Foto: Fabienne Kinzelmann

Nein zu Katar-Trainingslager
Dieser finnische Kicker wählte Moral vor Profit

Der finnische Nationalspieler Riku Riski sorgte für Wirbel, weil er ein Trainingslager in Katar absagte. Seine Entscheidung bereut er zwar nicht – doch antreten wird er für sein Land vermutlich nicht mehr.
Publiziert: 23.12.2019 um 13:45 Uhr
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Aktualisiert: 27.12.2019 um 09:43 Uhr
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Riku Riski sorgte für Aufruhr, weil er nicht nach Katar ins Trainingslager wollte.
Foto: imago images / Manngold
Fabienne Kinzelmann aus Helsinki

Manchmal kann man etwas nicht tun. Und trotzdem einen Wirbelsturm auslösen. Dem Finnen Riku Riski (30) ist das passiert, als er sich weigerte, Anfang des Jahres mit der Fussball-Nationalmannschaft ins Trainingslager nach Katar zu fahren. «Ich hätte nie gedacht, dass das so ein grosses Ding werden würde», sagt er zu BLICK.

Der englische «Guardian» berichtete, ebenso «Spiegel Online» und BLICK. Ist ja auch ein Ding: Ein unbekannter finnischer Nationalspieler boykottiert den Austragungsort der Fussball-Weltmeisterschaft 2022. Aus ethischen Gründen. Bereut er das heute?

BLICK trifft Riski ein paar Monate nach seinem Entscheid im Restaurant von HJK Helsinki, seinem aktuellen Klub. Das Stadion in der finnischen Hauptstadt hat 10'770 Plätze. Selbst das Stade de Suisse hat dreimal so viele. Der grosse Fussball wird woanders gespielt.

«… und das wars für mich»

Riski ist freundlich, aber zurückhaltend. Es dauert, bis er sich im Gespräch wohlfühlt. Bis dahin hat er alle Interviewanfragen abgelehnt. Seine Katar-Entscheidung wurde nur bekannt, weil die finnische Tageszeitung «Helsingin Sanomat» darüber berichtet hat. «Als mich der Reporter fragte, dachte ich, ich beantworte ein paar Fragen und das wars für mich. Ich wollte nicht mehr dazu sagen, aber alle wollten mehr hören.» Vielleicht, sagt er, sei er ein bisschen naiv gewesen. «Aber ich dachte, ich habe meinen Punkt klargemacht.»

Die Gründe liegen auf der Hand: Im Wüstenstaat Katar ist die Menschenrechts-Situation miserabel. Frauen, Ausländer, Minderheiten werden erniedrigt, ausgebeutet und schikaniert. Den Weltsport hat das bislang kaum gestört. Von Leichtathletik über Handball bis zu Töff – kaum ein Verband, der hier nicht schon Weltmeisterschaften ausgetragen hat. Und dem Wüstenstaat damit Glanz und Aufmerksamkeit beschert.

Riski wird zum Vorbild

Und dann kommt Riku Riski. Fussball-Profi in einem Land, in dem der Sport im Vergleich zum Eishockey bislang eine untergeordnete Rolle spielt, wo die Gehälter nicht im Ansatz in die Nähe der Löhne in den grossen Ligen wie Spanien, England oder Deutschland kommen. Ein Jahr stand er schon nicht mehr für die Nationalmannschaft auf dem Platz. An einem Trainingslager teilzunehmen oder nicht, kann karriereentscheidend sein. Trotzdem verzichtet er auf die Comeback-Chance.

Riski ist jetzt 30. Ein Alter, in dem für einen Fussballprofi, zumal keinen übermässig talentierten, das Karriereende greifbar wird. Die EM, für die sich Finnland in diesem Jahr zum ersten Mal überhaupt qualifiziert hat und die WM in Katar wären seine letzten Chancen gewesen, bei einem grossen Turnier aufzulaufen.

«Ich war trotzdem nie unsicher», sagt er. Er habe das mit seinen besten Freunden schon besprochen, bevor das Aufgebot kam. «Ich habe mir nur Sorgen gemacht, wie es die Teamkollegen aufnehmen. Denken sie vielleicht, dass ich sie verurteile?» Unberechtigte Sorgen. «Ich habe ausschliesslich positive Reaktionen von ihnen bekommen.»

