Shaqiris erstes INTERview
«Darum platzte mein Wechsel zu Liverpool»

Xherdan Shaqiri spricht im SonntagsBlick exklusiv über seinen Transfer nach Mailand, seinen neuen Trainer Mancini und wieso er nicht in England spielt.
Publiziert: 11.01.2015 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 28.09.2018 um 23:43 Uhr
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Es sitzt! Shaqiri streift sich den Inter-Dress über. Schon heute gegen Genoa?
Foto: Toto Marti
Von Andreas Böni (Text) und Toto Marti (Fotos) aus Mailand

Xherdan Shaqiri (23) sitzt im Luxus-Hotel Melia nahe des San-Siro-Stadions und liest die «Gazzetta dello Sport». Drei Seiten hat ihm die rosa Sport-Bibel gewidmet. Ein Zeichen für die neue Wertschätzung. Am Donnerstag um 22 Uhr wurde er von 2500 Tifosi am Flughafen empfangen.

Der Nati-Star hetzt danach von Medizin-Check zu Fitness-Untersuchungen und ersten Trainings. Am Freitagabend, sichtlich müde von den ganzen neuen Eindrücken, nimmt er sich Zeit für sein erstes Interview seit Monaten.

SonntagsBlick: Xherdan, Ihr erstes Fazit zu Inter Mailand?
Xherdan Shaqiri:
Es ist schon ein bisschen verrückt. Als ich aus dem Flughafen kam, war ich wie erschlagen von all den Eindrücken. So einen Empfang hätte ich nie erwartet. Ich musste aufpassen, dass ich nicht über den Haufen gerannt werde, eine sehr heikle Situation auch für die Sicherheitsleute. Aber es war auch unglaublich schön. Denn der Empfang steht für das, was ich mir in den letzten zweieinhalb Jahren bei Bayern und in der Nati erar­beitet habe. Wenn ich als Transfer vom FC Basel nach Mailand gekommen wäre, hätten mich die Leute wahrscheinlich nicht ganz so frenetisch empfangen.

Wie wars denn 2012 in München?
Da kam ich mit dem Auto an, niemand interessierte sich gross dafür. Höchstens zwei, drei Reporter waren da.

Der Wechsel von Bayern zu Inter Mailand ist aber trotzdem ein oder sogar zwei Schritte zurück.
Nein, überhaupt nicht. Inter ist für mich ein Top-Klub. Hier spielten viele Legenden, und es werden wieder grosse Erfolge erreicht werden. Klar werden viele sagen, dass die ­Serie A im Vergleich zur Bundesliga schlechter ist. Aber für mich persönlich geht es darum, hier den nächsten Schritt zu machen. Ich habe bei den Gesprächen mit Inter-Trainer Roberto Mancini einfach gespürt, dass er der Mann ist, der mich weiterbringt.

Weil er Ihnen eine Stammplatz-Garantie gibt?
Nein, weil er mich um jeden Preis wollte. Und weil er ein Sieger-Typ ist. Er war mit Inter drei Mal und mit Manchester City ein Mal Meister. Ich meinerseits habe mit Bayern auch viele Titel geholt. Mancini und ich sind beide nach Mailand gekommen, um Kübel zu gewinnen.

War Mancini der Faktor, der den Ausschlag für Inter und gegen Klubs wie Liverpool, Everton oder Atletico Madrid gab?Am Schluss hatte ich sehr viele Optionen, sehr lukrative Ange­bote. Und ich habe mit sehr vielen verschiedenen Trainern telefoniert und mich über ihre Vorstellungen unterhalten ... Aber eben, ich spürte, dass Inter Mailand am meisten für mich tat. Mein Bauchgefühl für Inter war einfach gut, weil sich neben dem Trainer auch sonst viele Menschen im Klub für mich einsetzten.

Man kann zusammenfassend sagen: Bei Bayern waren Sie ­einer unter vielen Stars, hier sind Sie mit Lukas Podolski der Star. Das tat auch Ihrem Ego gut.
Für mein Selbstwertgefühl ist es natürlich wichtig – wie für jeden anderen Spieler auch. Es ist schön zu wissen, wenn man in der Mannschaft ein gewisses Gewicht hat. Das gibt Selbstvertrauen. Und auch leistungsfördernden Druck, den ich als wichtiger Spieler brauche.

BLICK-Kolumnist Kubilay Türkyilmaz riet Ihnen davon ab, nach Italien zu wechseln. «Nicht nur, aber auch, weil die Serie A derzeit die schwächste aller grossen Ligen ist. Aber vor allem, weil dort total taktisch gespielt wird.»
Kubi darf sagen, was er will. Wir haben in der Schweiz Meinungsfreiheit, das ist für mich kein Problem. Ich bin fest davon überzeugt, dass mir der Fussball hier liegen wird. Ich werde ein bisschen Eingewöhnungszeit brauchen, habe ja erst mit Bayern in der Champions League hier gespielt.

