Dänische Goalie-Legende Peter Schmeichel im grossen Interview

«Shaqiri hat sich wie ein Kind benommen»

Wenn der Mann die Hotellobby betritt, wird es dunkel. Auch mit 55 Jahren ist Peter Schmeichel, einer der besten Torhüter aller Zeiten, eine beeindruckende Erscheinung. 90 Kilo verteilt auf 1,95 Meter, der Däne wirkt durchtrainiert, wie er es als Goalie von Manchester United war. Sein Händedruck ist fest, seine Aussagen bestimmt.

Vor dem Nati-Knüller der Schweiz in Dänemark spricht Schmeichel beim BLICK-Termin in Manchester Klartext – und sagt, warum er das Verhalten von Xherdan Shaqiri kindisch findet.

Peter Schmeichel, Sie waren beim Hinspiel der Schweiz gegen Dänemark im St. Jakob-Park. Nach 84 Minuten 3:0 für die Schweiz, am Ende 3:3. Wie erlebten Sie das Spiel?
Peter Schmeichel: Ein verrücktes Spiel. Es war nichts los, dann stehts plötzlich 3:0 für die Schweiz, und du fragst dich: Wie ist das jetzt genau passiert? Dann gibt es drei Tore in den letzten neun Minuten für Dänemark. So einen Kollaps eines Teams siehst du nicht oft auf diesem Level, schon gar nicht von einem Team wie der Schweiz.

Woran lag es?
Weil euer Trainer Granit Xhaka ausgewechselt hat. Er war überragend, hat das Spiel kontrolliert. Ich denke, der Trainer würde das nicht noch einmal machen. Zumal auch Stephan Lichtsteiner nicht auf dem Feld stand. Keiner auf dem Feld sagte mehr den anderen, was zu tun ist.

Aber Xhaka war verletzt.
Es sah auf dem Feld nicht so aus. Für Dänemark war diese Aufholjagd ein Wendepunkt, die Stimmung im Land hat sich komplett zum Positiven verändert.

Ihr Sohn Kasper steht bei Dänemark im Tor – wie sahen Sie ihn?
Das werde ich nicht kommentieren. Wir reden über alles, das Leben, den Umgang mit den Me­dien, Spiele – aber ich rede nie in der Öffentlichkeit über ihn. Zumal ich ihm keine Goalie-Tipps mehr geben kann, ich spielte zu einer anderen Zeit Fussball.

Ist es schwierig für ihn, mit dem Namen Schmeichel zu leben?
Natürlich war das schwierig. Aber heute sieht man ihn als eigene Persönlichkeit und nicht so sehr als meinen Sohn. Ich erzähle immer dieses Beispiel, was mir sehr wehtat. Vor einigen Jahren spielten Kasper und ich Golf zusammen. Ein älterer netter Mann kam zu uns. Er sagte mir: «Ich habe Ihre Karriere verfolgt, ich war ein riesiger Fan, Sie waren der Beste, den ich je sah.» Dann sagte er zu meinem Sohn: «Junger Mann, Sie sind auch ganz gut, aber Sie werden nie so wie Ihr Vater.» Ich erschrak extrem, der Vaterinstinkt in mir erwachte, und ich war verärgert über die Ignoranz. Mein Sohn ist ein Mensch. Hätte er einen anderen Namen, würde man ihn nur als englischen Meister mit Leicester und Top-Top-Spieler sehen.

Wie reagierten Sie?
Wütend. Ich sagte ihm, das sei unnötig und lächerlich und wa­rum er das tue. Ob er sich vorstellen könne, wie sich mein Sohn gerade fühle. Da ging der Mann, Ohrenzeugen waren schockiert.

Sahen Sie bei Ihrem Sohn als Kind, dass er Goalie wird?
Er war wie andere Jungs, spielte viel Fussball, zog gerne das Goalie-Leibchen an. Dann wollte er Feuerwehrmann sein, Doktor, Pilot – normale Dinge. Ich habe ihn nie in eine Richtung gedrängt. Ich war nie ein «Curling Parent», wie wir in Dänemark sagen.

«Curling-Eltern»?
Ja, zum Beispiel ein Vater, der seinem Sohn alle Hindernisse wegputzt, damit sein Weg schön gradlinig verläuft. Davon halte ich nichts. Ich kenne Leute, die ihre Kinder bis nach 20 überbehüten – aber das werden dann keine starken, unabhängigen Persönlichkeiten.

Kasper könnte problemlos bei Manchester United im Tor stehen, nicht?
Auch wenn ich es ohne Familienbonus und nur analytisch ansehe: Er gehört für mich zu den Top 5 der Premier League.

