Renzetti an Corona erkrankt
«Dann fährst du in ein dunkles Loch»

Lugano-Präsident Angelo Renzetti ist 67, Diabetiker, hat Schlafapnoe und ist Covid-19-positiv. Ein Hochrisiko-Patient, der aus dem Spital über Todesängste erzählt. Ohne seinen Humor verloren zu haben.
Publiziert: 25.10.2020 um 09:12 Uhr
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Aktualisiert: 28.10.2020 um 22:33 Uhr
  • Renzetti konnte sich kaum noch bewegen
  • Der Diabetiker musste mit Blaulicht ins Spital
  • Er spricht über die Lösung Sergio Ermotti
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Lugano-Präsident Angelo Renzetti (67) ist positiv auf Corona getestet worden.
Foto: freshfocus
Alain Kunz

Lugano-Präsident Angelo Renzetti ist einer, der üblicherweise per Handy immer und unkompliziert erreichbar ist. Doch dieses Mal fruchten x Versuche während dreier Tage nichts. Erst am Donnerstagabend erreicht ihn SonntagsBlick am Telefon. Seine Stimme ist leise. Er wirkt extrem müde. Wie es gehe, wollen wir wissen. Es gehe, sagt er. Man spürt: Das Sprechen fällt ihm schwer. Die ganze Sache habe sich verkompliziert. Er sei nun im Spital, Abteilung Covid. Aber sie hätten alles unter Kontrolle. Wir wollen ihn nicht weiter stören. Wir verabreden ein Interview für Freitagmorgen.

BLICK: Guten Morgen Angelo, wie fühlen Sie sich heute?
Angelo Renzetti: Es geht mir besser. Gestern konnte ich das nicht von mir behaupten.

Wann haben Sie erstmals Symptome gehabt?
Ich war bis letzten Sonntag in Italien. Vier Tage in Pescara. Am Sonntagabend hatte ich dann zu Hause Schüttelfrost. Am anderen Morgen habe ich wohl ge­arbeitet, hatte diese Probleme aber immer noch. Deshalb habe ich mich dann in der Klinik Ars Medica in Gravesano einem Covid-19-Test unterzogen. Das Resultat war positiv.

Aber die haben Sie nicht in der Klinik behalten?
Nein. Sie haben mich nach Hause geschickt und mir ein Überwachungsset mitgegeben, mit dem sie meinen Blutdruck, den Sauerstoff et cetera überwachen konnten. Alles schien unter Kontrolle zu sein. Einzig die Kraft fehlte. Aber es wurde nicht besser. Im Gegenteil. Ich sprach mit meinem Arzt. Und der sagte, ich solle unverzüglich ins Spital. Ich wurde dann notfallmässig im Rettungswagen in die Covid-Abteilung des Spitals Moncucco gefahren. Ich konnte mich ja kaum mehr bewegen.

Wie äusserte sich die Verschlechterung?
Ich konnte kaum mehr gehen, derart schwach war ich. Ich musste mich an der Mauer abstützen, um ins Badezimmer zu kommen.

Das tönt dramatisch.
War es auch, denke ich. Es ist alles andere als schön, wenn man für nichts mehr Kraft hat. Nicht mal zum Sprechen. Dann geht es einem richtig schlecht.

Mit der Atmung hatten Sie keine Mühe?
Nein, das war unter Kontrolle. Mein Problem ist, dass ich ein starker Diabetiker bin. Das hat nicht geholfen … Aber ich nehme dann sofort die positiven Dinge. Zum Beispiel, dass ich nicht rauche.

Wie haben Sie die zehn Tage Isolation sonst erlebt?
Das ist natürlich psychologisch nicht einfach. Zumal ich irgendwann kaum mehr die Kraft zum Essen hatte.

Aber das ging noch?
So knapp. Eine Krankenschwester hat mir jeweils das Essen gebracht und vor die Türe gestellt. Ich lebe ja alleine in einem Zimmer im Hotel Villa Sassa. Doch wenn man solch eine Krankheit hat, braucht man Betreuung. Kochen geht nicht mehr. Da kann man nicht alleine sein. Jetzt im Spital ist das natürlich ganz anders.

Haben Sie eine Idee, wann Sie das Spital verlassen können?
Nein. Das ist völlig offen. Zuerst müssen alle Werte wieder im grünen Bereich sein. Das sind sie derzeit nicht.

Haben Sie Angst gehabt? Angst, nicht zu überleben.
Eine gesunde Angst hat man da immer. Zumal ich 67 Jahre alt bin, zuckerkrank und unter Schlafapnoe leide. Das ist schon ein gefährliches Alter.