Was ist in dieser Saison noch das Ziel?
Auch wenn wir noch in der zweiten Tabellenhälfte stehen: Wir müssen mit aller Macht versuchen, Platz drei zu erreichen. Damit wir die Möglichkeit haben, in die Champions League zu kommen. Ich bin überzeugt, dass das drinliegt. Das langfristige Ziel – ich habe hier ja einen Vertrag bis 2019 – ist es dann aber schon, wieder Titel zu gewinnen. Ich habe gelesen, dass Lothar Matthäus nach langer titelloser Zeit 1988 von Bayern zu Inter kam und dann 1989 Meister wurde – das nehme ich mal als gutes Omen.

Spielen Sie am Sonntag gegen Genoa von Anfang an?
Ich denke, eher nicht. Trainer Roberto Mancini will mir die Zeit geben, um anzukommen und mich körperlich nach der Winterpause aufzubauen. Ich bin ja noch nicht so lange wieder im Training. Aber ich bin bereit, um reinzukommen.

Sie haben sich auch schon mit Ihrem neuen Mitspieler Lukas Podolski unterhalten. Was hat er Ihnen gesagt?
Er freut sich wahnsinnig, dass ich hier bin. Ich glaube, wir ­werden eine schöne Zeit zusammen haben.

Weil Sie beide Champions League spielten, darf wegen einer Regel nur einer in der Europa League ran. Ein Problem für Sie?
Nein. Wichtiger als die Europa League ist es für uns, Platz drei zu erreichen, der zur Champions-League-Qualifikation berechtigt.

Haben Sie sich mit Nati-Trainer Vladimir Petkovic ausgetauscht?
Ja, ich habe ihn vorinformiert, dass ich wohl zu Inter wechsle.

Werden Sie in der Stadt Mailand wohnen oder pendeln Sie wie andere Inter-Spieler ins Tessin? Das Haus von Valon Behrami wäre frei, wenn er in Hamburg ist.
Ich weiss es noch nicht genau. Das Tessin ist aber weniger eine Option. Aber es ist ein schöner Nebeneffekt, dass Mailand nahe bei meinen Eltern in der Schweiz ist.

Wo haben Sie Ihre Möbel?
Vieles habe ich schon von München in die Schweiz mitgenommen. Den Rest macht dann ein Zügel­unternehmen.

Ihr Ex-Trainer Ottmar Hitzfeld sagt, dass Bayern-Trainer Pep Guardiola Ihnen nicht vertraute. Einverstanden?
Das ist doch jetzt mein erstes INTERview, da wollen Sie doch nicht über Bayern reden, oder? (lacht) Ich will im Moment nicht gross über die Vergangenheit sprechen. Jetzt gilt nur Inter Mailand.

Wie oft ging Ihnen in den letzten eineinhalb Jahren durch den Kopf: Ach, wäre Jupp Heynckes doch noch Trainer ...?
Jeder weiss, dass er mich unbedingt zu Bayern holen wollte. Ich hatte eine tolle Zeit mit ihm. Wir haben in einem Jahr alles gewonnen. Es ist schön, an erfolgreiche Zeiten zu denken, aber es gibt immer auch eine Gegenwart. Und in der musste ich etwas ändern.

Ist der Wechsel eine Flucht vor der Konkurrenz mit den Weltmeistern Müller, Götze und den Weltstars Ribéry und Robben?
Nein. Ich weiss, dass ich Qualitäten habe. Am Schluss fehlte, dass mir bei Bayern der Rücken gestärkt wurde. Darum wollte ich im Sommer schon wechseln. Ich spürte, dass es nicht besser wird in München.

Darum wollten Sie damals zu Liverpool gehen.

Ja. Aber leider liess mich der Klub nicht. Es war nicht einfach für mich, aber ich musste es akzeptieren. Darum bin ich nun froh, dass es jetzt im Winter mit einem Wechsel geklappt hat.

Was wird Ihnen fehlen an München?
Die Mitspieler. Ich hatte zweieinhalb sehr schöne Jahre, lebte mich sofort ein, wir holten viele Titel. Nun freue ich mich auf ein neues Land und eine neue Sprache.

Sie können noch kein Italienisch, oder?
Nein, aber ich werde es bald sprechen.

Wie gut kennen Sie Mailand?
Nicht gut. Ich war vor ein paar ­Jahren mal privat hier. Sicherlich spielte die Schönheit der Stadt eine Rolle. Ich freue mich aber sehr auf das Essen und die Mode, was mich ja auch interessiert. Aber in erster Linie auf den Fussball und all die verrückten Tifosi. l

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