Das Interesse an einem Zivilrechtsfall vor dem Regionalgericht Bern-Mittelland, dem Jonas Stuber als Präsident vorsteht, ist nicht riesig. Gerade mal zwei Journalisten haben sich für die öffentliche Hauptverhandlung im Gerichtssaal 21 angemeldet. Warum auch sollte das anders sein? Es geht ja nicht um Mord und Totschlag. Es geht nicht um zig Millionen. Aber doch um viel Geld. Aber vor allem: Um Geld, das wegen des Erfolgs von Nati-Captain Granit Xhaka fliesst.
Worum es im Detail geht? Es ist üblich, dass im Beratervertrag ein Prozentsatz des Lohns eines Fussballers für die Dienste des Agenten festgesetzt wird. Im Fall von Xhaka waren das wohl 7 Prozent, die an seinen damaligen Berater André Gross gingen, der einst auch den deutschen Ex-Bundestrainer Jürgen Klinsmann zu seinen Kunden zählen durfte. So weit, so gut und unbestritten.
Berater bezahlte Papa Xhaka
Doch nun wirds verzwickt. Denn es geht um eine Zusatzvereinbarung, die Granit, sein Vater Ragip und Gross getroffen haben sollen. Sie besagt, dass die Hälfte des Betrags an den Herrn Papa geht. Fast zehn Jahre lang zahlt Gross. Doch als der Nati-Captain dem Berner Fürsprecher im Juli 2019 mitteilt, dass er nicht gedenke, weiter mit ihm zusammenzuarbeiten, weil er mit ihm nicht mehr zufrieden sei, stellt dieser die Zahlungen per sofort ein. Allerdings kann der Vertrag mit Gross erst 2020 aufgelöst werden, und so klagt Ragip nun auf knapp eine Million Franken aus dieser Vereinbarung für die Jahre 2019 und 2020. Denn Granit leistete die Zahlungen an Gross vertragsgemäss weiter.
Doch weshalb soll Ragip Anspruch auf die Hälfte des Beraterhonorars haben? Weil, und das versuchte die Klägerseite dezidiert aufzuzeigen, Ragip enorm viel geleistet habe, um Granit zu unterstützen. So sei er bei allen Transfers dabei gewesen. Einzig, als es drum ging, die Verträge nochmals zu prüfen, soll er laut Xhaka-Anwalt Michael Noth das Feld Gross überlassen haben. «Weil er über keine juristische Erfahrung verfügt und kein Englisch spricht», so Noth.
Der Anwalt des Ex-Beraters hingegen wirft Papa Xhaka vor, Geld fürs «Nichtstun» zu wollen: «Es ist einzig das Verdienst des Beklagten, dass Granit und Bruder Taulant eine so erfolgreiche Karriere haben.» Gleichzeitig wird Papa Xhaka vorgeworfen, nie gearbeitet zu haben. «Er war nur Vertrauensperson. Vom Kläger her kam nichts, er war nur in seiner Funktion als Vater da.» Und weiter: «Der Kläger war als Mitläufer dabei, kannte daher ein paar Leute. Er hatte weder Markt- noch Fussballkenntnisse.»
Vorwürfe, die Noth heftig bestreitet, indem er der Gegenpartei «Respektlosigkeit» vorwirft: «Der Kläger hat sein Leben den Karrieren seiner Söhne gewidmet. Bestes Beispiel: Als Granit nach Gladbach zog, gab Ragip seinen Gärtner-Beruf auf, um mit ihm dort zu wohnen und ihn zu unterstützen!» Noth nennt weitere Beispiele, weshalb diesem die Hälfte des Beraterhonorars zustehe: «Es gab dank Ragips Bemühungen ganz viele Klubs, bei denen Granit hätte Fussball spielen können. Er führte Gespräche mit Inter Mailand, der AC Mailand, Atletico Madrid und so weiter. Ragip reiste auf seine Kosten in diese Städte. Das war auch Arbeit.»
Alles klar also? Nein. Denn dieser «Zusatzvereinbarung» fehlt die Schriftlichkeit. Und weil es viel schwieriger ist, etwas zu beweisen, das nicht schriftlich festgehalten ist, geht es im Gerichtssaal 21 vor dem Regionalgericht munter hin und her. Klar: Zwar muss eine solche Vereinbarung nicht schriftlich erfolgen, um rechtsgültig zu sein, nur ist es dann weit problematischer, den Beweis zu erbringen, dass eine solche Vereinbarung bestand.
«Niemand zahlt freiwillig Hunderttausende von Franken»
Die Klägerseite versucht es so: Sie stellt sich auf den Standpunkt, dass kein normaler und zurechnungsfähiger Mensch über den Zeitraum von fast zehn Jahren solche Zahlungen leisten würde, sollten sie nicht geschuldet sein. Dafür gebe es laut Noth Indizien. «Der Fünfzig-fünfzig-Deal wurde von Anfang an gelebt. Der Beklagte überwies jahrelang die Gelder an den Kläger. Niemand zahlt freiwillig Hunderttausende von Franken.»
Dass Gross mit dem Halbe-halbe-Deal offenbar einverstanden war, will Noth mit Korrespondenz zwischen Gross und Granit beweisen: «Wie sieht es eigentlich mit Papas und deiner Provision aus?», fragte der heutige Arsenal-Star seinen damaligen Vertrauten und Berater. Der Beklagte antwortete daraufhin: «3.5 + 3.5 %. Mit deinem Lohn wird’s halt mehr.» Auf die Frage Xhakas, was das genau bedeutet, antwortet dieser: «Um die 200k+++ pro Nase.»
Gross: Zahlungen waren freiwillig
Der Anwalt von Gross kontert, dass weder ein schriftlicher Vertrag abgeschlossen wurde, noch ein mündlicher bestehe. Die Zahlungen von Hunderttausenden von Franken seien rein freiwillig und aus Goodwill geleistet worden. Und weil die Vertragsauflösung zudem unfair gewesen sei, seien die Zahlungen auch nicht fortgesetzt worden. «Der Beklagte hatte nie Anzeichen erhalten, dass Granit oder die Familie nicht zufrieden gewesen wäre», sagt der Anwalt von Gross.
Ganz anders sehen das natürlich Ragip und Noth. Gross habe sich kaum mehr um Granit bemüht. So sei er nur zwei, drei Mal in London gewesen. «In einer Zeit, die für Xhaka sehr wichtig war, nämlich auf dem Karrierehöhepunkt, bemühte sich der Beklagte kaum um Xhaka. Letztlich führte das fehlende Engagement auch zur Vertragsauflösung.»
Ein Vergleich kommt vor dem Regionalgericht nicht zustande. Die Parteien kommen aber überein, zu versuchen, sich aussergerichtlich zu treffen. So wird das Verfahren bis Ende März sistiert.