«Ich verstehe Behrami»
Barnetta knöpft sich Petkovic vor

Neu-Papi Tranquillo Barnetta (33) über Nati-Coach Vladimir Petkovic, den Doppeladler, seinen vermeintlichen Profi-Rücktritt und den Kurs des FC St. Gallen.
Publiziert: 24.08.2018 um 01:50 Uhr
|
Aktualisiert: 04.10.2018 um 20:10 Uhr
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Tranquillo Barnetta im grossen BLICK-Interview.
Foto: Anja Wurm
Michael Schifferle

Tranquillo Barnetta, Ihr letztes Länderspiel liegt vier Jahre zurück. Zurückgetreten sind Sie aus der Nati bis heute nicht.
Warum auch? Ich muss nicht aus einer Mannschaft zurücktreten, in der ich eh nicht mehr bin.

Hat sich Vladimir Petkovic nie bei Ihnen gemeldet?
Nein. Ich wurde einfach nicht mehr aufgeboten.

Bei Ihrem früheren Kumpel Valon Behrami hat er sich gemeldet und ihm am Telefon mitgeteilt, dass er ihn vorderhand nicht mehr aufbiete. Behrami war darüber nicht glücklich.
Dafür habe ich Verständnis. So sollte es eigentlich nicht laufen. Immerhin war Behrami an der WM zwischendurch sogar Captain. Da müsste man einen anderen Weg wählen.

Das waren noch Zeiten! Behrami und Barnetta 2012 gemeinsam im Nati-Dress.
Foto: freshfocus

Ein Vier-Augen-Gespräch?
Ja.

Ihre Meinung zum Doppeladler?
Es waren wohl nicht die besten Aktionen, weil sie am Schluss vieles überlagert haben. Aber so was kann in der Emotion passieren.

Petkovic hat auch in dieser Frage spärlich kommuniziert.
Nicht nur er. Generell habe ich vermisst, dass sich einer der Verantwortlichen hinstellt und nach aussen Klartext redet. In Sachen Doppeladler hätte man sofort glaubhaft vermitteln müssen, dass man das Thema ernst nimmt und intern seriös aufarbeitet. So plätscherte alles vor sich hin, und das Sportliche stand immer weniger im Zentrum. Unverzeihlich an einer WM.

Hat die Debatte den WM-Viertelfinal gekostet?
Es wäre zu einfach, das zu sagen. Es hängt an vielen Details.

Zum Beispiel?
Wenn die Nati über sich hinauswachsen und mal den Sprung in die Viertelfinals schaffen will, brauchts ein besonders gutes Klima im und ums Team.

Pektovic und Behrami haben das Heu nicht mehr auf derselben Bühne.
Foto: Toto Marti

Und Petkovic bringt dieses Klima nicht hin?
Zumindest bislang nicht.

2006 schafften Sie’s auch nicht.
Das stimmt. Wir hatten eine tolle Gruppendynamik, wie ich sie nachher nicht mehr erlebt habe. Die Barrage in der Türkei hat uns zusammengeschweisst. Aber die individuelle Klasse ist heute höher.

Muss Petkovic zurücktreten?
Da bin ich der falsche Ansprechpartner.

Dass Sie als Profi zurücktreten, wurde unter anderem von BLICK nach dem letzten Spiel der letzten Saison vermeldet – eine Falschmeldung.
Ich war an einem Anlass der Ronald-McDonald-Stiftung, als ich plötzlich sah, dass ich zurücktrete... Aber den Zeitpunkt bestimme ich dann schon selbst (schmunzelt).

Kommt er 2019, wenn Ihr Vertrag mit St. Gallen ausläuft? Sie haben in dieser Saison noch keine Super-League-Minute absolviert.
Es wäre zu früh, das schon zu sagen. Jetzt bin ich endlich wieder fit, habe meinen ersten Einsatz im Cup gehabt. Und ich bin sicher, dass ich der Mannschaft immer noch helfen kann.

Barnetta will diese Saison im FCSG-Dress noch einmal brillieren.
Foto: TOTO MARTI

Als Rechtsverteidiger, wie Sie’s in den letzten Saisonspielen mit mässigem Erfolg waren, eher nicht.
Nein, wohl nicht. Aber es gibt genug Positionen. Im Mittelfeld auf den Halbpositionen etwa.

Ihr neuer Trainer Peter Zeidler setzt auf hohes Pressing im 4–3–3, Tempofussball. Sind Sie dem noch gewachsen?
Auf alle Fälle. Klar renne ich nicht mehr so schnell wie früher. Aber genauso wichtig ist es, im Kopf schnell zu sein. Und das bin ich sicher noch.

Wie kommen Zeidlers Ideen bei Ihnen an?
Sie gefallen mir. Und ich bin sicher, dass wir sie umsetzen werden – das hat man teils auch schon gesehen. Und punktemässig gut gestartet sind wir ja (7 Punkte in 4 Spielen, d. Red.). Ein Dämpfer war das Europa-League-Aus gegen Sarpsborg.

Zum Team: Zehn Spieler kamen, vor allem junge Ausländer. Zehn gingen, darunter Eigengewächse. Ist das der richtige Weg?
Das sehen wir dann. Ich höre das ab und zu auch: Warum gebt ihr Junge ab und holt andere? Es braucht sicher Geduld. Aber als Spieler dürfen mich solche Entscheidungen ohnehin nicht beeinflussen.

Haben Sie vor, später beim FC St. Gallen mitzuarbeiten?
Nein. Zunächst mache ich nach der Karriere was anderes. Und Trainer werde ich ganz sicher nicht.

Zum Schluss: Sie sind seit rund zwei Monaten Vater eines Sohnes. Läufts wie gewünscht?Ja, er und die Mutter sind wohlauf. Und genug geschlafen habe ich bislang auch.

Zeidler und dessen Ideen gegenüber ist «Quillo» positiv gestimmt.
Foto: Keystone

*************

Persönlich:
Als 19-Jähriger verliess Tranquillo Barnetta (33) den FC St. Gallen – und entdeckte in Hannover, Leverkusen, Schalke, Frankfurt und Philadelphia die grosse Fussballwelt. Sein bestes Team? Das Leverkusener Team, in das er 2005 stiess, mit Stars wie Bernd Schneider oder Dimitar Berbatow. Oder jene Bayer-Truppe, die 2011 unter Jupp Heynckes («Mein bester Trainer») Zweiter wurde. Zehn Jahre gehörte er zur A-Nati – und nahm an fünf Endrunden teil. Der Höhepunkt? «Die WM 2006.» Sein letztes Länderspiel machte er im Oktober 2014 unter Petkovic in San Marino. Seit zwei Jahren ist er wieder Espe – bereut hat er’s nie. Auch wegen einer chronischen Kniereizung war er bislang nicht der Leistungsträger von einst – dafür hochgeschätzter Routinier und Ratgeber. Gleichwohl ist er überzeugt, dass er noch mal ein höheres Leistungsniveau erreicht. Er sagt lachend: «Wenn ich nicht dran glauben würde, wer sonst?»

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