Nati-Kommentator Sascha Ruefer offen wie nie
«Man hat mir öfters Gewalt angedroht»

Die einen nervt er, für die anderen ist er Kult. Nur kalt lässt Sascha Ruefer (45) niemanden. Hier erzählt er, was ihn menschlich verletzt. Und was der «Mann aus Sursee» mit Rassismus zu tun hat.
Publiziert: 12.11.2017 um 00:34 Uhr
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Aktualisiert: 01.10.2018 um 00:30 Uhr
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SRF-Kommentator Sascha Ruefer: «Man hat mir des Öfteren Gewalt angedroht.» Morddrohungen hätte es allerdings noch keine gegeben.
Foto: Toto Marti
Andreas Böni, Max Kern (Text) und Toto Marti (Fotos)

BLICK: Herr Ruefer, am Sonntag nerven Sie wieder über eine Million Menschen.
Sascha Ruefer:
Das glaube ich nicht. Weil sich die Nati qualifizieren wird. Und wenn sie Erfolg hat, kann der Kommentator gar nichts falsch machen. Dann spielt er keine Rolle mehr.

Wie viele Reaktionen bekommen Sie nach einer Sendung?
Das ist unterschiedlich. Und hängt immer von den Kanälen ab. Briefe oder E-Mails gibt es kaum mehr, dafür Einträge auf irgendwelchen sozialen Medien. Aber das interessiert mich nicht mehr sonderlich.

Nicht mehr?
Ja, nicht mehr. Wenn Du länger unterwegs bist, an einer WM zum Beispiel, der Stress und die Belastung hoch sind, kann’s durchaus vorkommen, dass Du nach Orientierung, nach Feedback suchst. Und dann landest Du auf Facebook und es macht Dich kaputt, was da an Respektlosigkeit und Beleidigung steht. Also habe ich die Notbremse gezogen.

Das heisst?
Ich habe mir nach der WM 2014 auf Anraten unseres damaligen Abteilungsleiters einen Coach genommen, der mir geholfen hat. Einzuordnen, welche Rückmeldungen und Meinungen wichtig sind, und welche nicht. Darum bin ich auf sozialen Netzwerken gar nicht mehr aktiv, auch weil sie viel weniger wichtig sind, als man uns tagtäglich weismachen will. Da hat sich eine Gesellschaft von Wutbürgern gebildet, die ohne Regeln des Anstands ihren Kommentar abgeben. Zu Beni Thurnheers Zeiten musstest Du einen Brief schreiben, standest mit deinem Namen zu deiner Meinung. Heute sind viele im Deckmantel der Anonymität unterwegs, Worte wie «Hurensohn» sind da harmlos. Früher hat mich das beschäftigt, heute ignoriere ich diese Beleidigungen. Jedes E-Mail, das die Leitplanken des Respekts erfüllt, beantworte ich gerne persönlich.

Bekamen Sie mal Mord-Drohungen?
Nein. Aber man hat mir des Öfteren Gewalt angedroht. Die Respektlosen unter den Fussballfans prusten sich gerne auf und markieren den Starken. Ich weiss das einzuschätzen.

Haben Sie die Polizei eingeschaltet?
Einmal musste ich, nachdem nach einem Spiel Bilder unseres Hauses und meine Wohnadresse im Internet kursierten – mit der Androhung von Gewalt. Fussball ist eine emotionale Angelegenheit, der Fan entsprechend aufgewühlt. Und manche lassen mit solchen Drohungen Dampf ab. Ich billige diese Art nicht, aber ich weiss, zu relativieren. Auch wenn ich hart kritisiert werde und drei Tage später ins Stadion gehe, kann ich normal durch die Fans gehen. Ohne von jemandem körperlich bedroht zu werden.

Wie geht Ihre Freundin damit um?
Vera ist Lehrerin und hat eine gute Menschenkenntnis. Sie liest die Sachen nicht, ist nicht auf sozialen Medien präsent. Die wichtigen Nati-Spiele schaut sie meist mit ihrem Vater. Ich bekomme aber von ihr selten bis nie Echo und wenn, dann nur zu meinem Kommentar. Da kann Sie sehr kritisch sein.

