Es ist ein schwarzes Kapitel der Schweizer Fussballgeschichte. GC-Chaoten erzwingen mit Pyro-Würfen den Matchabbruch im Tourbillon. Nach der Schande von Sion darf nicht zur Tagesordnung übergegangen werden. Das sieht auch die Politik so. Bundesrätin Viola Amherd sagte: «Die Randalierer müssen verurteilt und aus dem Stadion verbannt werden. Nur durch konsequentes Handeln wird es solche Ereignisse in Zukunft nicht mehr geben.» Amherd will dazu einen runden Tisch mit allen Beteiligten einberufen. BLICK bleibt am heissen Thema dran und erklärt in einer dreiteiligen Serie die vielschichtige Fan-Kultur. Damit keine Fragen offen bleiben.
Es ist ein schwarzes Kapitel der Schweizer Fussballgeschichte. GC-Chaoten erzwingen mit Pyro-Würfen den Matchabbruch im Tourbillon. Nach der Schande von Sion darf nicht zur Tagesordnung übergegangen werden. Das sieht auch die Politik so. Bundesrätin Viola Amherd sagte: «Die Randalierer müssen verurteilt und aus dem Stadion verbannt werden. Nur durch konsequentes Handeln wird es solche Ereignisse in Zukunft nicht mehr geben.» Amherd will dazu einen runden Tisch mit allen Beteiligten einberufen. BLICK bleibt am heissen Thema dran und erklärt in einer dreiteiligen Serie die vielschichtige Fan-Kultur. Damit keine Fragen offen bleiben.
Er steht mit dem Rücken zum Spiel, meist auf einer erhöhten Fläche, damit ihn die Kurvengänger sehen können. Er hat ein Megafon in der Hand, durch das er die Fangesänge anstimmt. Jede Kurve hat ihren «Capo». Er ist der Vorsänger, das Sprachrohr der eingefleischten Anhänger. Er hat das Sagen und geniesst ein hohes Ansehen. Und er ist an jedem Spiel dabei.
Meistens gehört der Capo der stärksten und einflussreichsten Gruppierung der Kurve an. Unterstützt wird er aber auch von den anderen Gruppierungen innerhalb der Kurve. Es gibt Hierarchien, die von den Kurvengänger klar akzeptiert werden. Die Kurvenbewegung hat sich in den letzten Jahren zu einer Subkultur entwickelt. Ueli Mäder, Szenekenner und renommierter Soziologieprofessor an der Uni Basel, erklärt das so: «Unsere Gesellschaft besteht ja aus lauter Subkulturen und Minderheiten. Und die Ultras orientieren sich zumindest in einem bestimmten Geltungsbereich an gemeinsamen Normen und Werten. Das ist zentral.» BLICK erklärt, was in einer Fankurve sonst noch zentral ist.
Identifikation
Trotz Hierarchien können sich die Fans mit der Kurve identifizieren. «Das ist wie in einer halbdirekten Demokratie», so Mäder. Eine Kurve sei relativ eigenständig. «Das braucht viel Selbstorganisation. Von unten nach oben.»
Auch optisch zeigt sich die Identifikation mit der Kurve. Durch das Tragen der gleichen Kleidung – bis hin zu den Schuhen – wird nicht nur der Zusammenhalt innerhalb der Kurve gestärkt, damit wird auch das Identifizieren einzelner Personen – beispielsweise durch die Polizei – erschwert.
Selbstregulierung
Eine Kurve reguliert sich weitgehend selbst. «Durch besonnene Fans, die sehr konstruktiv Einfluss nehmen», erklärt Mäder. «Es gibt viele vitale Kräfte in einer Kurve, die eine gewisse Autonomie und die Ordnung aufrecht erhalten wollen.»
Wie kommt es dazu, dass es trotzdem zu Gewalt oder anderen illegalen Machenschaften wie zum Beispiel dem Zünden von Pyros kommen kann? Roland Seiler, Leiter der Forschungsstelle Gewalt bei Sportveranstaltungen an der Universität Bern, erklärt: «Die Kurven sind Grossteils sehr effizient in der Selbstregulierung von Gewalt und Rassismus, Ausnahmen bestätigen die Regel. Pyros gehören für viele Ultras dazu, auch wenn sie seit rund 10 Jahren verboten sind.» Und Ueli Mäder bekräftigt: «Man muss beachten, dass in einer Kurve durch Selbstregulierung auch viel Unheil vermieden wird.»
Rechtsfreie Zone
Doch nicht immer kann Unheil vermieden werden. Von aussen wurde deshalb auch schon behauptet, in der Kurve herrsche eine rechtsfreie Zone. Drogenkonsum beispielsweise werde geduldet. «Die Kurve ist relativ autonom», sagt auch Ueli Mäder. «Aber eine rechtsfreie Zone gibts nicht.» Gewisse Freiheiten gehören aber dazu: «Man muss den Jugendlichen Freiräume zulassen. Das ist wichtig, das sind Lernfelder. Es braucht aber einen Rahmen und es braucht klare Grenzen.»
Solche Grenzen sollen aber nicht mit roher Polizeigewalt gesetzt werden. «Man vergibt viel, wenn man im Vorfeld eines Spieles zu viel aufrüstet, Dampf macht und zu wenig aufeinander zugeht. Eine protzende Polizeikraft kann kontraproduktiv sein. Auch Medien und andere Meinungsträger dürfen nicht den Anschein erwecken, die Welt gehe unter, wenn ein Klub verliert. Und Spieler müssen, was die Fairness betrifft, mit gutem Beispiel voran gehen», appelliert Mäder.
BLICK erklärt die Fankultur. Teil 1 der Serie: «Faszination Pyros» lesen Sie hier.
BLICK erklärt die Fankultur. Teil 3 der Serie: «Das Konzept für die Gästefans» folgt am Freitag.