Fussball-Legende Henchoz seziert die Nati
«Granit Xhaka repräsentiert die Schweiz nicht!»

«Der Doppeladler hat in der Nati nichts zu suchen!» Nati-Legende Stéphane Henchoz (43) seziert die Nati. Wieso der 72-fache Nati-Spieler nicht mehr an Petkovic glaubt. Warum er Xhaka nie als Captain sieht. Was er Shaqiri vorwirft.
Publiziert: 02.09.2018 um 02:00 Uhr
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Aktualisiert: 15.10.2018 um 13:04 Uhr
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Fussball-Legende Henchoz seziert die Nati.
Foto: Sven Thomann
Martin Arn, Andreas Böni (Interview) und Beni Soland (Fotos)

BLICK: Herr Henchoz, was sind Ihre Gedanken, wenn Sie heute ans WM-Aus gegen Schweden denken?
Stéphane Henchoz:
Ich bin immer noch extrem enttäuscht. Die Art und Weise war und ist unentschuldbar. Die Schweden waren ziemlich schwach. Klar, jeder sagt, sie seien gut organisiert. Aber was erwartet man in einem WM-Achtelfinal? Das spielt man nicht gegen San Marino. Die Schweiz hatte in 90 Minuten zwei Chancen. Es fehlte an allem: Rhythmus, Einsatz. An der Lust. Mir kam es vor, als wäre es ein gewöhnliches Meisterschaftsspiel. Nach dem Motto: Das nächste Spiel kommt dann in drei Tagen. Falsch! Die nächste Chance auf einen WM-Viertelfinal kommt in vier Jahren.

War die Doppeladler-Aktion im Spiel gegen Serbien ausschlag­gebend für diesen blutleeren ­Auftritt?
Sie stand sicher am Anfang. Wie der Verband das Ganze angegangen ist, war katastrophal! Präsident Gillié­ron, Generalsekretär Mie­scher und der Delegierte Sulser: Was haben die da eigentlich drei Wochen lang in Russland gemacht? Fast gar nichts! Ich hätte die Spieler und den ganzen Staff am Tag vor dem Spiel versammelt, hätte ihnen gesagt: Da kommt etwas Besonderes auf euch zu. Gerade auf diejenigen, die ihre Kindheit in Ex-Jugoslawien verbracht haben, deren Eltern geflüchtet sind. Ich hätte ihnen klar gesagt, dass man sich nicht zu unüberlegten Reaktionen hinreissen lassen darf. Man muss diesen jungen Menschen eintrichtern, dass sie nicht nur Fussballer sind, sondern dass sie auch die Schweiz repräsentieren, selbst wenn sie noch andere Wurzeln haben. Der Doppeladler hatte in diesem Spiel nichts zu suchen! Der Doppeladler hat in der Nati nichts zu suchen.

Auf Instagram gab es danach viele Bilder von Xhaka und Shaqiri mit dem Doppeladler. Xhaka hat sie sogar selber gepostet.
Schauen Sie, wenn ich nach der WM ein Interview von Generalsekretär Miescher lese, in dem er überlegt, ob man überhaupt noch Doppelbürger in der Nati will, dann hätte ich das als Xhaka oder Shaqiri vielleicht auch so gemacht. Wenn ich mich als junger Spieler unterstützt fühle durch die Vorgesetzten, dann mache ich so etwas nicht ein zweites Mal. Aber sie fühlten sich vom Verband nicht unterstützt.

Und Nati-Coach Vladimir Petkovic verliess Russland ohne Pressekonferenz.
Für mich bis heute unfassbar. Nach einem Turnier erwarte ich eine Bilanz: Sind wir zufrieden? Was war gut, was schlecht? Bei den Schweizern hatte ich das Gefühl, sie seien froh gewesen, endlich in die Ferien fahren zu können. So nach dem Motto: Okay, wir haben verloren, aber wenigstens können wir jetzt weg aus Russland …

Dabei sagten alle vor dem Turnier: Mit den Achtelfinals sei man diesmal nicht zufrieden …
… ich hatte einen ganz anderen Eindruck: Dass man zufrieden war und dass man froh war, ein paar Tage ­länger Ferien machen zu können. So haben sie gespielt gegen Schweden: Wie ein Team, das sich darauf vor­bereitet, am nächsten Tag heimzureisen.