Harte Kritik prasselte auf Sie nieder, als Sie den Begriff «Corega-Tabs-Fraktion» brauchten und dies als Angriff auf die älteren Menschen verstanden wurde.
Das sind alte Geschichten. Aber ich weiss es noch, als ob es gestern gewesen wäre. Ich fuhr an die WM 1998, als junger Kommentator und bereitete mich auf Italien gegen Chile vor. Ich wollte eine andere Formulierung für «die älteren unter Ihnen werden sich noch erinnern» suchen und dann fiel mir das ein. Ich fands super lustig, wie man halt ist als Junger. Im gleichen Spiel sprach ich auch von der «Spaghetti-Hochburg», weil ich mir nicht bewusst war, welche Tragweite der TV-Kommentator hat. Als ich am anderen Tag den BLICK und die anderen Medien las, wusste ich dann, dass da ganz ein heftiger Wind geht. Dieser Wind hat mich erschlagen und aus der Bahn geworfen. Keiner liest gerne in der Zeitung, dass er nicht gut ist.

Als der BLICK noch die Kommentatoren bewertete, bekamen Sie auch mal die Note 1.
Das war bei einem Spiel des FC Luzern. Abgegeben von einem Reporter, der sich im Tennis auskennt, aber nie an einem Fussballspiel war. Ich konnte solche Sachen damals nie wirklich mit Distanz betrachten und war froh, Leute wie Radio Legende Fredy Hunkeler an meiner Seite zu haben. Noch heute tauschen wir uns regelmässig aus.

Ihr damaliger Sportchef Urs Leutert hat Sie einst vom Mikrofon verbannt, Sie galten als «enfant terrible» und standen vor der Entlassung...
Und er hat es trotzdem nicht getan. Urs Leutert war ein ganz wichtiger Mann in meinem Leben, eine grosse Persönlichkeit. Unser Verhältnis war nie einfach, aber es war wie mit dem strengen Lehrer, von dem Du glaubst, dass er immer an Dir rummeckert und nur Dich immer tadelt. Irgendwann merkst Du, dass er gut für Deine Entwicklung war. Ich habe Urs Leutert viel zu verdanken.

Sind all Ihre Gags vorbereitet? In gefühlt jedem dritten Spiel sprechen Sie von einer Stimmung «wie bei der Einweihung einer Kläranlage».
Die Häufigkeit der Sätze hängt halt manchmal damit zusammen, was Du im Kopf gespeichert hast. Es ist nicht bewusst.

Ausser der «Mann aus Sursee».
Haris Seferovic... Das ist die Ausnahme des Ganzen. Da bin ich trotzig. Da habe ich das Kind in mir wiederentdeckt. Erstmals sagte ich es am Ecuador-Match an der WM 2014. Da bekam ich SMS und E-Mail aus Sursee und Umgebung. Sie schrieben, ich solle damit aufhören. Das sei keiner aus Sursee, habe nicht lange da gespielt, nicht lange da gewohnt und sein Name höre auch noch mit -ic auf. Ich fand solche Rückmeldungen so was von anmassend, dass ich es danach immer wieder gesagt habe. Bis es irgendwie dazu gehört hat. Heute gehe ich vorsichtig mit dem Spruch um.

Seinen Vater kennen Sie gut, oder?
Ein wenig. Ich treffe ihn aber ab und zu zufällig in der Tiefgarage des Supermarkts.

Was machen Sie da? Ihre Freundin abholen?
Guter Scherz, nein, ich kaufe tatsächlich meist ein.

Die «Glückspost» wählt Sie zudem regelmässig unter die schönsten Männer der Schweiz.
Das ist wie das Kommentieren, subjektives Wahrnehmen. Aber ich bin lieber unter den 50 schönsten als unter den 50 hässlichsten.

