BVB- und Nati-Goalie Kobel
«Deshalb sah ich bei GC keine Perspektiven»

Gregor Kobel ist 23, Dortmund-Star und der nächste Nati-Goalie der Schweiz. Hier spricht er über sein neues Leben beim BVB, den Konkurrenzkampf mit Hitz und Bürki, seine Träume mit der Nati. Und was ihn richtig nervt.
Publiziert: 01.11.2021 um 01:00 Uhr
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Aktualisiert: 01.11.2021 um 09:04 Uhr
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Gregor Kobel bedankt sich mit Mats Hummels (r.) bei den Fans.
Foto: freshfocus
Interview: Andreas Böni

Gregor Kobel, Sie sind nun seit knapp vier Monaten die Nummer 1 bei Borussia Dortmund. Was war die grösste Umstellung nach Ihren kleineren Bundesliga-Stationen Hoffenheim, Augsburg und Stuttgart?
Gregor Kobel:
Es ist eine andere Dimension, ich bin nun in einem Top-10-Verein der Fussballwelt. Aber die grösste Anpassung ist natürlich die Champions League, die Dreifach-Belastung, alle drei Tage ein Spiel, viel mehr Reisen – das kennt mein Körper noch nicht. Zuletzt hatte ich eine Sehnenansatzreizung im Knie, deshalb musste ich auf die Reise zur Nati leider verzichten. Diese höhere Belastung ist aber eine Umstellung, auf die ich mich immer gefreut habe. Dafür spielt man doch Fussball, ich bin megahappy.

Und wie haben Sie sich in der Stadt eingelebt?
Ganz gut, ich habe eine schöne Wohnung, aber vielleicht ziehe ich noch um. (Lacht) Ich habe ja langsam ein Alter, in dem ich mich auch in einem Haus wohlfühlen würde.

Wie bitte? Sie sind 23.
Im Fussball geht alles schneller, ein Stück weit sicher auch das Selbständigwerden. Ich bin alleine im Ausland, seit ich 16 bin, viele Kollegen haben in meinem Alter schon eine kleine Familie.

Werden Sie denn Vater?
Nein, nein. Das hat noch Zeit.

Sie halten Ihre Freundin komplett aus der Öffentlichkeit raus. Warum?
Im Moment mag ich es, wenn Privates privat bleibt.

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Wie sind Sie sportlich bisher zufrieden mit dem Saisonstart?
Es ist okay. Wir hätten noch öfter gewinnen können, haben einige Punkte liegen lassen. Aber wir sind in der Bundesliga vorne mit dabei, sind in der Champions League insgesamt gut unterwegs und im DFB-Pokal mit dabei. Es passt also.

Sie sind nach Dortmund gewechselt, um die Meisterschaft zu holen, oder?
Deutscher Meister zu werden, das ist natürlich ein Traum. Und Titel zu holen, das ist in Dortmund immer das Ziel. Aber jetzt siegen wir mal in allen Wettbewerben, so oft es geht, und dann schauen wir, wo wir landen. Durchs Reden hat noch niemand Titel gewonnen.

Ist es realistisch, die Bayern zu fordern diese Saison?
Wir arbeiten hart dafür.

Die Torhüter-Situation ist speziell mit Ihnen als Nummer 1, mit Marwin Hitz als Ersatzgoalie und dem langjährigen Stammspieler Roman Bürki als drittem Mann. Wie gehen Sie damit um?
Es ist eine spezielle Situation, dass wir drei Schweizer sind, klar. Und natürlich nicht einfach. Aber wir arbeiten alle zusammen und versuchen uns zu pushen.

Wie ist das Verhältnis unter Ihnen drei?
Positiv professionell ist die richtige Beschreibung, denke ich.

Wie geht der degradierte Roman Bürki mit Ihnen um?
Ich kann mich nicht beklagen. Professionell.

Und Hitz?
Zum dritten Mal: professionell.

Können Goalies Freunde sein?
Grundsätzlich schon. Ich würde Fabian Bredlow und Jens Grahl, mit denen ich bei Stuttgart war, als Freunde bezeichnen. Super Typen, super Menschen. Aber es ist halt als Goalie schon ein komisches Spiel: Auf der einen Seite bist du Konkurrent, auf der anderen Seite musst du dich gegenseitig pushen. Aber Lockerheit und eine gute Atmosphäre gehören halt auch dazu.