Ihr Enkel Max, der Sohn von Kasper, ist neun Jahre alt – wird er der nächste Schmeichel im Tor?
Heute denke ich eher nicht, er wird eher Ingenieur, er kreiert und baut lieber. Aber bei Noah, dem Sohn meiner Tochter, sehe ich mehr Talent – und er heisst auch Schmeichel. Vielleicht wird er der nächste.

Das Jahr 1992 schreibt eine der irrsten Fussball-Geschichten aller Zeiten. Dänemark ist nicht für die EM qualifiziert, rückt dann aber plötzlich nach, weil man Jugoslawien wegen des Balkankriegs ausschliesst. Die Legende sagt, dass man die dänischen Spieler an den verschiedenen Stränden dieser Welt einsammeln musste – bevor sie später sensationell mit einem 2:0 im Final gegen Deutschland Europameister wurden.

An welchem Strand lagen Sie, Peter?
Das ist mehr Legende als Wahrheit. Wir trainierten noch zu jener Zeit. Eines Mittags kam dann der Anruf, dass Jugoslawien ausgeschlossen sei – und am nächsten Tag startete das EM-Camp in Kopenhagen, als sei alles so geplant gewesen. Der Einzige, der nicht vorbereitet war, war der Trikotsponsor. Wir hatten keine Leibchen und mussten jene der U21 nehmen.

Eine andere Geschichte gabs um den Halbfinal gegen Holland. Der Teambus fuhr direkt zu McDonald’s.
Das ist eine dumme Story, aber sie klingt halt filmreif. Wenn du die Spieler abschirmst, ist das nicht gut an einem grossen Turnier. Ich bin überzeugt: Wenn du an einem Turnier so normal wie sonst lebst, kommt es besser und du hast glücklichere Spieler.

Die Familien sollten dabei sein?
Ja. Natürlich sollen sie nicht bei Training und Taktik dabei sein. Aber zum Beispiel beim Essen kann die Familie da sein. Und da komme ich auf unseren Trainer, Richard Möller Nielsen. Er glaubte auch an das, gab uns grosse Freiheiten in der Freizeitgestaltung. Er war schon unser U21-Trainer, da war er strikt: dann und dann ins Bett und so weiter. Aber als er Nationaltrainer war, waren wir erwachsen, und er hielt uns an der langen Leine.

Und nach dem Halbfinal-Sieg im Penaltyschiessen gegen Holland gab es eine grosse Party im Hotel.
Das war ein unglaublich dramatisches Spiel. Du hast alle Emotionen in dir drin nach der Final-Qualifikation, das Adrenalin. Da kannst Du nicht schlafen, ich konnte es nach keinem Spiel vor vier Uhr. Wir mussten es irgendwie verarbeiten – wir feierten und tranken ein paar Bier.

Ihr Mitspieler Fleming Poulsen erzählte einst, dass sie morgens um fünf Uhr am Piano sassen. Der Trainer soll gerade aufgestanden sein und erstaunt gefragt haben: «Ah, ihr seid auch Frühaufsteher...»
Ja, danach ging ich ins Bett (lacht). Er war kein bisschen wütend und das war das Erfolgsgeheimnis. Wenn du ein wütender, angespannter Coach bist, dann hast Du auch eine Nationalmannschaft, die nicht gerne im Camp ist. Aber eben, heute musst Du mehr aufpassen.

Inwiefern?
Social Media ist die grösste Falle heute. Es ist vielleicht das schlechteste, was Fussballern passieren konnte. Erstens, weil man etwas unüberlegtes schreiben kann. Zweitens, weil man Konversationen mit Leuten führen kann, die man nicht kennt. Drittens, weil man die ganzen Beschimpfungen liest. Und viertens, weil man dann noch überall gefilmt wird. Zu meiner Zeit war es zum Glück ganz anders.

Ein Beispiel?
1991 stand ich mit Bröndby im Uefa-Cup-Viertelfinal. Wir besiegten Torpedo Moskau im Penaltyschiessen. Die ganze Mannschaft feierte die Nacht hindurch in Kopenhagen, weil wir ein paar Tage kein Spiel hatten. Dann, morgens um zehn, gingen der Mann, der den entscheidenden Elfmeter verwandelte, und ich, der den entscheidenden hielt, direkt frühstücken. Wir sahen die Aushänge am Kiosk der Boulevardzeitungen. Auf dem einen war er, auf dem anderen ich. Wir gingen herein, kauften alle Zeitungen, die da lagen – und je ein Bier. Wir tranken es vor dem Kiosk. Profi-Fussballer! Morgens um 10! Die Leute um uns herum applaudierten, schauten aus dem Fenster, feierten uns. Aber es gab kein Video, keine Fotos, nichts. Heute würden dich alle filmen, auf Social Media stellen und man sagte: «Schau, wie unprofessionell!» Klar war es unprofessionell, aber wir wurden gefeiert. Heute würdest du gekreuzigt werden.

