Sheikh Salman, warum ist die Zeit reif für einen Fifa-Präsidenten aus Asien?
Scheich Salman: Die Frage würde ich andersherum stellen: Wie kommt es, dass bisher Dreiviertel der Weltbevölkerung keine wirkliche Rolle in der Fussballadministration gespielt haben? Bisher war die Fifa von Europäern und Südamerikanern geprägt. Meinen Sie nicht auch, dass es an der Zeit ist, einem Repräsentanten aus Asien die Chance zu geben, den Weg zu weisen?
Was wissen Sie von Gianni Infantino?
Ich kenne Gianni und schätze ihn als Fachmann des europäischen Fussballs. Er ist und war ein guter Verwalter europäischer Interessen im Weltfussball.
Schliessen Sie aus, dass Sie als Präsident ihn zum Generalsekretär machen werden?
Wir sind momentan beide Präsidentschafts-Kandidaten.
Douglas Sabo, Vizepräsident von Fifa-Sponsor Visa, hegt schwere Bedenken gegen Sie. Er schrieb in einer Mail an das «Bahrain Institute for Rights and Democracy»: «Wir teilen Ihre Sorge um die Führung der Fifa und die Menschenrechte.»
Ich kenne seine Aussage und freue mich, ihn kennenzulernen. Es ist immer etwas seltsam, wenn Leute über andere Aussagen machen, die sie weder persönlich kennen, noch je getroffen haben, noch je mit ihnen diskutierten. Und noch zwei drei Worte zu dem sogenannten Institut.
Bitte.
Das ist ein Einmannbetrieb in Nord-London, welcher jedes Mal, wenn ich mich zu egal welcher Wahl stellte, seine Lügen über mich verbreitet, die dann auch ohne Quellenprüfung von allen möglichen Leuten für bare Münze genommen wurden. Was mich wundert, ist dass dies niemand bisher durchleuchtet hat. Wer denn seine Geldgeber sind, und welche politische Macht dahintersteckt. Es ist bedenklich, dass ich als Person Zielscheibe einer politischen Kampagne werde. Das hat mit Fussball gar nichts und mit Menschenrechten wenig zu tun.
Bei der Niederschlagung des Arabischen Frühlings 2011 wurde Tausende Demonstranten verhaftet, unter ihnen auch Sportler. Kritiker werfen ihnen vor, involviert gewesen zu sein. Oder zumindest zugeschaut und toleriert zu haben.
Welcher Perverse würde bei der Niederschlagung von Unruhen und der Verhaftung von Demonstranten zusehen, wie Sie das sagen. Sogar die boshaftesten Kritiker haben mir eine Beteiligung an den Unruhen nie vorgeworfen - Sie sehen, wie schnell aus einem Kreis ein Rechteck werden kann, wenn man aus zweiter und dritter Hand zitiert. Die Vorwürfe zielten in eine ganz andere Richtung, nämlich dass ich einem Komitee vorgestanden haben soll, welches Sportler identifiziert hätte.
Die Nachrichten-Agentur BNA behauptet, Sie hätten eine Untersuchungskommission geleitet mit der Aufgabe, regimekritische Sportler zu identifizieren und Bestrafungen zuzuführen.
Das ist nicht richtig zitiert. Was BNA seinerzeit berichtete, war, dass ein Regierungsmitglied ein solches Komitee ins Leben rufen wollte. Nachdem aber das Komitee nie gegründet wurde, da es nach bahrainischem Recht gegen das Gesetz verstossen hätte, kann ich ja wohl auch nicht Einsitz in seinem solchen Komitee genommen haben. Dies sind nichts als Verdrehungen und haltlose politisch motivierte Anschuldigungen, die mich nicht tangieren, weil sie boshaft und frei erfunden sind.
Hakeem Al Oraibi bezichtigt Sie der Lüge. Der Ex-Nati-Spieler sagt: «Wenn Scheich Salman behauptet, dass er zu einer Million Prozent garantieren kann, dass kein Fussballer in Bahrain misshandelt worden ist: Das ist eine grosse Lüge.»
Unser bekanntester Fussballer A’Ala Hubail und unser Nationaltorhüter Ali Saeed haben sich im November mit Auslandmedien getroffen, darunter auch mit einem Journalisten von AP, dies ohne mein Beisein. Beide Stars, die nach den Unruhen kurze Zeit auch im Ausland gelebt und gespielt haben, waren verhaftet worden und verbrachten kurze Zeit in Haft. Sie haben öffentlich meine Kandidatur unterstützt, und Hubail sagte im Interview, dass er stolz wäre, wenn ich zum Präsidenten gewählt würde. Erklären Sie mir doch bitte, wie es kommt, dass unsere beiden bekanntesten Nationalspieler nicht zitiert werden, Herr Al Oraibi allerdings immer, nachdem er vom selben Institut in Australien aufgestöbert wurde? Sie können Ihre eigenen Schlüsse ziehen.
Menschenrechtsorganisationen kritisieren Bahrain. Was könnten Sie als Fifa-Präsident dazu beitragen, dass sich die Situation verbessert?
Als Fifa-Präsident gar nichts, denn politische Kampagnen haben mit der Fifa nichts zu tun.
Nennen Sie die wichtigsten Eckpfeiler ihres Programmes.
Als erstes werde ich den Fussball vom Geld trennen. Hauptaufgabe der Fifa war es von Anfang an, den Fussball zu entwickeln, die Regeln des Spiels zu garantieren, für eine solide technische Entwicklung zu sorgen. Dazu braucht es Geld. Und dort liegt eines der zentralen Probleme begraben.
Wie soll man das ändern?