Ihr Vorbild als Kind war Oliver Kahn, oder?
Als kleiner Junge, ja. Mir imponierte seine Aggressivität, und ich sah viele Spiele von ihm. Aber dann habe ich in Augsburg auch mit Jens Lehmann gearbeitet, der dort Assistent war. Ich habe ihm viel zugehört, vieles gelernt.

Lehmann und Kahn, das war nicht gerade eine Liebesbeziehung. Weil der damalige Bundestrainer Jürgen Klinsmann vor der Heim-WM 2006 Kahn zur Nummer 2 machte und Lehmann ins Tor stellte.
Ich weiss das noch, als ob es gestern gewesen wäre. Im Fernsehen schaute ich mir alles dazu an, auch die ganzen Vergleiche, wer jetzt besser sei und so. Ein Stück Goalie-Geschichte.

Sie sind 2019 von Bundesligist Augsburg zu Stuttgart in die zweite Bundesliga gewechselt – obwohl Sie hätten bleiben können. Warum haben Sie diesen Schritt zurück gemacht?
Das war kein Schritt zurück. Also, erst mal wollten mich die Verantwortlichen von Stuttgart unbedingt. Dann war der VfB nach den eher kleineren Bundesligisten Hoffenheim und Augsburg eine andere Hausnummer: ein Traditionsverein, wo du vor 60 000 spielst und den Druck zu siegen hast, um aufzusteigen. Es war die perfekte Vorbereitung, auf Dortmund, wo du auch jedes Spiel gewinnen musst. Zudem war ich in einem Team, welches das Spiel machte, also konnte ich mich auch fussballerisch entwickeln. Stuttgart hat ein Umfeld geschaffen, in dem sich junge Spieler super weiterentwickeln können. Es war der perfekte Entscheid.

In Dortmund begann es gut für Sie, auch wenn die Mannschaft zu viele Gegentore erhält insgesamt.
Natürlich, und wir versuchen das zu ändern. Wir haben noch zu oft Drama drin. Aber wir spielen sehr offensiv, unsere Mentalität ist offensiv. Es macht ja auch Spass, zuzuschauen. Aber wissen Sie, was mich wirklich ärgert?

Sagen Sie es uns.
In den letzten Runden hat mir immer ein Schweizer einen reingehauen. Mal Andi Zeqiri von Augsburg, mal Denis Zakaria von Gladbach. Gerade Denis, der hat mir schon letztes Jahr einen reingemacht. Gefühlt sein einziges Saisontor, immer gegen mich. Das nervt brutal (lacht).

Warum haben Sie eigentlich immer innerhalb Deutschlands gewechselt?
Es war alles immer ein logischer Schritt. Mir gefallen Mentalität, Fussballbegeisterung und die Stadien. Es gibt für mich keinen Grund, in ein anderes Land zu gehen im Moment.

Reden wir über die Nati. Sie wurden erst nicht für die EM nominiert unter Vladimir Petkovic, waren nur die Nummer 4 hinter Yann Sommer, Jonas Omlin und Yvon Mvogo. Verstanden Sie das?
Ja, sicher, sowieso. Als Jonas sich dann verletzte, durfte ich ja trotzdem mitreisen. Und nun bin ich unter Murat Yakin ja die Nummer 2, das freut mich riesig. Aber schauen Sie: Die Nati ist in diesem Jahr noch nicht mein Fokus. Zum einen macht Yann seinen Job sehr gut. Zum zweiten muss ich mich hier an den neuen Rhythmus mit Meisterschaft und Champions League gewöhnen. Ich sehe das alles sehr entspannt.

Ihre Chance könnte nach der WM 2022 in Katar kommen, wenn Sommer entscheiden muss, ob er mit 34 aufhört in der Nati.
Das ist noch ein bisschen weit weg. Aber es ist sicher ein Traum und auch mein Ziel, irgendwann die Nummer 1 der Schweiz zu werden. Davon träumt man schon als kleiner Bub.

In Deutschland wurde von einem «überspannten Ehrgeizbogen» im Zusammenhang mit Ihnen geschrieben. Trifft das aus Ihrer Sicht zu?
Nein, ich denke nicht, dass ich übers Ziel hinausschiesse. Und ich arbeite inzwischen viel mit einem Mentaltrainer. Für einen Torhüter ist die mentale Seite eines Spiels sehr wichtig. Auch hier muss man sich ständig weiterentwickeln.

Wie helfen Ihnen die Gespräche?
Man wird reifer, lernt Dinge besser einzuordnen, es ist ein allgemeiner Prozess. Man spricht über Übungen, die man machen kann, oder Bücher, die man liest, um seinen Horizont zu erweitern.

