Eigentlich müsste Fabian Sangines (34) mit den YB-Frauen in den Playoffs um den Halbfinal-Einzug kämpfen. Doch statt gegen GC auf der Bank zu sitzen, fiebert der ehemalige Assistenztrainer vor dem Computer mit. Rund 8500 Kilometer entfernt auf den Cayman Islands.
Dort trainiert der Zürcher seit Ende Januar das Frauen-Team des Academy Sports Clubs. «Nein, das mache ich sicher nicht, hier bei YB bin ich ja glücklich», habe er gedacht, als Ende 2023 die erste Anfrage aus der Karibik kam. Zum Kontakt kommt es über einen britischen Trainerkollegen, den Sangines einige Monate zuvor beim Besuch der Jugendakademie des PSV Eindhoven kennengelernt hatte.
Nach 17-Stunden-Flug fremdes Baby im Arm
Am Ende schafft es der Geschäftsführer des Klubs aus George Town, Sangines vom Projekt zu überzeugen. Denn auf den Cayman Islands kann sich der ehemalige Futsal-Natigoalie einen kleinen Traum erfüllen: Er kann von seinem Trainer-Job leben.
«Am Schluss musste ich sagen, ich wäre ein Idiot, wenn ich das nicht machen würde», sagt Sangines. Seine Anstellung als Fussball-Journalist beim Tagesanzeiger kündet er genau so wie seine Teilzeit-Stelle bei YB. Innerhalb von wenigen Wochen gibt er sein Leben in der Schweiz auf und fliegt in die Karibik.
Dort erlebt er einen Start, der nach dem Drehbuch einer mittelmässigen Hollywood-Komödie klingt. Nach einem 17-Stunden-Flug über London und die Bahamas wird er am Flughafen vom Klub-Boss abgeholt und direkt auf das Trainingsgelände chauffiert. Dort verfolgt Sangines das Training der Männer-Mannschaft, als er plötzlich ein fremdes Baby im Arm hält. «Einer der Spieler bat mich, während des Trainings auf seine sechsmonatige Tochter aufzupassen», erzählt er. «Das zeigt, wie unkompliziert die Leute hier sind.»
2000 Franken für WG-Zimmer
Seit drei Monaten ist Sangines nun auf der 264 Quadratkilometer grossen Insel-Gruppe daheim. Das entspricht etwa der Grösse des Kantons Genf. «Mit dem Auto hat man alles in etwa zwei Stunden umrundet», erzählt er. Ein eher konservatives und religiöses Land sei es, aber äussert Sport-verrückt. Der grösste Unterschied im Leben in der Schweiz? «Hier funktioniert alles ein wenig langsamer und gemütlicher», so Sangines. Auf dem Fussball-Platz habe ihn das zu Beginn vor eine Herausforderung gestellt. «Inzwischen sind aber alle meistens pünktlich.»
Finanziell unterscheide sich das Leben auf den Cayman Islands dagegen weniger von jenem in der Schweiz. «Vieles ist ähnlich teuer», sagt Sangines, der mit seinem Trainer-Job einen mittleren vierstelligen Betrag verdient. Für seine Wohnung zahlt er rund 2000 Franken, obwohl er sich die Miete mit seiner US-amerikanischen Mitbewohnerin teilt. «Dafür liegt das Haus direkt am Strand.»
Dort verbringt er in der Regel seinen freien Morgen. Am Nachmittag geht es in sein Büro auf dem Trainingsgelände, anschliessend stehen zwei Trainingseinheiten auf dem Programm. Aktuell betreut Sangines neben dem Frauen-Team noch drei Nachwuchsteams und leitet die Frauenabteilung des Vereins. Der Frauenfussball auf den Cayman Islands befindet sich noch in seiner Anfangsphase. Die einzige Liga des Landes besteht aus acht Teams, das Niveau variiert stark. «In meinem Team habe ich Spielerinnen, die in der Schweiz Nati B spielen könnten», erklärt der Trainer. «Und andere, die eher auf dem Niveau der 3. Liga sind.»
Grosse Pläne im Nachwuchsbereich
Insgesamt ist Sangines für rund 100 Spielerinnen und Spieler verantwortlich. «Meine Wochenarbeitszeit von 45 Stunden ist schon eher optimistisch berechnet», sagt er mit einem Augenzwinkern. Ab Sommer soll er zudem Nachwuchschef des Academy Sports Clubs werden. «Mein Ziel ist es, dass wir in diesem Bereich der beste Klub des Landes werden.»
Wie lang sein Karibik-Abenteuer dauern wird, lässt er offen. Sein Trainer-Vertrag ist unbefristet. «Ich kann mir schon vorstellen, noch einige Jahre hierzubleiben. Bis jetzt läuft es sehr gut», so Sangines. Auch, dass er jeweils nur am Samstag nicht auf dem Fussballsplatz stehen muss, ist für ihn kein Problem. «Denn hier ist jeder freie Tag automatisch ein Ferientag», sagt der Zürcher. Diese nutzt er, um die Insel zu erkunden, am Strand zu entspannen – oder die Spiele der YB-Frauen vor dem Computer zu verfolgen.