Herr Siegenthaler, YB-Investor Andy Rihs sagt, die Trennung von Fredy Bickel stand schon drei Monate fest. Warum hat man so lange gewartet, sie zu verkünden?
Urs Siegenthaler: Weil uns dies nicht leicht fiel. Zudem mussten wir davon ausgehen, dass eine neue sportliche Leitung gegebenenfalls erst im Oktober 2016 für die Young Boys zur Verfügung stehen würde. Wir wollten also keine unnötige Unruhe im Team und dessen Umfeld erzeugen.
Nun hat man Bickel im September statt im Oktober entlassen. Weil der ebenfalls geschasste Finanzchef Alain Kappeler während einer Toiletten-Pause bei einer Verwaltungsrats-Sitzung das neue Organigramm sah – und hinschmiss. Wie konnte das passieren?
Es geht hier doch nicht um Pausenvorgänge. Wie erwähnt, stand der Entscheid seit längerem fest, und es war somit ein Muss, dass der Verwaltungsrat sich mit der Neuorganisation befasst. Dass dann jemand früher davon Kenntnis erhielt, war für die Entscheidungsfindung letztlich völlig unerheblich.
Aber unglücklich. Wie auch Ihr Interview im St. Jakob-Park, das die YB-Fans derart erzürnte. Waren Sie sich bewusst, dass die Muttenzer Kurve in Ihrem Rücken steht?
Ich stand nicht mitten in der Muttenzer Kurve, sondern im obersten Bereich des Stadions. Weit weg von der Muttenzer Kurve. Es wurden doch gezielt falsche Vorstellungen erzeugt, um die Stimmung emotional anzuheizen. So hat man mir auch noch vorgeworfen, dass ich in Basler Dialekt gesprochen habe.
Wann haben Sie entschieden, in Basel vor die Fernseh-Kamera zu treten?
Offenkundig gab es in der Öffentlichkeit sportliche und allgemeine Verständnisprobleme, und ich wollte eigentlich lediglich die Position des Verwaltungsrates nochmals erklären.
Aber Sie haben die Wirkung unterschätzt.
Ich habe die mediale Sensationsdarstellung unterschätzt. Ich bin tatsächlich nicht von einer solch emotional geprägten Berichterstattung ausgegangen. Es wurden Sachen vermischt, die mit der Wirklichkeit nichts zu tun hatten.
Welche?
Es wurde doch bewusst suggeriert, ich würde für den FC Basel und somit gegen die Young Boys sprechen.
Die YB-Fans reagierten zwei Tage später gegen Olympiakos heftig. «Hou ab», schrieben sie auf Plakate mit Ihrem Kopf. Wie haben Sie es erlebt?
Ich war nicht im Stadion, ich war im Ausland.
War für Sie sofort klar, dass Sie am Tag darauf zurücktreten müssen?
Ich habe vor dem besagten Freitag mein Mandat zur Verfügung gestellt und liess mich zunächst umstimmen. Schliesslich wurde jede weitere Tätigkeit durch den öffentlichen Druck für alle erkennbar unmöglich, und ich legte mein Mandat nieder.
Wann haben Sie Ihr Amt erstmals zur Verfügung gestellt und wer stimmte Sie um?
Sie werden sicher nicht erwarten, dass ich vertrauliche Vorgänge im Verwaltungsrat kommentiere.
Als Sie Ende März bei YB begannen: Welche Situation fanden Sie vor?
Unsere Aufgaben waren die Ausgestaltung eines ausgeglichenen Finanzwesens und die Beantwortung von offenen Fragen im Sportbereich. Im Hinblick auf meine Fachkompetenz in diesen Bereichen wurde ich ja überhaupt in den Verwaltungsrat berufen.
Wann haben Sie gemerkt, dass man sportlich etwas ändern muss?
Von Anfang an standen wir vor Herausforderungen im Budget-, Finanzplanungs- und Sportbereich. Es war klar, dass es zu Veränderungen und zu einem schmerzlichen Anpassungsprozess kommen wird.
Und Sie spürten schnell, dass Fredy Bickel der Falsche für Ihre Philosophie ist.
Das ist Ihre Interpretation. Tatsache ist, dass Fredy Bickel längst vor meinem Engagement ein zentrales Thema für den Verein und die Fans war. Dies vor allem nach sportlichen Niederlagen. Wegen diesen Schwierigkeiten hat man mich ja geholt.
Haben Ex-Sportchef Fredy Bickel und Sie inhaltlich über die Ausrichtung der Mannschaft diskutiert?
Als Verwaltungsrat hatte ich keine operative Funktion wahrzunehmen. Überdies war ich von Mitte Mai 2016 bis Ende August 2016 abwesend und verfügte nur über wenige Informationen.
Also war es nicht nur für Sie klar, dass man Bickel loswerden muss – sondern für das ganze Gremium?
Im Verwaltungsrat herrschte ein Einvernehmen über die notwendigen Veränderungen. Dabei ging es um ein sorgfältig strukturiertes Massnahmenpaket und nicht nur um die Person von Fredy Bickel.
YB-Investor Andy Rihs bezeichnete Sie in einem Interview als «sportliches Gewissen». Warum stellten Sie sich lange nicht der Öffentlichkeit?
Ich war nicht der Kommunikationsbeauftragte und bin seit je her eine Person, welche sich nicht in den Mittelpunkt des Geschehens stellt.
Wenn Sie heute nochmals entscheiden müssten: Würden Sie wieder in den YB-Verwaltungsrat gehen?
Diese Frage stellt sich mir nicht.