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Schock-Geständnis von Ex-Nati-Trainer
Köbi Kuhn als Kind missbraucht

BLICK druckt Auszüge aus der Autobiografie von Köbi Kuhn (75). Der Ex-Nati-Trainer offenbart darin Schockierendes: Er wurde als Kind von einem älteren Fussballerkollegen missbraucht! Lesen Sie seine Schilderungen und wie er sich dem Trauma nun couragiert stellt.
Publiziert: 16.04.2019 um 02:38 Uhr
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Aktualisiert: 17.07.2019 um 19:54 Uhr
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Köbi Kuhn offenbart in seiner Autobiografie Schockierendes.
Foto: TOTO MARTI
Sherin Kneifl

«Manche Dinge brauchen Jahre oder gar Jahrzehnte, um sie zu verarbeiten. Und manches vergisst man nie. Als Frischling bei meinem ersten Verein spielte ich bereits bei den Älteren mit. Das war einerseits sportlich eine tolle Möglichkeit, mich an den vermeintlich Stärkeren zu messen und an der Herausforderung rasch zu wachsen.

Andererseits zählt natürlich der Altersunterschied zwischen Kindern und Teenagern bzw. jungen Erwachsenen doppelt. Für den Fussball war ich reif. Bei vielem sonst ein Kindskopf. Meine Offenheit gegenüber Menschen sollte mir zeitlebens zahlreiche schöne Momente bescheren, aber auch die eine oder andere schwerwiegende Erfahrung. Ich habe vor allem den Fussballerkameraden stets vertraut.

Diese Naivität wusste einer skrupellos für sich auszunutzen. Ich schämte mich lange für das Geschehene. Doch da meine zweite Frau und ich einhundert Prozent ehrlich miteinander umgehen und über alles reden, habe ich mir ein Herz gefasst und ihr erzählt, wie mich einst ein Kollege missbrauchte. Jadwiga stand mir selbstverständlich zur Seite.

Meines ist kein Einzelschicksal, wie ich immer wieder aus den Medien erfuhr. Darum möchte ich mit meiner Geschichte erstens allen Betroffenen Mut machen. Zweitens zeigen, dass niemand vor so einer Tat gefeit ist. Und drittens die Verantwortlichen in den Vereinen wachrütteln, sich besonders um die ihnen anvertrauten Kinder nach bestem Wissen zu kümmern!»

Im Buch schreibt Köbi Kuhn: «Im Sommer 2016 erholten Jadwiga und ich uns zwei Wochen im Thermalhotel in Budapest auf der Margareteninsel. Während eines Spaziergangs haben wir junge Leute beobachtet, die beim Joggen immer wieder kurze Pausen einlegten, um in einer Outdoor-Fitnessanlage zu trainieren – ausschliesslich mit dem eigenen Körpergewicht.

Uns fiel auf, dass in Zürich solch ein kostenloses Angebot für jedermann und alle Leistungsstufen auf öffentlichem Grund fehlte. Also haben wir Kontakt mit dem Produzenten aufgenommen und uns vorgenommen, diese Sportparks in der Schweiz zu propagieren. Die Idee kam bei den Verantwortlichen in der Stadt Zürich gut an, sodass die erste BeStrong-Anlage im Februar 2018 in der Ofenhalle in Zürich-Affoltern eingeweiht wurde.

Ich selber habe kein Kind mehr. Mit meinem Einsatz als Vorstandspräsident des Vereins Jugendkultur Ofenhalle möchte ich aber junge Menschen unterstützen. Wir betreiben das Zentrum im Quartier Zürich-Affoltern, in dem Jugendliche soziokulturell und künstlerisch aktiv werden können (jugendkultur-ofenhalle.ch). Diese stammen aus verschiedenen Kulturkreisen, gehören unterschiedlichen Religionen und sozialen Schichten an, denn bei uns wird Integration gelebt! Sie lernen durch gemeinsame Aktivitäten die Andersartigkeit genauso kennen, wie sie Ähnlichkeiten entdecken.

