Drei Tage vor dem Heiligen Abend wirst Du, Joseph, aus Deinem Stall gejagt. Mit Schimpf und Schande. Drei Tage vor dem Fest der Liebe schlägt Dir Hohn und Spott entgegen. Nein, das ist keine schöne Weihnachtsgeschichte.
«Ich kämpfe weiter», sagst Du. So wie früher. Die Episode hast Du immer wieder erzählt. Wie Deine Mutter Bertha nach einer Frühgeburt am 10. März 1936 den kleinen Sepp ins warme Ofenrohr gebettet hat. Einen Brutkasten gab es nicht, die Überlebenschancen für das Frühchen waren gering.
«Wenn er bis zum Josephstag überlebt, dann kommt er durch. Dann taufen wir ihn. Dann soll er Joseph heissen», hat Deine Mutter zum Vater gesagt. Der war Fabrikarbeiter bei der Lonza. Und wollte, dass aus seinem Buben etwas Besseres wird.
Aus dem kleinen zähen Sepp ist etwas geworden. Der mächtigste Sportfunktionär der Welt. Ein Kämpfer. Ein Mann, den Staatspräsidenten auf dem roten Teppich empfangen haben. Ein Mann, der zum jovialen und genialen Strippenzieher geworden ist.
Deine Verdienste in der grenzenlosen Kommerzialisierung des Fussballs sind unbestritten. Ja, Du hast viel für den Fussball und die Fifa getan. Und all jene, die sich jetzt abwenden, die «es schon immer gewusst haben», haben sich früher neben Dir ins Scheinwerferlicht gedrängt.
Und die lassen dich jetzt fallen wie eine heisse Kartoffel.
So ist das halt auf dieser grossen Bühne, wo es um Macht, Millionen und Eitelkeiten geht. Müssen wir jetzt Mitleid haben mit Dir? Nein!
Weil Du genau dieses Spiel auch mitgespielt hast. Unliebsame Weggefährten wurden von heute auf morgen aussortiert. Macht und Machterhaltung war stets die oberste Devise. Um jeden Preis.
Deine konkreten Versäumnisse sind im Vergleich mit den schamlosen Verbrechern vor allem aus Nord-, Mittel- und Südamerika gering. Aber wer so unanständig viele Millionen verdient, wer ein derart korruptes System duldet und mitträgt, der hat dem Fussball nicht nur gegeben. Sondern hat ihm auch geschadet.
Deine Ära ist endgültig vorbei. Dieses patriarchale und marode Gebilde muss und wird von Grund auf erneuert. Und das ist gut so.
Du redest Dich um Kopf und Kragen. Der gestrige Auftritt war eine satirische Muppet-Show. Das verzweifelte Zappeln im Netz der Juristen und Untersuchungsbehörden ist nur noch eines: hilflos!
Besinnliche Weihnachtstage haben mit Besinnung zu tun. Das Spiel ist aus. Der einzige, der das nicht realisieren will, bist Du selber.
Lieber Sepp. Ich kenne Dein herzliches und einnehmendes Wesen. Jetzt bist Du gesundheitlich angeschlagen. Du bist, wie Du vor einigen Tagen gesagt hast, dem Tod von der Schippe gesprungen. Zum zweiten Mal nach 1936. Beende Deine aussichtlose Mission und geniesse Deinen Lebensabend. Die Zeit zu kämpfen ist vorbei. Frohe Weihnachten!