Mannschaft zum Sieg in letzter Minute. Armuzzi schreit sich die Anweisungen von der Lunge, verarztet jeden gefoulten Spieler mit und herzt jeden, der an ihr vorbeiläuft. Es ist nicht dieses gewohnte Bild des Abklatschens und Umarmens. Es ist mehr. Es hat was von Mutterliebe. «Oh nein, nicht Mami, sagen Sie das nicht», sagt Armuzzi nach der Partie in der warmen Stube des Gränicher Klubrestaurants.
FC Fislisbach statt möglicher Rücktritt
Wir sitzen mit ihr in einer Ecke, etwas abseits der Mannschaft, die nach der warmen Dusche noch beim gemeinsamen «Schlummi» zusammensitzt. Und auch da wieder: Jeder Spieler, der sich vom Acker macht, verabschiedet sich von Armuzzi in einer im Männerfussball ungewohnten Liebenswürdigkeit. Es ist, auch wenns abgedroschen klingen mag, echt herzerwärmend. Und Armuzzi gibt zu: «Mit einem Mann würden sie das vielleicht nicht in diesem Masse machen, aber eine Frau schaut ja auch eher zur Familie, dass es allen gut geht, und das will ich hier ja auch.»
Seit Sommer 2020 ist die Zürcherin, die sich neben dem Fussball als Hausfrau bezeichnet, beim FC Fislisbach tätig. Damals allerdings noch als Assistentin. Ihr Vorgänger Christian Jäggi, mit dem sie einst bei den GC-Frauen tätig war, habe sie in den Aargau gezogen, wie sie sagt. Eigentlich wäre ja eine Pause angedacht gewesen, die Fehraltorferin spielte gar mit dem Gedanken, nach ihrer bereits 20-jährigen Trainerkarriere – zwölf davon bei den GC-Frauen – zurückzutreten. Das Abenteuer bei den Männern scheint sie aber doch mehr gekitzelt zu haben. Und da sie als Assistentin nicht die komplette Verantwortung zu tragen hatte, gab sie sich einen Ruck und schaute sich das Ganze im Rahmen eines Probetrainings einmal an.
Zmittag sei Dank
Etwas skeptisch seien sie in Fislisbach schon gewesen, verrät Sportchef Christian Umbricht: «Ich wusste nicht, wie sie bei den Jungs ankommt. Nach 30 Minuten waren die Zweifel aber verflogen. Schnell habe ich gesehen, dass sie dieselbe Sprache sprechen, wie die Jungs Freude, ja ein Strahlen im Gesicht hatten. Es passte wie die Faust aufs Auge.» So kam für ihn auch nur Armuzzi in Frage, als Jäggi seinen Platz im Sommer nach einer durchwachsenen Saison räumen musste, eine Woche vor Saisonbeginn notabene. Auch die Mannschaft wollte sie unbedingt. Doch Armuzzi wollte nicht. Zu viele Zweifel und Ängste kamen auf. «Es brauchte ein laaaaanges Zmittag», erzählt Umbricht und schmunzelt. «Ich will nicht allein als Trainerin dastehen», sagte ihm Armuzzi dazumal. Nur im Trio. «Ich musste ihr also versprechen, dass es erst mal ad interim bis zur Winterpause ist und wir ihr immer zur Seite stehen werden.»
So also auch an diesem Samstagabend, im wahrsten Sinne des Wortes. Und Armuzzi ist, wie gewünscht, als offizielle Chefin kaum zu erkennen. Praktisch alle Entscheide werden im Trio oder zumindest im Duo mit Co-Trainer Iglesias gefällt. Und an diesem Abend geht alles auf. Das letzte Spiel der Hinrunde gewinnt Fislisbach 3:2 und überwintert somit auf Platz 10 (von 16 Teams), nach einer Vorrunde, die von vielen verletzungsbedingten Ausfällen geprägt war.
Dank seinem Mut ...
Damit hat Armuzzi, die mit einem GC-Juniorinnen-Trainer liiert ist, ihre ersten fünf Monate als Cheftrainerin einer Männermannschaft überstanden. Auf 2.-Liga-Stufe ist sie damit, laut Verband, schweizweit die Einzige. Die Unterschiede, was das Trainieren von Frauen und Männern anbelangt, seien abgesehen von den Regeln gross, findet Armuzzi. Sie spricht gar von «zwei verschiedenen Sportarten». Das Spiel sei viel schneller, intensiver. «Wenn 80 auf 90 Kilo kommen, da klöpfts», so die 48-Jährige. Bei den Frauen «rumple» es eher. «Zu Beginn bin ich bei jedem Foul innerlich zusammengezuckt», gesteht sie.
An die Härte der Partien hat sich die Mutter einer Tochter zwar noch immer nicht gewöhnt. Dennoch ist sie zum Entschluss gekommen, sicher noch bis im nächsten Sommer den Fislisbachern als Cheftrainerin treu zu bleiben. «Sie tragen mich hier auf Händen und unterstützen mich sehr.» Diese Wertschätzung erfüllt Armuzzi mit Stolz. Nicht etwa, weil sie diesen Schritt gewagt hat, nein. Vielmehr möchte sie ihren Sportchef hervorheben – sie selbst scheue das Rampenlicht sowieso enorm –, er sei ja schliesslich der Wegbereiter für diese ganze Geschichte gewesen. «Er ist der moderne Mann, er hatte den Mut zu sagen: Es wird eine Frau.» Beim FC Fislisbach hat mit Sandra Wäspe übrigens auch in der 2. Mannschaft (4. Liga) eine Frau das Sagen.