Gehen Sie vor wichtigen Spielen früher ins Bett, um gut auszusehen im TV?
Ja. Ich finde, als Kommentator muss man sich heute wie ein Spitzensportler gut vorbereiten. Nur wenn Du Dich so verhältst, kannst du auch Leistung bringen. Dazu braucht man genug Schlaf.

Den Sie auch hatten, als Sie einst ein Spiel verpennten.
Ich habe nicht verpennt. Ich habe mir das Spiel auf Mittwoch in den Kalender eingetragen und ging davon aus, dass es in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag stattfindet. Ein Fehler, es fand von Dienstag auf Mittwoch statt...

2015 verschlief Ruefer das Frauen-WM-Spiel zwischen den USA und Deutschland – und liess sich danach von BLICK mit einem Wecker ablichten.
Foto: Toto Marti

Man hat gelacht über Sie und Sie haben sich mit einem Wecker ablichten lassen.
Ja, hätte ich denn irgendwelche Ausreden suchen sollen? Ich hab einen Fehler gemacht, da kann ich ja auch dazu stehen. Dass man mir mit Schadenfreude begegnet ist, ist normal. Ich selber konnte weniger darüber lachen, weil es überhaupt nicht meinen Ansprüchen an Professionalität entsprach. Heute checke ich Termine doppelt.

Was viele nicht wissen: Sie haben Hilfe während der Spiele. Sie haben einen Assistenten und Schiedsrichter begleiten ihre Spiele.
Das stimmt. Renato Schatz begleitet mich bei der Vorbereitung, checkt Statistiken, Werte und Archiv und liefert während dem Spiel wichtige Inputs. Und ein Schiedsrichter hört aufmerksam zu und meldet sich unmittelbar mit Einschätzungen zu kniffligen Situationen. Das Kommentieren ist anspruchsvoller geworden, weil die Zuschauer durch all die Medienkanäle viel besser und schneller informiert sind. Mit der Entwicklung musst Du Schritt halten, als Kommentator musst Du Dich weiterentwickeln. In Deutschland oder England werden Kommentatoren von mehreren Assistenten begleitet. Wir machen das bedachter. Meine Assistenten melden sich per iMessage.

Ihr grösster Versprecher?
Ich erinnere mich gerade zuletzt, dass ich bei Manchester City gegen Napoli die Italiener als Sizilianer bezeichnete... Ich habe mich sofort entschuldigt, als ich den Fehler bemerkt habe. Ich hatte es falsch im Kopf. Fehler passieren. Wir sind auch nur Menschen.

Ihr schönstes Länderspiel?
Die Weltmeisterschaften in Südafrika und Brasilien, weil man beim Reisen unglaublich viel lernt. Reisen wie nach Moldawien lernen dich Demut. Wir Schweizer leben im Paradies. Das wird Dir da bewusst.

Ihr schlimmstes Länderspiel?
Luxemburg vor 800 Zuschauern. 45 Minuten vorher rief ich unsere Produzentin an, ob hier wirklich ein Länderspiel stattfindet. Im Nebel und bei grosser Kälte. Erinnern Sie sich, wir assen am Abend zuvor ein Fondue.

Stimmt, ein Klumpen von Käse.
Das war der kulinarische Tiefpunkt aller Nati-Reisen.

Sind Sie eigentlich bald nicht mehr dabei? Haben Sie eigentlich Angst um Ihren Job?
Wegen No Billag?

Ja.
Ich beobachte auch, wie hitzig und emotional das Thema schon Wochen vor der Abstimmung besprochen wird. Und ich bin erstaunt, wie mit falschen und unwahren Argumenten für die No-Billag Initiative geworben wird. Es wäre angebracht, dass sich einige Politiker und Meinungsmacher bei allem Sonnen in der medialen Aufmerksamkeit dann und wann auch an Ihre Verantwortung erinnern. Vielen ist nicht bewusst, was ein Ja zur Initiative für die Schweiz bedeuten würde. Auch für den Sport. SRG ist mehr als nur irgendeine Sendung oder ein Kommentator, den man überflüssig findet. Natürlich darf und soll man über die SRG und ihren Auftrag diskutieren dürfen. Aber diese Diskussion soll sachlich sein, basierend auf Fakten und nicht auf Emotionen oder getrieben von Geltungsdrang. Ich bin überzeugt, dass Herr und Frau Schweizer wissen, was sie an der SRG haben und entsprechend abstimmen werden.

