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Kubi über Corona-Krise
«Militärjets? Man hätte besser Spitäler gebaut»

Das Tessin ist ja irgendwie auch ein bisschen Italien, immer noch. Wie lebt es sich so nahe dem Infektions-Schmelztiegel? BLICK-Kolumnist Kubilay Türkyilmaz erzählt.
Publiziert: 02.04.2020 um 13:44 Uhr
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Aktualisiert: 03.04.2020 um 02:20 Uhr
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Wer hätte das Gedacht: Kubi ist ein begnadeter Koch!
Foto: zVg

«Wir sprechen dieselbe Sprache, die man sonst nirgends auf der Welt findet. Nur schon das verbindet uns Tessiner mit Italien. Im weitesten Sinn sind wir ein Vorort von Mailand. Wie Novara. Wie Piacenza. Wie Bergamo. Und Tag für Tag kommen 70 000 Gastarbeiter über eine Grenze, die den Virus herzlich wenig interessiert.

Aber mitbekommen habe ich direkt nichts vom Virus. Niemand in meinem Umfeld ist erkrankt. Der ehemalige Galatasaray-Trainer Fatih Terim, den ich gut kenne, steht mir noch am nächsten. Er konnte das Spital verlassen. Sorgen mache ich mir um Goalielegende Rüstü. Gegen ihn habe ich gespielt. Er ist in kritischem Zustand im Spital.

Doch auch wenn man von der Krankheit nichts direkt mitkriegt – es ist schon merkwürdig, welche Folgen ein so kleines Virus haben kann. Der Fussball ist am Boden. Die Wirtschaft auch. Es zeigt mal wieder, wofür wir sinnlos Geld ausgeben. Zum Beispiel für Militärjets. Anstatt diese zu beschaffen, hätte man besser Spitäler gebaut. Und, kleiner Input, warum nicht ein unterirdisches Intensivspital unter einem neuen Fussballstadion?

Jedenfalls darf niemand so tun, als sei man von der Corona-Krise völlig überrascht worden. Das hatte sich mit den anderen Epidemien abgezeichnet. Dass man dann so wenig in die Forschung investiert hat und lieber über 200 Millionen für einen Fussballer, ist sogar fahrlässig. Retten Forscher oder Sportler Leben? Die Quittung kriegen wir nun.

Mir macht das Virus jedenfalls Sorgen. Und auch Angst. Angst wegen der Ungewissheit. Das Virus ist noch nicht bezwungen. Und wir haben keinen Anhaltspunkt, wie lange wir noch zu Hause bleiben müssen. Wir machen das Beste aus diesem verlangsamten Leben, in welchem die Kinder um acht statt um 7.30 Uhr aufstehen. In welchem das Frühstück eine Stunde statt 15 Minuten dauert. In welchem Roberta und ich zu Lehrerinnen und Lehrern werden. Wir erhalten den Stoff der Schule per WhatsApp oder Mail und legen dann los mit Asia, die in die vierte Klasse geht, und dem Erstklässler Evan. Aber am meisten auf Trab hält uns natürlich der zweijährige Elias.

Dazwischen betätige ich mich als Koch. Oder soll ich sagen: Als Masterchef? Ich koche leidenschaftlich gerne, habe auch schon Showkochen gemacht. Gestern gabs Fajitas. Vorgestern Risotto. Und heute Pollo im Chörbli, so sagt man, oder? So wie in Attinghausen. Oder bei Timo Konietzka selig. Eines kann ich Euch garantieren: Meine Sauce fürs Poulet ist besser als alle anderen!

Ich koche also dann und präsentiere das Ergebnis. Roberta sowie die Kids geben die Jury – und verteilen Punkte.

Sonst: Nicht viel. Alle Sunrise-Shops im Tessin sind zu. Und ich bin da nicht auf Pikett, das machen zwei Kollegen. Ich helfe höchstens mal einem Freund, der ein Problem mit seinem Handy hat. Und weil der Sport stillsteht, bin ich im Corriere del Ticino, im BLICK oder bei TeleTicino seltener gefragt als auch schon. Kurzarbeit also auch hier.

Die Tage sind monoton und lang. Aber ich ziehe die positiven Dinge aus der Einmaligkeit der Situation. Ich freue mich, dass bei den Menschen die gute Seite viel öfters zum Vorschein kommt und die ichbezogene in den Hintergrund tritt. Ich freue mich, dass wir Geld beim Einkaufen Geld sparen, weil wir nur präzis das einkaufen, was wir jeweils brauchen. Und ich gehe mit Hund Puma um 6.30 Uhr joggen. Um zehn Uhr nachts ein zweites Mal. Allein. Ich habe so schon fünf Kilo abgenommen. Und das freut mich natürlich auch…»

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