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Jürgen Klinsmann exklusiv
«Mein Sohn soll in St. Gallen die Nummer 1 werden»

Jürgen Klinsmann (54) war Weltmeister und Trainer der DFB-Elf. Hier spricht die deutsche Fussball-Legende über Sohn Jonathan im St. Gallen-Tor, den Streit mit Christian Gross, die Jugend als Bäcker-Lehrling und die Zeit bei Bayern.
Publiziert: 07.07.2019 um 01:39 Uhr
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Aktualisiert: 07.07.2019 um 13:25 Uhr
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Klinsi-Sohn Jonathan spielt neu in St. Gallen.
Foto: Sven Thomann
Andreas Böni

Herr Klinsmann, Ihr Sohn Jonathan steht neu beim FC St. Gallen im Tor. Warum kommt er in die Schweiz?
Jürgen Klinsmann: Jonathan durchläuft eine normale Profisportler-Entwicklung. Er hat erst die Uni besucht, spielte die U20-WM und ging dann als Nummer 3 in die Bundesliga. Nun ist es klar, dass er die Nummer 1 werden soll – und da kam unter anderem die Schweiz ins Blickfeld. Hertha BSC hat dabei mit offenen Karten gespielt und ihm gesagt, dass man mit den beiden älteren Torhütern weitermache – und er eigentlich zu gut für die U23 sei.

Gut, beim FC St. Gallen könnte er auch die Nummer 2 hinter Dejan Stojanovic sein.
Es ist wichtig für seine Entwicklung, dass er jetzt einen Wettkampf um den Stammplatz hat. Mit der Zielsetzung, früher oder später zu spielen. Als Torwart hast Du nie Garantien – aber er hat die Chance. Er muss jetzt rein in den Kampf.

Beispielsweise bei Luzern wäre er sicher Stamm-Goalie gewesen.
Vielleicht, aber St. Gallen hat Alain Sutter. Er war mein Mitspieler beim FC Bayern, wir hatten es damals gut zusammen. Und Alain reiste nach Berlin, schaute sich die U23 an und war beeindruckt von Jonathan.

Sie waren ein Weltstar im Sturm. Warum wollte Ihr Sohn ins Tor?
Vielleicht, weil er lange Basketball spielte. Er ist 1,93 Meter und war sehr talentiert. Seine Basketball-Zeit hat ihm beim Bällefangen bestimmt geholfen.

Was für eine Art Torwart ist er?
Er hat eine gute Präsenz und mag es mitzuspielen. Er hat eine gute Ausbildung durchlaufen, spielte erst in der U18-Nationalmannschaft der USA, dann in der U20 und er ist nun vorgesehen für die Olympia-Auswahl. Sein Reifeprozess ist auch auf gutem Weg: Er zog für die Uni nach Berkeley, nun musste er sich in der Weltstadt Berlin beweisen. Jetzt braucht er Leute um sich, die ihm vertrauen. Ich habe da bei Peter Zeidler und Alain ein hervorragendes Gefühl. Ich erlebte das, als ich von den Stuttgarter Kickers mit 20 zum VfB wechselte.

Inwiefern?
Ich hatte dort mit Helmut Benthaus einen Trainer, der mich sportlich und menschlich im Gleichgewicht hielt. Der mich mit seiner Menschlichkeit aufgefangen hat, wenn ich mal einige Wochen das Tor nicht traf. Aber mir gleichzeitig auch mal einen Tritt in den Hintern gab, wenns nötig war.

Haben Sie Angst, dass Ihr Sohn wegen seines Namens unfair behandelt werden könnte?
Dass es hie und da Kommentare gibt, das hat er schon mit jungen Jahren miterlebt. Das können wir nicht ändern. Er kann damit umgehen.

Wann kommen Sie nach St. Gallen?
Ich hoffe bald, möglichst in den nächsten Monaten. Ich würde es natürlich mit einem Besuch bei meiner Mutter in Stuttgart verbinden.

Ihr verstorbener Vater war Bäcker – und hat Ihren Reifeprozess auch genau gesteuert. Sie mussten eine Bäckerlehre machen, bevor Sie Profi werden durften.
Das war eine andere Zeit damals. Aber ich finde, jeder Mensch muss lernen, erst als Praktikant, dann als Lernender. Ich wuchs quasi in der Backstube auf, für meine Entwicklung war das gut. Und danach konnte ich fürs Leben lernen, weil ich in Deutschland, Italien, Frankreich und England spielen und dann in den USA leben durfte. Im Ausland zu leben, hat mein Leben sehr befruchtet. Und ich habe gelernt, jeden Menschen so zu nehmen, wie er ist.

Einer Ihrer drei Brüder führt die Bäckerei heute noch.
Ja, meine ganze Familie lebt immer noch in der Gegend. Die Bäckerei ist ein reiner Familien-Betrieb geblieben, auch meine Nichte arbeitet inzwischen dort.

Was haben Sie als Stuttgarter für einen Bezug zur Schweiz?
Ich war früher oft am Bodensee. Und als ich bei Inter Mailand spielte, war es immer ein schönes Gefühl, durch die Schweiz zu fahren. Mich fasziniert zudem, dass ihr vier Landessprachen habt. Darum beneidet euch die ganze Welt.

