Oktober ist der Kreuzbandriss-Monat
Immer mehr Spiele, immer mehr Verletzte? SFV-Arzt klärt auf

Hat die Häufigkeit an schweren Verletzungen einen kausalen Zusammenhang mit dem immer volleren Spielplan, wie ihn viele Spieler kritisieren? SFV-Arzt Philipp Tscholl klärt auf.
Publiziert: 18.10.2024 um 18:47 Uhr
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Aktualisiert: 18.10.2024 um 19:21 Uhr
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Real-Star Dani Carvajal hat sich einen Kreuzbandriss zugezogen.
Foto: imago/DeFodi

Auf einen Blick

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Pascal RuckstuhlSport-Desk-Reporter

Der Terminkalender im Fussball-Business platzt aus allen Nähten. Und es hört nicht auf. «Zum Glück habe ich den perfekten Zeitpunkt gefunden, um aufzuhören. Da habe ich Glück gehabt», sagt Toni Kroos in seinem Podcast «Einfach mal Luppen», als er über die im Sommer 2025 stattfindende Klub-WM spricht. Diese findet nach der aktuellen Saison statt, aber nicht wie früher über zehn Tage, sondern erstmals über vier Wochen. Analog einer «normalen» WM und EM.

Die Fifa sagt mithilfe einer Studie zwar, dass die offizielle Anzahl an Pflichtspielen zuletzt nicht angestiegen ist. Doch mit der Kritik am rappelvollen Spielplan ist Kroos nicht alleine: Seit Jahren poltern Top-Stars und Trainer erfolglos gegen die konstant hohe Anzahl Spiele. Angenommen, Kroos hätte in der abgelaufenen Saison alle Spiele für die Madrilenen gemacht, wäre er über 70 Mal auf dem Platz gestanden.

ManCity-Star Rodri hat kürzlich ebenfalls über den dichten Spielplan gemotzt. Wenige Tage später hat er sich das Kreuzband gerissen. Die gleiche Verletzung haben in jüngerer Vergangenheit unter anderen David Alaba, Eder Militao (beide Real Madrid) oder Breel Embolo im letzten Jahr erlitten. Bremer (Juventus Turin), Zapata (Torino), Rodri und Real-Star Dani Carvajal sind die neusten Kreuzbandriss-Patienten aus den Topligen.

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Ex-Bayern-Boss gibt Spielern eine Mitschuld

Es hat nicht lange gedauert, bis Kritiker die Brücke zum rappelvollen Spielplan geschlagen haben: Es würde nur um Profit gehen und das auf Kosten der Gesundheit der Spieler, ertönte es aus dem Netz.

Der langjährige Bayern-Boss Karl-Heinz Rummenigge fand in dieser Woche im Interview mit dem «Kicker» klare Worte dazu und gibt den Spielern zumindest eine Mitverantwortung am Kalender: «In diese Falle haben sich die Spieler und ihre Berater selbst ein Stück hineinmanövriert. Indem sie immer mehr und immer höhere Gehälter fordern, zwingen sie die Klubs, immer höhere Einnahmen zu generieren. Und wodurch entstehen diese Einnahmen? Durch mehr Spiele.»

Das sagt die Statistik

Doch hat die Anzahl Spiele wirklich einen direkten Zusammenhang mit schweren Verletzungen? «Es gibt zwei und keine abschliessende Antwort darauf. Die statistische Antwort und die wissenschaftliche», sagt Arzt Philipp Tscholl vom Schweizer Fussballverband (SFV). «Statistisch gesehen sind die Kreuzbandrisse nicht mehr geworden. Wenn es Spieler trifft, die eine gewisse Bekanntheit aufweisen, erweckt das grösseres Aufsehen und wirkt, als trete die Verletzung plötzlich öfter auf.»

Weshalb Rodri und Co. sich in den letzten Tagen und Wochen schwer verletzt haben, hat einen einfachen Grund: Im Oktober entstehen die meisten Kreuzbandrisse. Tscholl: «Nach der Vorbereitung im Sommer gehts in den Ernstkämpfen plötzlich voll zur Sache, es kommt nochmals eine neue Intensität hinzu.» Zwar sei auch die Vorbereitung intensiv, doch wenn es ernst gelte, wirds happiger. «Man sagt, dass ein Match etwa der Intensität dreier Trainings entspricht.»

Es könnte dennoch an Überbelastung liegen

Was auffällt: Acht von zehn Kreuzbandrisse entstehen ohne Fremdeinwirkung. Hier kommt die wissenschaftliche Antwort ins Spiel. Tscholl: «Es gibt einige Indizien, die darauf hindeuten, dass eine Überlastung eines Bandes dazu führen könnte, dass ein Band reisst. Analog zum Ausdauersport, bei dem bei Überlastung der Knochen brechen kann. Doch das ist zum heutigen Zeitpunkt pure Hypothese.» Wahrscheinlicher seien Ursachen wie schlechter Rasen, schlechtes Schuhwerk oder das Wetter.

Eine ganz klare Antwort gibts dagegen bei Muskelverletzungen. Die seien sehr wohl auf den gedrängten Terminkalender zurückzuführen. Kroos hatte im EM-Viertelfinal seinen spanischen Gegenspieler Pedri gefoult und dem 21-jährigen Toptalent die nächste Verletzung in dessen noch junger Karriere zugefügt. Die Mehrheit von Pedris Verletzungen waren in der Vergangenheit muskulär bedingt.

«Fast unmöglich, dass ein Spieler sämtliche Spiele macht»

In seiner Durchbruch-Saison absolvierte Pedri als 18-Jähriger 72 Pflichtspiele – kein anderer Profi stand in der Saison 2020/21 öfter auf dem Platz. Es kam zur Überbelastung der Muskeln. Seither fiel der Spanier weitere achtmal wegen muskulärer Probleme aus. «Wenn man einmal eine Muskelverletzung hat, ist man in Zukunft viel anfälliger darauf», sagt Tscholl. Aus ärztlicher Sicht spiele die Rotation bei so vielen Spielen deshalb eine entscheidende Rolle.

«Wichtig ist, dass man mithilfe verschiedener Schnittstellen (Physiotherapeuten, Athletiktrainer, Anm. d. Red.) die optimale Leistungsfähigkeit der Profi-Fussballer eruiert und dementsprechende Einsatzzeiten gewährt. Mittlerweile ist es fast unmöglich, dass ein Spieler sämtliche Spiele machen kann.» Internationale Top-Klubs haben eine Vorreiterrolle in diesem Bereich und würden vermehrt auf genau diese Schnittstellen achten und ausbauen. Als Parade-Beispiele nennt Tscholl etwa Manchester City, den Klub von Nati-Star Manuel Akanji. Oder Real Madrid – Kroos' Ex-Klub.

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