Über die Zusammenarbeit mit ihrer Trainerin gibt Vize-Captain Yannic Lavanga (27), neben dem Platz als Projektleiter tätig, einen kleinen, aber feinen Einblick.
Blick: Ihr habt einen sehr innigen Umgang untereinander im Verein... Sehen Sie das auch so?
Yannic Lavanga: In der Mannschaft hatten wir schon immer eine sehr familiäre Beziehung und Ramona lebt das mega mit. Aber eine solch emotionale Beziehung zwischen Trainer und Spieler habe ich ehrlich gesagt auch noch nie erlebt.
Sehen Sie da einen Zusammenhang damit, dass Ramona eine Frau ist?
Ich denke, weil sie eine Frau ist, fällt es ihr leichter, auf alle Spieler einzugehen. Unsere vergangenen Trainer hatten alle ihre Lieblingsspieler, die dann auch stets bevorzugt wurden, und der Rest kaum berücksichtigt. Das ist mit Ramona ganz anders.
Geht sie allgemein anders mit Problemen um?
Mega. Sie fällt selten Entscheidungen allein, dabei dürfte sie das ja. Während andere Trainer oft einfach sagen, wie es ist, holt sie von überall Ratschläge ein. Dieser Stolz, den ein Mann vielleicht öfters mal hat, hat sie nicht und ich glaube, damit fährt sie sehr gut.
Ein Trainer, der immer andere fragt, könnte auch verunsichern, nicht?
Wir haben ihr schon tausendmal gesagt, du bist die Trainerin, du kannst entscheiden, aber sie möchte nicht. So fühlst du dich als Spieler aber auch immer wieder wertgeschätzt, wenn du ein bisschen mitreden kannst.
Kostete es Sie mehr Überwindung, sich einer weiblichen Trainerin zu öffnen?
Gar nicht. Sogar weniger, weil sie so auf einen zukommt und immer wissen will, wie es einem geht. Und wenn du ihr etwas erzählst, weiss sie es beim nächsten Mal noch (lacht).
Braucht es mehr weibliche Trainer?
Ich kann das wirklich jedem Verein nur empfehlen. Viele Gegner haben uns auf dem Platz schon darauf angesprochen, ob das denn funktioniere (lacht). Da sage ich immer: Bombe, es ist top. Die meisten können sich das leider noch nicht vorstellen.
Gibt es etwas, dass euch am meisten überrascht hat an ihr?
Die Intensität der Trainings. Sie sagt jetzt noch, dass sie auf den Tag wartet, an dem sie mit uns so intensiv trainieren kann, wie mit den GC-Frauen (lacht).
Nur positive Worte. Gibts auch etwas auszusetzen?
(Überlegt)... Im Training fehlt ihr vielleicht manchmal die Stimme, uns alle zusammenzutrommeln. Aber dann schickt sie meistens mich, was ja überhaupt nicht schlimm ist (schmunzelt).
Über die Zusammenarbeit mit ihrer Trainerin gibt Vize-Captain Yannic Lavanga (27), neben dem Platz als Projektleiter tätig, einen kleinen, aber feinen Einblick.
Blick: Ihr habt einen sehr innigen Umgang untereinander im Verein... Sehen Sie das auch so?
Yannic Lavanga: In der Mannschaft hatten wir schon immer eine sehr familiäre Beziehung und Ramona lebt das mega mit. Aber eine solch emotionale Beziehung zwischen Trainer und Spieler habe ich ehrlich gesagt auch noch nie erlebt.
Sehen Sie da einen Zusammenhang damit, dass Ramona eine Frau ist?
Ich denke, weil sie eine Frau ist, fällt es ihr leichter, auf alle Spieler einzugehen. Unsere vergangenen Trainer hatten alle ihre Lieblingsspieler, die dann auch stets bevorzugt wurden, und der Rest kaum berücksichtigt. Das ist mit Ramona ganz anders.
Geht sie allgemein anders mit Problemen um?
Mega. Sie fällt selten Entscheidungen allein, dabei dürfte sie das ja. Während andere Trainer oft einfach sagen, wie es ist, holt sie von überall Ratschläge ein. Dieser Stolz, den ein Mann vielleicht öfters mal hat, hat sie nicht und ich glaube, damit fährt sie sehr gut.
Ein Trainer, der immer andere fragt, könnte auch verunsichern, nicht?
Wir haben ihr schon tausendmal gesagt, du bist die Trainerin, du kannst entscheiden, aber sie möchte nicht. So fühlst du dich als Spieler aber auch immer wieder wertgeschätzt, wenn du ein bisschen mitreden kannst.
Kostete es Sie mehr Überwindung, sich einer weiblichen Trainerin zu öffnen?
Gar nicht. Sogar weniger, weil sie so auf einen zukommt und immer wissen will, wie es einem geht. Und wenn du ihr etwas erzählst, weiss sie es beim nächsten Mal noch (lacht).
Braucht es mehr weibliche Trainer?
Ich kann das wirklich jedem Verein nur empfehlen. Viele Gegner haben uns auf dem Platz schon darauf angesprochen, ob das denn funktioniere (lacht). Da sage ich immer: Bombe, es ist top. Die meisten können sich das leider noch nicht vorstellen.
Gibt es etwas, dass euch am meisten überrascht hat an ihr?
Die Intensität der Trainings. Sie sagt jetzt noch, dass sie auf den Tag wartet, an dem sie mit uns so intensiv trainieren kann, wie mit den GC-Frauen (lacht).
Nur positive Worte. Gibts auch etwas auszusetzen?
(Überlegt)... Im Training fehlt ihr vielleicht manchmal die Stimme, uns alle zusammenzutrommeln. Aber dann schickt sie meistens mich, was ja überhaupt nicht schlimm ist (schmunzelt).