Sie waren 2013 ein Thema als Schweizer Nati-Trainer, korrekt?
Im Fussball gibt es immer wieder Spekulationen.

Aber Ihr Berater Andy Gross hatte sich mit der SFV-Führung unterhalten.
Das ist möglich. Aber ich selber halte mich immer komplett raus.

1997 bei Tottenham spielten Sie unter Trainer Christian Gross. Sie verkrachten sich nach wenigen Wochen.
Ich habe vollen Respekt für ihn. Er ist ein top Kerl und ein sehr guter Trainer. Aber wir haben uns in dieser Phase dann und wann gefetzt.

Er nannte Sie den grössten Egozentriker.
Hat er das echt gesagt? Solche Episoden gehören zum Fussball dazu.

Gross sagte: «Das Problem war, dass Klinsmann unbedingt Spielpraxis benötigte, um nochmals an der WM 1998 zu spielen. Ich hingegen spürte, dass er für die Mannschaft nicht mehr sehr viel brachte. Dadurch kam es zum Konflikt.»
Ja, meine Karriere neigte sich dem Ende zu. Ich hatte mit Anfang 30 das Gefühl, ich wüsste die Sachen besser als der Trainer. Das war falsch. Es war gut, dass ich aufgehört habe danach. Und Christian Gross kam ein Jahr später zu meinem Abschiedsspiel nach Stuttgart.

Es hiess damals, Sie hätten eine Stammplatz-Garantie im Vertrag gehabt haben.
Nein, die gabs nie. Eine immer wieder gerne geschriebene Medienerfindung – aber ohne Wahrheitsgehalt.

Ihr Schweizer Anwalt Andy Gross holte aber immer unglaublich gute Verträge für Sie raus.
Wir kennen uns seit Anfang der 90er-Jahre, seither vertritt er mich als Rechtsanwalt. Es ist wichtig für einen Spieler, dass Dir einer die Papiere erledigt. Andere Schweizer Weggefährten waren Ciriaco Sforza bei Bayern... Wir kamen gut klar, hatten nie Probleme. Was macht er?

Er ist Trainer bei Wil, das ist nur ein paar Kilometer von St. Gallen entfernt.
Klasse.

... und natürlich Alain Sutter.
Er ist eine Persönlichkeit, die immer geradeaus ist und absolut ehrlich. Und er tut das, von dem er überzeugt ist.

Legendär ist sein Schlagabtausch mit Uli Hoeness, der sagte, Sutter solle mal einen ordentlichen Schweinebraten essen. Worauf dieser antwortete: «Wie man aussieht, wenn man zuviel Schweinebraten isst, sieht man bei Herrn Hoeness...»
Ja, solche Geschichten werden geschrieben. Und Alain ist ein Mann, der keine Angst vor klaren Aussagen hat.

Haben Sie Ihre unrühmliche Zeit als Trainer bei Bayern verdaut?
Ja, ich bin mit mir im Reinen. Die Zeit bei Bayern war eine unglaubliche Lebenserfahrung. Ich habe nirgendwo verbrannte Erde hinterlassen. Und ich kann heute jeden anrufen, den ich will.

Würden Sie heute ein Bier mit Karl-Heinz Rummenigge und Uli Hoeness trinken?
Selbstverständlich, jederzeit. Überhaupt kein Problem.

Mit Ihnen verbindet man bis heute das Sommermärchen von 2006. Im Halbfinal schied Deutschland gegen Italien aus. Träumen Sie noch davon?
Nein. Ich lebe nicht in der Vergangenheit. Nur in der Gegenwart und Zukunft. Aber natürlich braucht man länger, so etwas zu schlucken.

Ihr Assistent Jogi Löw übernahm die Strukturen, die sie gemeinsam geschaffen haben. Fuchst es Sie, dass Sie nicht selber blieben und dann Weltmeister wurden?
Nein, überhaupt nicht. Mein Job war getan. Die Zeit als Bundestrainer von 2004 bis 2006 war ein ganz, ganz tolles Erlebnis. Aber auch kräftezehrend. Ich bin 40 Mal von meinem Wohnort in Kalifornien nach Deutschland geflogen und es war zudem eine Herkulesaufgabe beim Verband. Mein Wunsch war es dann, dass der ganze Staff zusammenblieb mit Jogi. Ich bin unglaublich stolz auf ihn, wie er das gemacht hat und den WM-Titel holte.

Bei der letzten WM schied man in der Vorrunde aus, weil man den Umbruch verpasst hatte.
Auch das gehört dazu. Und trotzdem ist es Klasse, wie er nachher mit Vollgas voraus gegangen ist. Ich wiederhole mich: Ich bin unglaublich stolz auf ihn.

Was machen Sie eigentlich den ganzen Tag in Kalifornien?
Ich bin an einer Fussball-Anlage mit 24 Plätzen beteiligt, da organisiere ich neben anderem auch Turniere. Ich fliege leidenschaftlich gerne Hubschrauber, habe alle Lizenzen, die ein Pilot braucht. Das bereitet mir riesige Freude. Und da ich nun Experte bei den Länderspielen bei RTL bin, komme ich regelmässig nach Europa.