Wenn Stephan Lichtsteiner in den kommenden Spielen nicht in der Startaufstellung ist, dann stellt sich die Frage, wer die Schweiz mit der Captainbinde am Arm aufs Feld führt.
Da kommen sportlich nur zwei in Frage: Yann Sommer oder Granit Xhaka. Wobei ich Sommer bevor­zugen würde.

Was spricht gegen Xhaka als Captain?
Sportlich nicht viel, er ist Stammspieler bei Arsenal. Aber ich glaube, der Captain muss die Schweizer Mannschaft und die Schweiz re­präsentieren. Das tut Xhaka nicht. Wissen Sie, was mich jeweils zur Weissglut bringt, und zwar nicht nur bei Xhaka?

Was denn?
Wenn die Hymne gespielt wird, würde ich einigen am liebsten eine Ohrfeige verpassen.

Weil sie nicht mitsingen?
Genau!

Was ist daran schlimm?
Einige Spieler sagen, wie gross ihre Lust sei, für die Schweiz zu spielen. Ich frage: Worin besteht diese Lust? Darin, dass sie sich auf einer grossen Bühne zeigen können? Weil sie nach der WM vielleicht einen besseren Vertrag in ihrem Klub erhalten oder den Verein wechseln können? Man muss die Hymne nicht schreien wie die Südamerikaner oder die Italiener. Aber bei denen sehe ich, dass sie richtig Lust haben, für ihr Land zu spielen. Diese Emotion, die geben die Spieler doch auch an die Fans weiter. Ich habe immer Gänsehaut, wenn die Hymne gespielt wird. Das ist einer der emotionalsten Momente bei einer WM.

Xhakas Schweigen in der Doppeladler-Affäre ist der falsche Weg
1:43
Am Ball mit Böni:Xhakas Schweigen in der Doppeladler-Affäre ist der falsche Weg

Haben Sie denn gesungen?
Natürlich. Und ich war nicht der Einzige!

Trainer Petkovic singt auch nicht!
Ist er ein Vorbild? Nein!

Ist er denn noch der ideale Coach für die Schweiz?
Wenn man die letzten Monate betrachtet, dann muss man sich diese Frage stellen. Ich habe jedenfalls Zweifel. Grosse Zweifel. Seine schlechte Art zu kommunizieren, ist ein Problem. Trainer auf dem Platz, das macht heute 30 Prozent aus. Der Rest ist das Verhalten daneben. Und da versagt er.

Meinen Sie die Ausbootung von Valon Behrami?
Der Trainer hat ihm sehr viel Ver­antwortung übertragen. Das kann dazu führen, dass ein Spieler zu viel Macht erhält. Behrami hatte in dieser Mannschaft zu viel Macht.

Weil er seine Freundin Lara Gut mit ins Hotel nahm und diese das Teamhotel erst vier Stunden vor dem Spiel gegen Costa Rica wieder verliess?
Behramis Auftreten hat mich gestört. Wenn du jemandem zu viel Macht gibst, dann wird er früher oder später die Linie übertreten. Behrami hat das getan. Ich glaube, Petkovic hat es erkannt und er musste sich fragen: Wer hat mehr Macht? Ich oder Behrami?

Henchoz: «Behrami hatte in dieser Mannschaft zu viel Macht.»
Foto: KEY

Wie wäre die Akzeptanz der Nati im Volk, wenn Petkovic weiterhin Coach bleibt und Xhaka sein Captain würde?
Das wäre ein wirkliches Problem für die Nati. Spieler wie Sommer, Lichtsteiner, Schär, welche die traditionelle Schweiz vertreten, könnten sich ausgeschlossen fühlen. Das ginge vermutlich auch vielen Schweizer Fans so, weil sie sich mit diesem Team nicht mehr identifizieren könnten. Die Schweizer Spieler ohne Migrationshintergrund und die Schweizer Fans, sie würden sich an den Rand gedrängt fühlen.

Sie waren auch einige Male Nati-Captain: Spielt es denn überhaupt eine Rolle, wer die Binde trägt?
Auf jeden Fall! Der Captain ist die Richtschnur. In jedem Training, in jedem Spiel. Der Captain definiert, wie in dieser Mannschaft gespielt, gesprochen, gelebt wird. Es gibt in jedem Team vier, fünf Schlüsselspieler. Der wichtigste ist der Captain. Wenn die anderen merken: ‹Ach, der nimmt es nicht so ernst, der trainiert mit halber Kraft›, dann machen die das auch so. Wenn du aber Spieler hast, die Disziplin und Einsatz vorleben, dann überträgt sich das auf die anderen. Und wenn einer nicht spurt, dann wird er zurechtgewiesen. Das sehe ich bei den Schweizern nicht. Dafür sind die Anforderungen in der Nati viel zu wenig hoch.

