Italiens Serie B ist Rumäniens Nati-Rückgrat
«So schlecht wie seit 50 Jahren nicht mehr!»

Der rumänische Fussball befindet sich in einem bemitleidenswerten Zustand. So schlecht sei die Nationalmannschaft seit den 70er-Jahren nicht mehr gewesen, sagt Journalist Costin Stucan.
Publiziert: 18.06.2023 um 16:01 Uhr
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Aktualisiert: 18.06.2023 um 17:57 Uhr
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Er ist einer der rumänischen Hoffnungsträger: Der erst 21-jährige Innenverteidiger Radu Dragusin (Nummer 3) von Seria-A-Aufsteiger Genoa im Kampf gegen Verdat Muriqi vom Kosovo.
Foto: keystone-sda.ch
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Alain KunzReporter Fussball

Es ist eine von den Namen her bescheidene Auswahl, die da am Montag versuchen will, in der Schweiz zu bestehen. Es hat zwar grosse Namen drin wie etwa Hagi, Moldovan oder Munteanu. Doch nur bei einem fliesst auch Blut des grossen gleichnamigen Fussballers in den Venen, bei Ianis Hagi (24), dem Sohn von Gheorghe Hagi (58). «Allerdings war er 14 Monate verletzt, kam erst Mitte Februar zurück und hatte seither bei den Glasgow Rangers vier ganz kurze Einsätze. Und doch sagte Nationaltrainer Edi Iordanescu auf die Frage, weshalb er im Kader stehe: ‹Weil er uns helfen kann.› Dass einer, der kein bisschen Rhythmus hat, unser grösster Hoffnungsträger ist, sagt alles über den Zustand unserer Mannschaft», sagt Costin Stucan, Investiv-Fussball-Journalist bei «Gazeta Sporturilor» und intimer Kenner der Szene.

6-mal in Folge die WM verpasst

Dabei hatte Rumänien Ende der 90er-Jahre mit Regisseur Hagi als Speerspitze eines der stärksten Teams der Welt. Trotz des 1:4 gegen die Schweiz schmiss die goldene Generation der Gelben Turnierfavorit Argentinien in den Achtelfinals der WM 1994 raus. In dieser Periode holte man sich die Tickets für drei Welt- und zwei Europameisterschaften in Folge. Seit 1998 verpasste man die WM aber gleich 6-mal! Nur für die EM konnte sich die Elf aus dem Karpatenstaat gelegentlich qualifizieren: 2000 und 2016.

Ohne Spieler in Topligen keine starke Auswahl

Auch Viorel Moldovan (50), bei uns nicht nur wegen seiner Tore für Xamax, GC und Servette berühmt geworden, sondern auch wegen der Schummelei in der Quizshow «Risiko», als ein Kandidat die Antwort («Das isch de Fuessballer Moldovan gsi») wusste, bevor die Frage gestellt war, skizziert ein düsteres Bild auf balkaninsight.com: «Schauen Sie nur, wo unsere Nationalspieler heute ihr Brot verdienen. Hat es einen in den fünf Topligen? Keinen! Viele spielen in Italien, aber bloss in der Serie B. In unserer Ära liefen wir in der Bundesliga auf, in der Primera Division, der Ligue 1 und in der Serie A. Ohne Söldner in Topligen hast du heutzutage in Europa keine Chance mehr auf eine kompetitive Elf. Deshalb sind wir das auch nicht mehr.»

Sieben kicken in der Serie B

Schaut man ganz genau hin, so gibt es neben Hagi junior bloss noch zwei weitere wirklich interessante Namen: der hochtalentierte Radu Dragusin (21), Innenverteidiger und an der Seite von Silvan Hefti mit Genoa eben in die Serie A zurückgekehrt. Er ist neben dem derzeit verletzten Serie-A-Mittelfeldspieler Razvan Marin (27, Empoli) mit 8 Millionen Marktwert der am höchsten kotierte Rumäne.

Gleich sieben kicken aktuell in der Serie B. Dazu je einer in Spaniens Segunda Division und in den Emiraten. Und Captain Nicolae Stanciu (30) in China. «Die Serie B ist das Rückgrat unseres Teams», sagt Stucan. Es tönt leicht höhnisch und perspektivlos gleichzeitig.

Kein Talent, kein Biss

Doch wie kam es zu diesem zahnlosen Zustand im Dracula-Land? Für Moldovan, beim letzten Länderspiel gegen Rumänien, dem 1:1 an der EM im Pariser Prinzenpark, Assistenztrainer von Anghel Iordanescu und heute arbeitslos, hat das Geld alles ruiniert. «Den Spielern geht es erst mal um ein hohes Salär. Der Vereinspräsident, der permanent auf Geldsuche ist, will einen talentierten Spieler deshalb nach gefühlt zwei guten Matches an einen Grossklub verkaufen. Dort verdient man bei uns 15'000 bis 20'000 Euro im Monat. Das ist sehr viel Geld! Um mehr zu verdienen, muss man in eine ausländische Topliga wechseln. Doch dazu fehlen Talent und Biss. Denn unsere Spieler sind von ihrer Mentalität her keine Kämpfer mehr, anders als in vielen Balkan-Staaten, und so bleiben sie lieber in ihren gemachten Nestern.»

Selbst Steaua und Dinamo Bukarest im Elend

Die hohen Saläre, so Moldovan, führten zu permanenter Geldnot. Und wenn dann ein Klub im Elend ist, gibt das eine das andere. Die Saläre werden erst mit monatelanger Verspätung gezahlt. Spieler wandern ab. So musste die Liga vorletzte Saison zwei klammen Klubs Punkte abziehen und sie dann durch die Saison seuchen: Gaz Metan Medias und Academica Clinceni. Am Ende stiegen sie ab. Wie auch das einst so stolze Dinamo Bukarest, das letzten Saison aber den direkten Wiederaufstieg schaffte. Selbst Armeesportverein Steaua Bukarest wurde in Wirren und Irrungen um einen Verkauf und einen Rechtestreit gespalten und lebt heute sowohl unter dem Namen FCSB Bukarest und Steaua Bukarest weiter.

Und doch: Mit einem Sieg in Luzern könnten Draculas Söhne vieles auf einen Schlag vergessen machen.

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