Was lesen Sie im Moment?
Im Moment die Biografie von Rafael Nadal. Aber es können auch mal ganz andere Themen sein, zum Beispiel las ich auch «The Shoe Dog», die Biografie von Nike-Gründer Phil Knight.

Sie wuchsen stets in Zürich auf?
Als Baby war ich mal noch kurz in Davos, wo mein Vater ja Hockeyspieler neben Kloten und ZSC war. Aber ich erinnere mich nicht an seine Spiele. Nur, dass ich später mal nach einem Spiel mit ihm in die Kabine durfte und dort mit Arno Del Curto sprach, den er gut kennt. Sonst wuchs ich in Zürich auf.

Standen Sie schon als Kind im Tor?
Ja, sofort. Meine Mutter hatte Tennisstunden auf der Sportanlage Lengg, da sind Fussball- und Tennisplatz ganz nahe beisammen. Ich sah meine Schulfreunde kicken und wollte sofort auch. Das war mit 7, ich stand sofort im Tor. Und nach ein, zwei Jahren ging ich ja schon zu GC. Die brauchten einen Goalie bei den ganz Kleinen, per Zufall durfte ich hin und blieb. Obwohl meine ganze Familie FCZ-Fan ist.

Und Sie nicht?
Ich nicht. Ich war für GC. Aber Vater, Mutter, Onkel – alle für den FCZ.

Ihr Vater soll auch Ihr erster Goalie-Trainer gewesen sein.
Das würde ich jetzt nicht sagen, da konnte er mir nicht viel beibringen … (lacht) Nein, aber als Ex-Profi konnte er mir viel beibringen. Meinen Eltern war immer wichtig, dass wir uns viel bewegen, viel Sport machen, draussen sind. Ich spielte Fussball, Tennis, Eishockey, fuhr Ski und Snowboard. Papa sagte mir schnell, ich hätte im Fussball mehr Talent als im Eishockey. Und als Ex-Profi konnte er mir sagen, dass ich viel opfern muss für meinen Traum.

Zum Beispiel gingen Sie mit 16 ins Ausland, weil es bei GC keine Liebesgeschichte wurde. Warum?
Weil ich nicht wirklich eine Perspektive sah. Mir wurde vom Verein nicht aufgezeigt, dass man auf mich setzt oder auf mich baut. Ich war die Nummer 2 oder 3 in der U18 und keiner sagte: «Greg, wir finden dich gut, wir wollen mal, dass du hier Profi wirst.» Zu jenem Zeitpunkt kam Hoffenheim, sagte mir, man fände mich super und wolle mich in zwei Jahren in die erste Mannschaft einbauen. Man zeigte mir einen Plan auf – und es war die beste Entscheidung von mir, das zu machen. Mit 16 ins Ausland zu gehen, eine eigene Wohnung zu haben, selber zu waschen, selber zu kochen. Das machte mich früh reif, auf und neben dem Feld.

Ist es für Sie auch eine Genugtuung gegenüber GC, jetzt beim BVB im Tor zu stehen?
Nein, null Komma null. Ich machs am Schluss ja für mich.

Und heute trainieren Sie mit Erling Haaland, einem der besten Spieler der Welt und zukünftigem Topstar. Den hat man beim Trainingsmätchli auch lieber in der eigenen Mannschaft.
Im Gegenteil. Ich mag Herausforderungen. Erling darf immer gegen mich spielen. Ein geiler Stürmer. Unglaublich, was er drauf hat und wie weit er in seinem Alter schon ist. Schnell, stark im Abschluss, gross, kräftig. Wenn Du Dir einen Stürmer schnitzen müsstest, käme er dabei heraus. Und neben dem Feld ein guter Typ. Das macht riesig Spass. Schade, dass er uns aktuell fehlt.

Haben Sie schon Freunde beim BVB?
Wir verbringen viel Zeit auf dem Feld zusammen, daneben braucht es noch Zeit, um das aufzubauen.

Wer sind Ihre besten Freunde sonst?
Schon der eine oder andere aus der Jugend. Und in Deutschland ist es einer, mit dem ich in Hoffenheim in meiner ersten WG wohnte. Er spielt heute bei Mannheim in der dritten Liga.

Mit 23 haben Sie schon vier Bundesliga-Stationen hinter sich. Was hat Gregor Kobel in zehn Jahren erreicht?
Keine Ahnung, aber ich hoffe, da kommen schon noch ein paar Titel dazu. Der erste Traum wäre natürlich die deutsche Meisterschaft.

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