In den neunziger Jahren machte Peter Schmeichel 292 Liga-Spiele für Manchester United (177 Mal zu Null), gewann fünf Meister-Titel. Ein legendäres Spiel war dabei 1999 der Champions-League-Final gegen Bayern München, den man in der Nachspielzeit von 0:1 auf 2:1 drehte. Legendär ist die Geschichte mit Uefa-Präsident Lennart Johansson, Bayern-Legende Franz Beckenbauer und Ex-Tennis-Star Boris Becker. Sie müssen in der 90. Minute zusammen in den Lift, um pünktlich zur Siegerehrung unten zu sein.

Becker: «Als wir in den Aufzug stiegen, stand es 1:0 für Bayern. In der Aufzugkabine hörten wir Jubel. Wir dachten: Okay, der Abpfiff. Als wir kurze Zeit später durch die Katakomben in Richtung Rasen gingen, sahen wir die ManUtd-Spieler jubeln, die Bayern lagen am Boden. Ich dachte: Mist, doch der Ausgleich. Kurz darauf blinkt es an der Anzeigetafel: 1:2! Wir haben uns angeguckt und konnten es nicht glauben.»

War es das verrückteste Spiel Ihres Lebens?
Das ist neben dem EM-Final und dem ersten Premier-League-Titel mit Manchester und seinen fünf Millionen Fans schwer zu vergleichen. Ich habe mich oft mit Oliver Kahn darüber unterhalten. Er sagte, es sei einer der härtesten Momente seiner Karriere gewesen. Aber auch einer der besten, weil er am meisten gelernt habe. Wir haben zuletzt das 20-Jahre-Jubiläum dieses Spiels gefeiert – die halbe Bayern-Mannschaft kam, um den Tag zu feiern. Das ist berührend und sagt alles über diesen Klub aus, einfach nur grosse Klasse.

Schmeichel spielte mit legendären Spielern wie David Beckham, Ryan Giggs oder Eric Cantona. Der eine oder andere schrieb dann auch ein Buch mit pikanten Details. Wie Nicky Butt (44), ein ehemaliger Mittelfeldspieler. Er schrieb, dass er einen Löffel in heisses Teewasser hielt. Diesen wollte er Schmeichel, der gerade massiert wurde, auf den Rücken drücken. Dummerweise drehte sich Schmeichel in diesem Moment – und Butt erwischte dessen bestes Stück. So einen Schrei habe er noch nie gehört, so Butt.

Peter, liest man solche Dinge gerne als Ex-Mitspieler?
Ich finde einfach, dass es Dinge gibt, die sollten in der Kabine bleiben. Ich würde nie das Vertrauen anderer missbrauchen.

Roy Keane schrieb ein Buch und beschrieb eine Szene, in der Sie sich prügelten. Was war passiert?
Kein Kommentar. Aber er war ein sehr guter Spieler.

Reden wir noch über den Schweizer Fussball. Wie sehen Sie diesen?
Als ich ein junger Spieler war bei Bröndby, wäre ich sofort zu GC oder zu den Young Boys gewechselt. Heute ist das nicht mehr so. Fussball geht in eine andere Richtung, alles Geld geht zu den Top-Klubs der fünf grossen Ligen. Für kleine Ligen wie die Schweiz oder Dänemark wird es immer schwieriger. Und die Nationalmannschaften haben ein ähnliches Problem.

Weil bei Manchester United immer 75'000 kommen, egal, wie schlecht man steht?
Weil die Länder erst etwas leisten müssen, bevor die Fans kommen. Es strömen nicht einfach 45'000 ins Stadion. Und wenn Du als kleines Land Weltklassespieler hast, willst Du, dass Sie spielen. Wenn Du ein grosses Land bist und du hast jemanden wie Xherdan Shaqiri, der glaubt, nicht kommen zu müssen, dann sagst Du: «Okay, dann bleib zuhause.» Mir gefielen im Zusammenhang mit Shaqiris Absenz aber die Aussagen von Granit Xhaka.

Welche?
Ich habe gelesen, dass die Captain-Frage eine Rolle in Shaqiris Überlegungen spielte. Das wurde zwar inzwischen dementiert, trotzdem fand ich es stark, dass Xhaka sagte: Wenn Shaqiri die Captain-Binde haben will, soll er sie nehmen. Xhaka zeigte damit, dass er auch ohne Binde ein Anführer sein will – und gab den Druck an Shaqiri weiter. Das war brillant von ihm. Ganz im Gegensatz zu Shaqiri, der sich wie ein Kind benommen hat.

