«Eine andere Welt»
Ex-Nati-Assi Cavin über seinen Job in den USA und den SFV

Mehr als zehn Jahre arbeitete Vincent Cavin für den SFV. 2021 wird der langjährige Video-Analyst Assistent von Murat Yakin, im Dezember folgte die Trennung. Nun heuerte der Waadtländer in den USA an, dem Gastgeber der WM 2026.
Publiziert: 27.02.2024 um 20:33 Uhr
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Aktualisiert: 27.02.2024 um 21:22 Uhr
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Foto: TOTO MARTI
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Christian FinkbeinerStv. Fussballchef

Zwei Monate ist es her, seit Vincent Cavin (48) nach seiner Trennung vom SFV bei US Soccer einen Vertrag als Assistent von Nationaltrainer Gregg Berhalter (50) unterschrieben hat. Die Meldung kam überraschend, auch für Cavin. «Ich war eher Richtung Lausanne orientiert.» Doch die Möglichkeit, beim Super-Ligisten als Sportdirektor per sofort zu beginnen, war nicht gegeben, weshalb sich Cavin für das Abenteuer USA entschied. «Es war der richtige Zeitpunkt, um so etwas in meinem Leben noch zu machen», sagt Cavin zu Blick. Seine drei älteren Kinder, die alle volljährig sind, leben in Zürich. Der Jüngste wohnt noch bei ihm und seiner Frau im Tessin.

Die ersten Eindrücke des ehemaligen Assistenten von Murat Yakin (49) sind positiv, auch wenn für ihn vieles neu ist. «Ausser Gregg habe ich niemanden gekannt. Die Mentalität der Amerikaner ist eine ganz andere. Und auch die das amerikanische Englisch ist gewöhnungsbedürftig», sagt Cavin mit einem Lachen. Dienstags bis donnerstags finden jeweils mehrstündige Sitzungen statt, an denen er per Zoom eingeschaltet wird. Sein erstes Fazit: «Sehr interessant und sehr professionell. Aber es ist eine andere Welt.»

Cavin pendelt zwischen Europa und den USA. Am Sonntag fliegt er nach Chicago, wo sich die Büros des US-Verbandes befinden. Der Waadtländer ist einer von drei Assistenten von Berhalter, dazu gibt es einen Goalie- und einen Standardsituation-Trainer sowie eine mehrköpfige Scouting-Abteilung. Die Aufgaben sind klar verteilt. Jeder der drei Assistenten ist für eine Spielphase verantwortlich: ohne Ball, mit Ball, Umschaltphase. Cavin kümmert sich um die Offensive. «Gregg ist sehr offen und schenkt seinen Mitarbeitern viel Vertrauen.»

Anderer Führungsstil, andere Mentalität

Auch die Spieler werden in die Prozesse einbezogen, viel mehr als in Europa. «Bei uns werden diese zwischen den Zusammenzügen in Ruhe gelassen.» In den USA sei der Kontakt viel intensiver, so Cavin. «Es wird auch über persönliche Befindlichkeiten gesprochen, was hier kaum der Fall ist.» Mehr als 40 potenzielle Nationalspieler sind in Europa unter Vertrag, eine der Aufgaben Cavins ist es, mit diesen im Kontakt zu sein und sie regelmässig zu beobachten.

Generell sei die Mentalität eine andere. «Die Amerikaner geben immer 100 Prozent.» Diese Auffassung würde – so empfindet es Cavin – in Europa etwas verloren gehen. «Viele wollen heute mit weniger, mehr erreichen.» Er hat auch andere Unterschiede festgestellt. Wenn man in der Schweiz 40 Minuten mit dem Bus fahren müsse, werde schon die Nase gerümpft. «In den USA fliegt man kurz für ein Testspiel fünf Stunden, das ist kein Problem.»

Die Nati als Vorbild für Berhalter

Erstmals Kontakt mit Berhalter hatte Cavin nach der WM 2018. «Er kam damals auf Vladimir Petkovic zu.» Die USA hatten die Endrunde in Russland verpasst, Berhalter übernahm. «Wir trafen ihn im Tessin, er zeigte sich sehr offen und interessiert.» Nicht nur die Erfolge, sondern auch die Art und Weise, wie die Nati auftrat und versuchte, dominanten Fussball zu spielen, sowie die multikulturelle Zusammensetzung der Nati hätten Berhalter imponiert.

Konkreter wurde der Kontakt im letzten Sommer, als klar war, dass Berhalter bis zur WM 2026 weitermachen würde. «Damals stand ich aber noch nicht zur Verfügung, weil ich die EM-Quali mit der Nati zu Ende bringen wollte.» Aus demselben Grund kam es im Oktober auch nicht zu einem Engagement bei Lausanne als Sportdirektor. Zwei Monate später war das Thema nach einem sportlichen Aufschwung im Spätherbst nicht mehr so aktuell. «Im Fussball ist vieles eine Frage des Timings», so Cavin.

«Muri muss Resultate liefern»

Auch wenn er gerne noch eine dritte EM mit der Nati miterlebt hätte, kam es im Dezember zur Trennung mit dem SFV, für den er mehr als zehn Jahre gearbeitet hat. «Es war die beste Lösung für alle.» Er habe mit Yakin oft diskutiert und sei teilweise auch anderer Meinung gewesen, die Diskussionen seien aber immer von Respekt geprägt gewesen. «Er war sehr nett und hat viele Kompromisse gemacht.» Vielleicht zu viele? «Muri war und ist unter Druck und muss Resultate liefern. Deswegen macht es Sinn, wenn er nun eine neue Person hat, die seine Idee teilt und ihn unterstützen kann.»

Seine Arbeit im SFV bleibt Cavin in bester Erinnerung. «Für mich war es eine wunderbare Zeit. Als Schweizer für die Nati zu arbeiten ist ein Privileg.» Er habe auch Glück gehabt und zur richtigen Zeit die richtigen Leute getroffen, «aber dafür habe ich auch viel gearbeitet». Erinnerungen hat er viele, spontan fallen ihm das EM-Quali-Spiel 2015 gegen Slowenien ein, als die Schweiz nach einem 0:2 dank drei Toren in den letzten zehn Minuten noch gewann, die beiden WM-Spiele gegen Serbien und natürlich der historische Sieg gegen Frankreich an der EM 2021 in Bukarest. «Dieser Spielverlauf wäre sogar für einen Spielfilm zu kitschig gewesen.»

WM-Quali 2022 als Highlight

Mindestens auf die gleiche Stufe wie den Viertelfinal-Einzug an der EM setzt Cavin auch die anschliessende direkte Qualifikation für die WM 2022 in Katar, als die Nati Europameister Italien ausschaltete. «Ich hatte damals eine etwas andere Rolle», so Cavin. Yakin übernahm, nachdem Petkovic sich nach Bordeaux verabschiedet hatte. Cavin, der die Abläufe und die Spieler aus dem Effeff kannte, rückte zum Assistenten auf und war gerade in den ersten Monaten der Yakin-Ära eine wichtige Bezugsperson für den Nati-Coach.

«Es ist schwierig, in einem anderen Beruf solche Emotionen und solches Adrenalin zu erleben», sagt Cavin. Nun hofft er auf ähnliche Glücksmomente – auf einem anderen Kontinent, in einem anderen Verband. Im Sommer findet in den USA die Copa America statt, ein Jahr später der Gold Cup. Und 2026 folgt mit der Heim-WM das Highlight. Spätestens dann dürfte Cavin auch das amerikanische Englisch keine Mühe mehr bereiten.

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