«Ich stand unter Schock, habe mich geschämt»

Somit werden Ängste und Unverständnis abgebaut, was zu mehr Toleranz für den anderen führt. Der Verein steht für ein respektvolles Miteinander, bei dem jeder Einzelne eine Aufgabe hat, mitgestalten kann und zählt. Dass wir auch zur beruflichen Weichenstellung unserer Schützlinge beitragen können, freut mich sehr. Die zweite BeStrong-Anlage – ein Geschenk an die Stadt Zürich – eröffneten wir im Oktober auf dem Hardhof. Weitere sollen folgen. Wir haben eine Gruppe von Jugendlichen aus Birmensdorf, die unter dem Namen «Bardogs» auftreten, kennengelernt. Sie sind Profis in Training und Artistik mit dem eigenen Körpergewicht und «süchtig» nach Bewegung.

Diese Art von «Sucht» begrüssen wir und fördern daher die jungen Männer und Frauen durch Aufträge und Sponsoring. Wir hoffen, ihr Beispiel zeitigt eine positive Wirkung auf andere. Wir wollen mit unserem Einsatz eine sinnvolle Freizeitmöglichkeit bieten, die Spass macht und Kinder und Jugendliche weg von der Strasse hin zum Sport holt. Denn ein gutes Körpergefühl stärkt auch das Selbstbewusstsein.

Mir liegt dieses Thema auch darum besonders am Herzen, weil ich lange Zeit etwas mit mir herumgetragen habe, das mich als junger Mensch beinahe aus der Bahn geworfen hat. Als Frischling bei meinem ersten Verein freundete sich ein älterer Kollege mit mir an. Er war nett zu mir und lud mich eines Nachmittags zu sich nach Hause ein. Törichterweise bin ich mitgegangen. Denn als wir allein waren, hat er mich benutzt, um sich selbst zu befriedigen, und mich gezwungen mitzumachen.

Ich stand unter Schock, war eingesperrt in der fremden Umgebung und konnte mich nicht wehren. Danach habe ich mich geschämt und gefürchtet, was wohl passieren würde, wenn meine Eltern oder der Trainer etwas erfahren. Also habe ich nichts gesagt. Jahrzehntelang. Doch immer, wenn ich über sexuellen Missbrauch von Kindern in der Zeitung las, kam alles wieder hoch: die Hilflosigkeit, die Beschmutzung, die Scham, die Wut …

Das Schicksal missbrauchter Kinder berührt mich zutiefst

Als 2016 derartige Fälle von Missbrauch im Fussball geballt in den Schweizer Medien geschildert wurden, konnte ich nicht mehr schweigen. Das Schicksal dieser Kinder berührte mich zutiefst. Ich habe meiner Frau von meinem traumatischen Erlebnis erzählt. Daraufhin schrieben wir an die Vereinsleitung, um etwas über den Verbleib der Person zu erfahren und bestenfalls einen Kontakt zu bekommen. Man teilte uns mit, dass dieser Mann noch heute ehrenamtlich in der Jugendarbeit im Klub engagiert ist!

Ich vereinbarte ein Treffen mit den Verantwortlichen und habe sie von Angesicht zu Angesicht mit meiner Geschichte konfrontiert.

Zum ersten Mal hatte ich die Courage dazu.

Ich tat es, weil mir nichts schützenswerter erscheint als das Wohl und die Unversehrtheit unserer Jüngsten. Und ich weiss, wie verheerend es ist, wenn ein Täter die Unterlegenheit und Unschuld ausnützt.

Wenn alle schweigen, ändert sich nichts. Leider stiess ich auf taube Ohren.

Man hat mich abgekanzelt, hinterfragt, warum ich erst jetzt, nach all den Jahren, komme. Trotzdem hoffe ich, dass meine Offenheit etwas bewirkt. Wer Verantwortung für Kinder im Fussball übernimmt, muss diese auch wahrnehmen. Zumindest gibt es mittlerweile ein Konzept in dem Verein gegen sexuellen Missbrauch. Die Schutzwirkung soll jährlich überprüft werden.»

Lesen Sie morgen Teil 2: Köbi Kuhn und die legendäre Nacht von Sheffield.

 

Hier weinte Köbi Kuhn um seine Alice
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Im letzten BLICK-Interview:Hier weinte Köbi Kuhn um seine Alice

Köbi National blickt zurück – Teil 1

Mit seiner Autobiographie, der 75-Jährige zusammen mit der Autorin Dr. Sherin Kneifl verfasste, lässt der ehemalige Nati-Coach Köbi Kuhn die Höhen neu aufblühen und gewährt Einsichten in die Tiefen seines Lebens. Exklusiv im BLICK greift er relevante Ereignisse heraus.

 

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