Wie sehen Sie ihn im Allgemeinen?
Er ist ein sehr guter Spieler, kann dribbeln, schiessen, hat schnelle Füsse. Du kannst nie genau sagen, was er als nächstes tut, das macht es für den Gegner sehr schwierig. Aber er machte einen seltsamen Wechsel zu Stoke. Er war brillant bei Basel, ging zu Bayern – super. Aber dann Stoke. Jetzt ist er bei Jürgen Klopp, er mag solche Spieler. Aber er ist nicht einer der elf wichtigen.

Gegen Dänemark und Irland fehlt er wegen eines Muskelfaserrisses.
Solche Dinge passieren oft nach solchen Diskussionen.

Wie sehen Sie die Polemik um Granit Xhaka als Captain bei Arsenal?
Meine Meinung ist: Xhaka hat es in den letzten 18 Monaten bei Arsenal sehr gut gemacht. Ich fand ihn sehr beeindruckend.

Wie sehen Sie die unsere Torhüter?
Yann Sommer ist einer der meist unterschätzten Torhüter Europas. Nicht der Grösste, aber wie der Fussball spielen kann. Nicht viele Torhüter können das.

Für Roman Bürki ist es hart, als Dortmund-Goalie keine Chance auf den Stammplatz zu haben...
Für einen Goalie ist es immer hart, die Nummer 2 zu sein.

Was erwarten Sie nächsten Samstag für ein Spiel in Kopenhagen?
Wie in Basel wird es eine enge Sache. Beide müssen gewinnen, wir etwas mehr nach dem 0:0 in Georgien. Ich hoffe, Dänemark gewinnt 1:0.

Gruppe A

		Mannschaft	SP	TD	PT
	1	Luxemburg	0	0	0
	1	Nordirland	0	0	0
	1	Slowakei	0	0	0
	1	Winner Ger/Ita	0	0	0

Gruppe B

		Mannschaft	SP	TD	PT
	1	Kosovo	0	0	0
	1	Slowenien	0	0	0
	1	Schweden	0	0	0
	1	Schweiz	0	0	0

Gruppe C

		Mannschaft	SP	TD	PT
	1	Belarus	0	0	0
	1	Griechenland	0	0	0
	1	Loser Por/Den	0	0	0
	1	Schottland	0	0	0

Gruppe D

		Mannschaft	SP	TD	PT
	1	Aserbaidschan	0	0	0
	1	Island	0	0	0
	1	Ukraine	0	0	0
	1	Winer Fra/Cro	0	0	0

Gruppe E

		Mannschaft	SP	TD	PT
	1	Bulgarien	0	0	0
	1	Georgien	0	0	0
	1	Türkei	0	0	0
	1	Winner Esp/Ned	0	0	0

Gruppe F

		Mannschaft	SP	TD	PT
	1	Armenien	0	0	0
	1	Ungarn	0	0	0
	1	Irland	0	0	0
	1	Winner Por/Den	0	0	0

Gruppe G

		Mannschaft	SP	TD	PT
	1	Finnland	0	0	0
	1	Litauen	0	0	0
	1	Loser Esp/Ned	0	0	0
	1	Malta	0	0	0
	1	Polen	0	0	0

Gruppe H

		Mannschaft	SP	TD	PT
	1	Österreich	0	0	0
	1	Bosnien und Herzegowina	0	0	0
	1	Zypern	0	0	0
	1	Rumänien	0	0	0
	1	San Marino	0	0	0

Gruppe I

		Mannschaft	SP	TD	PT
	1	Estland	0	0	0
	1	Israel	0	0	0
	1	Loser Ger/Ita	0	0	0
	1	Moldawien	0	0	0
	1	Norwegen	0	0	0

Gruppe J

		Mannschaft	SP	TD	PT
	1	Belgien	0	0	0
	1	Kasachstan	0	0	0
	1	Liechtenstein	0	0	0
	1	Nordmazedonien	0	0	0
	1	Wales	0	0	0

Gruppe K

		Mannschaft	SP	TD	PT
	1	Albanien	0	0	0
	1	Andorra	0	0	0
	1	England	0	0	0
	1	Lettland	0	0	0
	1	Serbien	0	0	0

Gruppe L

		Mannschaft	SP	TD	PT
	1	Tschechien	0	0	0
	1	Färöer	0	0	0
	1	Gibraltar	0	0	0
	1	Loser Fra/Cro	0	0	0
	1	Montenegro	0	0	0