Sie waren bis 2016 Trainer der USA und sind im Moment im Wartestand. Was wollen Sie gerne als nächstes machen?
Unsere Tochter – sie ist übrigens eine junge Springreiterin – hat nun das Abitur gemacht und wird studieren gehen. Jonathan ist in St. Gallen. Das heisst, unsere Familie kann überall hinziehen. Vielleicht kann ich deswegen wieder einen Klub übernehmen in naher Zukunft. Aber es muss mit den Leuten passen, mit denen ich zu tun habe.

Können Sie sich eine Rückkehr in die Knochenmühle Bundesliga vorstellen?
Selbstverständlich. Aber in der Bundesliga müsste ich mir schon drei Mal überlegen, ob es wirklich passt.

Das ist Jürgen Klinsmann

Jürgen Klinsmann wird am 30. Juli 1964 in Göppingen als einer von vier Söhnen geboren. Sein Vater Siegfried kauft 1978 eine Bäckerei in Stuttgart, wo Sohn Jürgen bei den Stuttgarter Kickers spielt. Bevor er Profi werden darf, muss er auf Geheiss des Vaters die Bäckerlehre und die Bundeswehr abschliessen.

Danach wird Klinsmann einer der besten Stürmer der Welt. Er spielt für den VfB Stuttgart, Inter Mailand, AS Monaco, Tottenham, Bayern München und Sampdoria Genua. Er wird Weltmeister 1990 mit Deutschland und schiesst 47 Tore in 108 Länderspielen.

Als Trainer betreut er das DFB-Team von 2004 bis zur Heim-WM 2006 (Halbfinal-Aus gegen Italien), die Bayern (2008-2009) und die USA (2011 bis 2016). Mit den Amerikanern erreicht er unter anderem den WM-Achtelfinal 2014. Klinsmann wohnt mit seiner Frau in Huntington Beach bei Los Angeles, ist Vater von St. Gallen-Goalie Jonathan (22) und Laila (18).

Jürgen Klinsmann wird am 30. Juli 1964 in Göppingen als einer von vier Söhnen geboren. Sein Vater Siegfried kauft 1978 eine Bäckerei in Stuttgart, wo Sohn Jürgen bei den Stuttgarter Kickers spielt. Bevor er Profi werden darf, muss er auf Geheiss des Vaters die Bäckerlehre und die Bundeswehr abschliessen.

Danach wird Klinsmann einer der besten Stürmer der Welt. Er spielt für den VfB Stuttgart, Inter Mailand, AS Monaco, Tottenham, Bayern München und Sampdoria Genua. Er wird Weltmeister 1990 mit Deutschland und schiesst 47 Tore in 108 Länderspielen.

Als Trainer betreut er das DFB-Team von 2004 bis zur Heim-WM 2006 (Halbfinal-Aus gegen Italien), die Bayern (2008-2009) und die USA (2011 bis 2016). Mit den Amerikanern erreicht er unter anderem den WM-Achtelfinal 2014. Klinsmann wohnt mit seiner Frau in Huntington Beach bei Los Angeles, ist Vater von St. Gallen-Goalie Jonathan (22) und Laila (18).

Söhne berühmter Fussballer in der Schweiz

Jonathan Klinsmann (22) ist der nächste Sohn eines ehemaligen Superstars, der in der Schweiz spielt. Bei Lausanne stand 2018 Enzo Zidane, der Spross von Zinedine unter Vertrag. Bei YB spielt Gianluca Gaudino, der Sohn von Ex-Frankfurt-Spieler Maurizio. In Grenchen spielte in der Saison 1991/92 Stephan Beckenbauer. Der Sohn der Bayern-Legende Franz verstarb im Jahr 2015 erst 46-jährig. Alessandro Riedle, der Sohn von Karl-Heinz, war bei GC. Georg Weah junior spielte bei Klubs wie Wohlen oder Meisterschwanden. Sonny Kok, der Sohn von Servette-Legende Robert, schmeisst mit Lausanne-Ouchy 2017 den FC Sion aus dem Cup.

Jonathan Klinsmann (22) ist der nächste Sohn eines ehemaligen Superstars, der in der Schweiz spielt. Bei Lausanne stand 2018 Enzo Zidane, der Spross von Zinedine unter Vertrag. Bei YB spielt Gianluca Gaudino, der Sohn von Ex-Frankfurt-Spieler Maurizio. In Grenchen spielte in der Saison 1991/92 Stephan Beckenbauer. Der Sohn der Bayern-Legende Franz verstarb im Jahr 2015 erst 46-jährig. Alessandro Riedle, der Sohn von Karl-Heinz, war bei GC. Georg Weah junior spielte bei Klubs wie Wohlen oder Meisterschwanden. Sonny Kok, der Sohn von Servette-Legende Robert, schmeisst mit Lausanne-Ouchy 2017 den FC Sion aus dem Cup.

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