Liga A, Gruppe 1
Mannschaft
SP
TD
PT
1
Portugal
Portugal
6
8
14
2
Kroatien
Kroatien
6
0
8
3
Schottland
Schottland
6
-1
7
4
Polen
Polen
6
-7
4
Liga A, Gruppe 2
Mannschaft
SP
TD
PT
1
Frankreich
Frankreich
6
6
13
2
Italien
Italien
6
5
13
3
Belgien
Belgien
6
-3
4
4
Israel
Israel
6
-8
4
Liga A, Gruppe 3
Mannschaft
SP
TD
PT
1
Deutschland
Deutschland
6
14
14
2
Niederlande
Niederlande
6
6
9
3
Ungarn
Ungarn
6
-7
6
4
Bosnien und Herzegowina
Bosnien und Herzegowina
6
-13
2
Liga A, Gruppe 4
Mannschaft
SP
TD
PT
1
Spanien
Spanien
6
9
16
2
Dänemark
Dänemark
6
2
8
3
Serbien
Serbien
6
-3
6
4
Schweiz
Schweiz
6
-8
2
Liga B, Gruppe 1
Mannschaft
SP
TD
PT
1
Tschechien
Tschechien
6
1
11
2
Ukraine
Ukraine
6
0
8
3
Georgien
Georgien
6
1
7
4
Albanien
Albanien
6
-2
7
Liga B, Gruppe 2
Mannschaft
SP
TD
PT
1
England
England
6
13
15
2
Griechenland
Griechenland
6
7
15
3
Irland
Irland
6
-9
6
4
Finnland
Finnland
6
-11
0
Liga B, Gruppe 3
Mannschaft
SP
TD
PT
1
Norwegen
Norwegen
6
8
13
2
Österreich
Österreich
6
9
11
3
Slowenien
Slowenien
6
-2
8
4
Kasachstan
Kasachstan
6
-15
1
Liga B, Gruppe 4
Mannschaft
SP
TD
PT
1
Wales
Wales
6
5
12
2
Türkei
Türkei
6
3
11
3
Island
Island
6
-3
7
4
Montenegro
Montenegro
6
-5
3
Liga C, Gruppe 1
Mannschaft
SP
TD
PT
1
Schweden
Schweden
6
15
16
2
Slowakei
Slowakei
6
5
13
3
Estland
Estland
6
-6
4
4
Aserbaidschan
Aserbaidschan
6
-14
1
Liga C, Gruppe 2
Mannschaft
SP
TD
PT
1
Rumänien
Rumänien
6
15
18
2
Kosovo
Kosovo
6
3
12
3
Zypern
Zypern
6
-11
6
4
Litauen
Litauen
6
-7
0
Liga C, Gruppe 3
Mannschaft
SP
TD
PT
1
Nordirland
Nordirland
6
8
11
2
Bulgarien
Bulgarien
6
-3
9
3
Belarus
Belarus
6
-1
7
4
Luxemburg
Luxemburg
6
-4
3
Liga C, Gruppe 4
Mannschaft
SP
TD
PT
1
Nordmazedonien
Nordmazedonien
6
9
16
2
Armenien
Armenien
6
-1
7
3
Färöer
Färöer
6
-1
6
4
Lettland
Lettland
6
-7
4
Liga D, Gruppe 1
Mannschaft
SP
TD
PT
1
San Marino
San Marino
4
2
7
2
Gibraltar
Gibraltar
4
1
6
3
Liechtenstein
Liechtenstein
4
-3
2
Liga D, Gruppe 2
Mannschaft
SP
TD
PT
1
Moldawien
Moldawien
4
4
9
2
Malta
Malta
4
0
7
3
Andorra
Andorra
4
-4
1
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