Was denken Sie darüber, dass es Menschen gibt, die sagen, diese Krankheit sei völlig harmlos?
Nichts Spezielles. Jeder soll denken, was er will. Wenn du sie nicht erwischst, ist sie für dich wohl harmlos. Wenn es dich erwischt, sieht die Sache anders aus, dann fährst du in ein dunkles Loch.

Das letzte Spiel gegen Vaduz haben Sie sich zu Hause am TV angeschaut.
Ja, klar.

Und?
Es hat mir gar nicht gefallen, dass wir da zwei Punkte haben liegen lassen. Klar, Vaduz verteidigt gut. Aber das war niemals Penalty für Vaduz. Also hätten wir gewinnen müssen. (Dann lässt er sich im Detail darüber aus, weshalb das kein Penalty war. Er ist also sicher auf dem Weg zur Besserung.) Wir müssen nun schauen, dass wir vermehrt gewinnen und nicht nur nicht verlieren.

Aber Lugano ist immerhin seit zwölf Spielen ungeschlagen. So lange wie kein anderes Super-League-Team. Das ist beeindruckend.
Ja, aber wir haben eine Mannschaft, um es noch besser zu machen. Man hat festgestellt: Mit der Möglichkeit, fünf Mal zu wechseln, ändern auch die Spiele. Die letzten Minuten sind so sehr gefährlich geworden. Wir haben ein physisch starkes und nun auch breites Kader. Das müssen wir öfters ausnützen.

Ist das als Kritik an Trainer Maurizio Jacobacci zu verstehen, der doch einen hervorragenden Job macht?
Das nicht. Er ist sehr ausgeglichen, mir gefällt, wie er arbeitet. Ich bin zufrieden mit ihm. Der Trainerjob ist schwierig. Und noch schwieriger ist es, den richtigen Trainer auszuwählen. Es ist wie die Wahl eines Baby­sitters. Die ist schon schwierig. Mit zwei Kindern ist es noch schwieriger. Stellen Sie sich vor, wie es mit 30 ist …

Wie sehen Sie die Fortsetzung der Meisterschaft jetzt, da zwei Mannschaften in Quarantäne sind?
Es sind bis zum Vorrundenabschluss noch 14 Runden zu spielen. Da sind wir immer noch im Fahrplan. Und wir haben noch genügend Daten, um verschobene Spiele nachzuholen. Wir haben ja im Endspurt der letzten Saison gesehen, dass man alle drei Tage spielen kann.

Aber die Situation ist schon speziell, wenn in gewissen Kantonen wie dem Wallis, Fribourg, Neuenburg und Jura das Fussballspielen generell verboten worden ist. Und an einigen Orten darf man null, an anderen tausend Leute und in wieder anderen zwei Drittel der Kapazität ins Stadion lassen. Das verfälscht doch den Wettbewerb.
Das ist natürlich nicht gut. Das muss auf Bundesebene geregelt werden. Wenn jeder machen kann, was er will, kommen wir aus dieser Geschichte nicht mehr raus.

Sion-Präsident Christian Constantin glaubt, dass es unter diesen Umständen keinen Sinn macht, weiterzuspielen. Dass man ab Anfang 2021 eine Mini-Saison mit 18 Runden bestreiten soll.
Ich hoffe nicht, dass es so kommt. Es macht Sinn, weiterzu­spielen. Wir haben ja schon alle möglichen Übungen gemacht, um spielen zu können.

Wie steht es um den von Ihnen angestrebten Verkauf des Klubs? Wir nehmen an, der ist auf Eis gestellt.
So ist es. Es ist alles blockiert. Zuerst müssen die Prämissen für Verhandlungen wieder da sein. Im Moment gibt es sie nicht.

Es kursiert da ein sehr spannendes Gerücht. Dass nämlich Ex-UBS-Boss Sergio Ermotti interessiert sein soll, den FC Lugano zu übernehmen.
Das wäre natürlich gut, wenn er es machen würde. Und es wäre eine Tessiner Lösung. Ich würde ihm den roten Teppich aus­rollen und ihn auf die Stirn küssen …

Aber haben Sie von ihm mal etwas gehört?
Ich habe vor zwei Jahren mit ihm darüber gesprochen. Damals sagte er mir, dass seine Position ihm solche Dinge nicht erlaube. Seither habe ich ihn nie mehr gesprochen. Übernimmt er den FC Lugano, wäre ich sofort vom Virus geheilt!

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