Wie meinen Sie das?
Im Ausland sind die Anforderungen um ein Vielfaches höher. Jeden Morgen, wenn ich ins Training von Liverpool ging, hatte ich ein flaues Gefühl im Magen. Ich wusste, wenn ich einen Fehlpass spiele, dann schreit ein Trainer quer über den Platz: ‹Reiss dich zusammen, du bist hier bei Liverpool!› Es kann also vorkommen, dass du am Montagmorgen schon beim zweiten Pass die Hose voll hast. Wenn du danach in die Schweiz kommst, merkst du, dass man hier mit viel weniger zufrieden ist: Ein Fehlpass im Training? Macht nichts. Nimmst du halt den nächsten Ball. Das merken doch Xhaka oder Shaqiri. Selbst wenn sie einmal nicht gut sind, sie werden im nächsten Länderspiel von Anfang an spielen. Schauen Sie sich die Franzosen an.

… die könnten drei Teams aufstellen …
… ich würde sagen, dort gibt es 60 Spieler, die in der Schweizer Nati einen Platz hätten: Benzema von Real war bei der WM nicht dabei. Lacazette von Arsenal nicht. Aymeric Laporte von Manchester City, der zweitteuerste Verteidiger der Welt – nicht dabei. Wenn Xhaka mit Arsenal trainiert, dann muss er dort ganz anders auftreten, als wenn er mit der Nati trainiert. In der Schweiz ist er ein Star. Bei Arsenal muss er sich in jedem Training aufdrängen.

Trauen Sie Shaqiri zu, dass er diesen Ehrgeiz bei Liverpool aufbringt?
Man wird sehen, ob er sich diesem Rhythmus anpassen kann. Er hatte seine Chance bei Bayern. Er hat sie nicht genutzt.

Woran ist er gescheitert?
Er hat nicht begriffen, was von ihm verlangt wurde. Er hat sein Training gemacht, sich ins Auto gesetzt, ist in die Schweiz gefahren, hat seine Kumpels besucht. Vielleicht noch einen Kebab gegessen. Dann ist er wieder zweieinhalb Stunden zurück nach München gefahren. Wenn du zweimal zweieinhalb Stunden Auto fährst, dann ist das sicher nicht gut für die Beinmuskulatur. Seine Muskelverletzungen waren nicht Pech. Pech hast du, wenn dich ein Gegenspieler verletzt, aber nicht, wenn du zu deinem Körper nicht Sorge trägst.

Henchoz über Shaqiris Zeit bei den Bayern: «Er hat nicht begriffen, was von ihm verlangt wurde.»
Foto: Reuters

Stephan Lichtsteiner ist 34, beim nächsten Turnier 36. Soll Petkovic auf ihn setzen?
Ich habe grössten Respekt vor ihm. Wenn einer so lange bei Juventus auf höchstem Niveau spielt, dann weisst du: Der hat nie auch nur fünf Prozent nachgelassen. Sonst wäre er längstens draussen gewesen. Er war jahrelang Stammspieler.

Braucht ihn die Nati noch?
Unbedingt! Er hat noch viel zu bieten. Vor dem Schweden-Spiel sagten alle: Lichtsteiner ist gesperrt, kein Problem, wir haben Lang, der ist ebenso gut. Ich sagte bereits damals: Vorsicht, Freunde. Lang ist gut gegen Thun und Lugano. Ich fühlte mich bestätigt. Nein, auf Lichtsteiner und seine Mentalität kann die Nati nicht verzichten.

***************

Persönlich: Stéphane Henchoz wurde 1974 in Billens im Kanton Fribourg geboren. Zwischen 1992 und 2008 spielte er für Xamax, den Hamburger SV, Blackburn, Liverpool, Celtic Glasgow und Wigan. Besonders bei Liverpool (135 Spiele zwischen 1999 und 2005) wurde er eine Abwehr-Legende. Für die Nati spielte er 72-mal, mehrfach auch als Captain. Er lief an den Europameisterschaften 1996 und 2004 auf. 2001 und 2002 wurde er zum besten Schweizer Spieler im Ausland gewählt. Heute ist Henchoz Assistenztrainer bei Xamax. Er ist verheiratet mit Catherine, die ihn schon 1995 nach Hamburg begleitete. Ihr Sohn Sonny ist 14 Jahre alt.

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