BLICK: Herr Wiese, waren Sie heute schon im Fitnessstudio?
Tim Wiese: Klar! Ich bin gerade nach Hause gekommen.
Wie oft besuchen Sie die Folterkammer pro Woche?
Fünf Mal. Meistens trainiere ich eineinhalb Stunden. Danach gehe ich noch zwanzig Minuten in die Sauna, um einige Extra-Kalorien zu verbrennen.
Ein lautes Pfannen-Geklapper ist im Hintergrund zu hören.
Kochen Sie gerade?
Oh ja, ich würze gerade mein Filetsteak.
Wie viele Gramm dürfens denn sein?
300 Gramm. Die übliche Portion, die ich vor und nach dem Training und zum Abendessen zu mir nehme. Das ganze Essen ist teuer, aber notwendig. Ich gebe meinem Körper nur das Beste vom Besten.
Wie viel muss man futtern, um in der kurzen Zeit ein solches Muskelpaket zu werden?
Ich trainiere seit zwei Jahren und habe 40 Kilogramm aufgebaut. Heute wiege ich etwa 129 Kilo. Ein Ernährungs- und Trainingsberater hilft mir dabei. Wenn ich was mache, dann extrem.
Heisst beim Essen?
Im Moment definiere ich meinen Körper gerade, heisst, ich esse während der Woche vor allem Eiweiss und gute Fette. Am Wochenende haue ich dann Kohlenhydrate rein. In der Aufbauphase ass ich täglich 6000 bis 7000 Kalorien. Etwa ein Kilogramm Reis und 900 Gramm Poulet. Dazu zahlreiche Eiweiss- und Kohlenhydrate-Shakes. So gings ziemlich schnell. Die Ernährung ist das Wichtigste beim Bodybuilding. Training allein bringt gar nichts.
Viel essen? Es gibt Schlimmeres.
Viel zu essen ist das Härteste am ganzen Sport. Wenn ich von Übergewichtigen höre, dass es schwierig sei abzunehmen, sage ich immer: Gewicht aufzubauen ist viel härter. Die Kunst ist es, gute Masse aufzubauen. Ab Herbst will ich mich auf 130 bis 140 Kilogramm aufbauen. Das ist das Ziel.
Anabolika würden das Ganze noch mehr beschleunigen.
Davon lasse ich die Finger! Ich habe meinen Körper mit eiserner Disziplin aufgebaut. Meine Gene kamen mir da zugute.
Wie kamen Sie auf die Idee, einen solchen Monster-Körper aufzubauen?
Einen muskulösen Körper zu haben, gefiel mir bereits als Teenager. Irgendwann hatte ich neben dem Fussball einfach keine Zeit mehr. Nach meinem Aus bei Hoffenheim wollte ich dann fit bleiben und realisierte, dass ich ziemlich schnell Fortschritte mache. Und so machte ich immer weiter und weiter.
Kann es sein, dass Sie versucht haben, mit dem Schmerz im Fitnessstudio den Schmerz über Ihr Out im Profi-Fussball zu überdecken?
Zu Beginn war das sicher so. Doch ich kam ziemlich schnell mit dem Karriereende klar. Ich weiss, dass ich eine Weltklasse-Karriere hatte, irgendwann kam es dann so. Ich kann damit leben und bin mit mir im Reinen. Was soll ich mich aufregen? Ich bin gesund, mir geht es finanziell gut, ich bin zufrieden mit meinem Leben. Der Schmerz gehört beim Training einfach dazu. Erst wenn es schmerzt, macht man Fortschritte.
Sie haben mit dem Fussball also abgeschlossen?
Mein letztes Spiel als Profi ist jetzt zwei Jahre her. Ich weiss, dass es kein Zurück gibt. Ich habe mich damit abgefunden.
Schauen Sie sich überhaupt noch Spiele an?
Klar! Aber es kribbelt dabei nicht mehr.
Hätten Sie es noch drauf?
Aktuell wäre ich sicher zu schwer dafür. Ich müsste etwa auf 100 Kilogramm runter. Wenn ich mich wieder fit machen und ins Torwarttraining einsteigen würde, wäre ich immer noch einer der besten Torhüter in der Bundesliga. Ich war nicht umsonst so lange einer der besten in Deutschland. Die Explosivität, die ich auf den kurzen Strecken hatte, sehe ich heute bei fast keinem anderen Torwart.
Was halten Sie von unseren vier Schweizer Torhütern in der Bundesliga?
Benaglio hat sich durchgesetzt. Sommer ist auch kein schlechter, ich weiss nur nicht, ob seine Grösse optimal ist. Aber er gefällt mir ganz gut. Auch Bürki macht seine Sache gut, auch wenn er zuletzt einen Lapsus drin hatte. Aber das passiert jedem. Und bei Hitz ist es schade, dass er öfters verletzt ausfällt. Entscheidend bei den Jungen ist vor allem, dass sie erst beweisen müssen, ob sie sich aus einer schlechten Phase wieder rauskämpfen können.
Das haben Sie nach Ihrem Karriereende getan. Sie haben sich dabei neu erfunden. Wohin führt der Weg des neuen Tim Wiese?
Zufrieden bin ich mit meinem Körper jedenfalls noch nicht. Wenn man zufrieden ist, hört man auf, besser zu werden. Meine Zukunft ist noch in den Sternen. Bodybuilding oder Wrestling sind sicher zwei spannende Optionen.
Was reizt Sie am Wrestling?
Ich war schon als Junge fasziniert vom Wrestling. In den USA wird dieser Sport vor über 80 000 Zuschauern durchgeführt. Das ist schon geil! Allein als ich in Frankfurt auftrat, war es schon heftig. Die Zuschauer sind bereits durchgedreht, als ich in den Ring stieg. Wer sich das Rampenlicht einmal gewohnt ist, vermisst es irgendwie auch.
Am 18. April macht die Wrestling-Show in Zürich Halt. Wird man Sie da sehen?
Das wird sich noch zeigen. Ihr habt mit Cesaro ja einen Schweizer Profi-Wrestler! Ein cooler Typ. Umhauen würde ich ihn aber trotzdem!
Sie zögern noch, ob Sie beim Wrestling einsteigen sollen. Haben Sie Angst um Ihren Ruf?
Wieso? Seit ich diesen Körper aufgebaut habe, erhalte ich mehr Zuspruch als noch als Fussballer! Was andere über mich denken, ist mir sowieso scheissegal. Es kam noch nie jemand zu mir und sagte mir ins Gesicht, dass er ein Problem mit meinem neuen Aussehen habe. Am Ende meckern nur diejenigen, die so was selber nicht auf die Reihe kriegen, weil sie zu faul dazu sind.
Was sagt denn Ihre Frau zu ihrem neuen Ehemann?
Sie unterstützt mich und bekocht mich wunderbar. Und sind wir ehrlich: Eine Frau bevorzugt doch einen gut gebauten Mann an ihrer Seite, als so einen Typen mit Bauch, der nur zu Hause auf dem Sofa rumliegt. Sonst hätte die Frau ja einen Dachschaden.