Mein Plan ist es, den kommerziellen Bereich auszugliedern. Die «Geldbeschaffung», also die Ansprache von kommerziellen Partnern, der Verkauf von Übertragungsrechten, das ganze Merchandising soll durch eine unabhängige aussenstehende Firma, die ausschliesslich diesen Zweck hat, garantiert werden. Wenn wir den Geldfluss von der Organisation trennen, verunmöglichen wir korrupte Machenschaften. Und nur dadurch führen wir eine korruptionsfreie Fifa ein. Die Bekämpfung und Ausrottung von Korruption und Klüngelei ist das Hauptziel.
Der neue Fifa-Boss ist mehr Repräsentant. Was werden Sie persönlich tun?
Viel Zeit an den Wurzeln des Spiels verbringen: in den Regionen der Welt, wo Aufbauarbeit im Fussball entscheidend ist. Ich will nicht von Mittelsmännern erfahren, wo Not am Mann ist, sondern mir ein eigens Bild davon machen. Dann will ich Frauenfussball vorantreiben, das Spiel der Mehrheit der Weltbevölkerung – den Frauen – näher zu bringen. Wenn Sie die Erfolge asiatischer Frauenteams anschauen, sehen Sie, dass wir gerade im Frauenfussball enorme Fortschritte erzielt haben: China, Japan, Süd-Korea, Australien sind erstklassige Beispiele für die die international Bedeutung des Frauenfussballs in meiner Region, die ich seit nunmehr drei Jahren präsidiere.
Sie würden das Präsidium ohne Entschädigung übernehmen. Warum?
Weil es für mich keinen Anlass dafür gibt, einen Lohn zu empfangen. Ich werde ein Spesenkonto beanspruchen, für Reisen und Auslandaufenthalte, aber die Millionen, welche mein Vorgänger als Salär erhielt, sind besser angelegt, wenn wir sie zum Beispiel der Entwicklung des Jugendfussballs auf der ganzen Welt zukommen lassen.
Muss ein Fifa-Präsident nicht in Zürich wohnen um in dieser schwierigen Phase jeden Tag präsent zu sein? Wie oft wären Sie hier?
Ich werde solange in Zürich sein, wie die Umstände es verlangen. Ich werde mit Sicherheit in Zürich einen Wohnsitz einrichten, der es mir erlaubt immer dann hier zu sein, wenn es meine Präsenz braucht. Allerdings möchte ich auch festhalten, dass die Fifa nie mehr alleine vom Präsidenten geprägt sein darf. Modernes Management erfordert Delegation. Und Delegation erfordert Vertrauen. Deshalb wird die Wahl des CEO, also des geschäftsführenden Direktors, eine Schlüsselfrage sein.
Können Sie garantieren, dass der Fifa-Hauptsitz in Zürich bleibt?
Es gibt nicht den geringsten Grund, den Sitz der Fifa zu verlegen. Gerade die Stadt Zürich und der Kanton Zürich waren immer hervorragende Partner der Fifa. Solange die Schweiz und Zürich die FIFA weiter willkommen heissen, wird die Fussballweltorganisation mit Sicherheit in der Schweiz, in Zürich, bleiben.
Etwa die Hälfte aller Fifa-Angestellten im Hauptsitz sind Schweizer. Viele fürchten im Fall Ihrer Wahl um Ihren Job. Zu recht?
Natürlich nicht. Mit rund 50% Ausländeranteil gehört die Fifa zu den fortschrittlichsten Arbeitgebern, welche international tätig sind. Gerade die Schweizer Mitarbeiter der Fifa haben eine hervorragende Ausbildung, sprechen zahlreiche Sprachen und kennen die Organisation bis ins letzte Detail. Wer Leistung bringt, wird unter meinem Präsidium nie um seinen Arbeitsplatz zu fürchten haben.
Wie wollen und werden Sie Sepp Blatter verabschieden?
Das wird sich zeigen.
Wie ist Ihr Verhältnis zu ihm?
Meine persönlichen Erfahrungen mit ihm waren in der Vergangenheit von gegenseitigem Respekt gekennzeichnet. Ich bin erst seit zwei Jahren Mitglied im Exekutivkomitee, aber als Mitglied anderer Kommissionen kannte ich ihn natürlich seit vielen Jahren.
Sind Sie besorgt, dass im Laufe der nächsten Monate noch weitere Unregelmässigkeiten ans Tageslicht kommen?
Das kann ich nicht beurteilen, aber ausschliessen können wir das nicht.
Haben Sie als Exekutiv-Mitglied der Fifa erlebt, wie jemand bestochen werden sollte?
Nie.
Sie wollten ursprünglich Michel Platini als Fifa-Präsident unterstützen. Wann entschieden Sie sich um?
Nicht ich entschied mich um, sondern Michel wurde gesperrt. Erst als klar wurde, dass er mit grösster Wahrscheinlichkeit nicht würde antreten können, gab ich dem Drängen meiner Konföderation und zahlreicher Verbände nach, und kandidierte am allerletzten Tag der Frist selber.
Wie viel geben Sie für den Wahlkampf aus?
Das werde ich erst nach Beendigung des Wahlkampfes wirklich wissen. Ich habe ein Budget, welches ich bisher weitgehend einhalten konnte.
Welchen Einfluss hat die US-Justiz auf die Fifa?
Als Schweizer kennen Sie darauf die Antwort wohl besser als ich.
Kann der nächste Präsident ohne Kontrolle der US-Justiz agieren?
Natürlich. Keine Justiz hat einen Platz in einer sauber geführten Organisation. Was war, ist traurige Geschichte, die jetzt aufgearbeitet wird. Was sein muss, werde ich mitbestimmen, falls ich gewählt werde. Und wenn dem so ist, werde ich dafür sorgen, dass weder die Schweizer noch irgendeine andere Justiz an der Fifa Interesse haben muss.