Wo Geld ist, ist auch der Sport

Auch der unerwartete Medienrummel hatte seine guten Seiten. «Es war cool, dass es sehr schnell um grundsätzliche Fragen ging.» Nämlich darum: Spielt es eine Rolle, wer wo den Ball ins Tor tritt? In welchem Land, unter welchem Regime? Oder ist es egal, weil es ja um den Sport geht? Um das, was verbindet – und nicht das, was trennt?

«Im Fussball hat sich alles geändert, seit ich angefangen habe, zu spielen. Das Geld wird immer wichtiger», kritisiert Riski. «Es geht um immer mehr und mehr Geld und die Entwicklung scheint kein Ende zu nehmen.»

Es stimmt: Wo das Geld ist, ist auch der Sport. Auch der FC Bayern fuhr ins Trainingslager nach Katar. Der Schweizer Tennis-Profi Stan Wawrinka (34) spielt dieses Wochenende bei einem Schau-Turnier in Saudi-Arabien, wo Frauen nur in Begleitung in Sportstadien dürfen und jährlich so viele Hinrichtungen vollstreckt werden wie nirgends sonst auf der Welt, um drei Millionen US-Dollar. Die Schweizer Fussball-Nati will im Frühjahr Testspiele in Katar austragen.

Es gibt andere Beispiele. Golf-Profi Rory Mcllroy (30), Nummer 2 der Welt, hat einem Turnier in Saudi-Arabien gerade aus moralischen Gründen eine Absage erteilt. Der Olympia-Boykott hat sich im Kalten Krieg gar als politisches Sanktionsmittel etabliert.

«Vor zehn Jahren wäre ich nach Katar gefahren»

Im Fussball fehlen diese Vorbilder bislang. Weil der beliebteste Sport der Welt immer noch so tut, als hätte er nichts mit Politik zu tun, könne die Augen schliessen und nebenher Milliarden scheffeln. Menschenrechte hin, Menschenrechte her.

Riku Riski, der finnische Stürmer, hat das lange mitgemacht. «Vor zehn Jahren wäre ich mit nach Katar gefahren», sagt er. Er hat in Ländern gespielt, die auf den Negativ-Ranglisten in Sachen Demokratie, Grundrechte oder Pressefreiheit weit unten rangieren. Doch das alles spielt eben auch keine Rolle, wenn es immer nur um das nächste Spiel, den nächsten Transfer geht. «Ich würde es als meine Entwicklung bezeichnen, dass ich diese Entscheidung jetzt getroffen habe.»

Kein Sport bildet weltweit die Leistungsgesellschaft so brutal ab. Ein schwaches Spiel bringt Profis und Trainern Kritik von Medien und Fans ein. Wer schlecht spielt, wird aussortiert, gefeuert, versetzt.

Mit 19 zog Riski nach Polen, danach folgten Klubs in Schweden, Norwegen, Schottland, wieder Norwegen. Die Nomaden-Biografie eines Fussballers, der gut genug ist, Profi zu werden, aber nicht gut genug, sich irgendwo festzubeissen. Seit zwei Jahren ist er zurück in Finnland.

EM wohl ohne Riski

«Es passiert immer wieder, dass jemand Entscheidungen für dich trifft. Dass du von einem Club eingekauft wirst, umziehst und versuchst, dir ein Leben dort aufzubauen. Und dann gibt es einen neuen Trainer oder du spielst nicht so gut und dann musst du wieder umziehen.»

Ein, zweimal sei ihm das passiert. «Kann halt schwierig sein», sagt Riski. «Vor allem, wenn du jung bist.» Etwas anderes als Fussball spielen hat er nie gelernt. Das ist wichtig, um die Tragweite seiner Entscheidung zu verstehen. Bereut hat Riski sie jedoch auch nach Finnlands historischer EM-Qualifikation nicht.

Die Gruppen-Auslosung ist durch, die Finnen werden im nächsten Sommer gegen Russland, Dänemark und Belgien antreten. Auf dem Platz stehen wird Riski dann wohl nicht. Aus dem Nationalteam verbannt wurde er zwar nicht – angerufen allerdings auch nicht mehr.

«Ich sehe Katar nicht als verpasste Chance. Mehr als eine Entscheidung, die ich mit mir selbst ausgemacht habe und das war's», sagt er. «Und ich glaube, das beeinflusst die Art und Weise, wie Dinge im Nationalteam gemacht werden und wie sie darüber nachdenken.» Für ihn mag es eine kleine Entscheidung gewesen sein. Für den Fussball war es eine grosse.

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