René Weiler hätte sich noch zwei schöne Jahre machen können. Am Ufer des Zürichsees die Füsse baden, seine Familie geniessen und am Abend nach dem Grillplausch entspannt die Champions League schauen. Und der FC Luzern hätte dieses wunderbare Leben bis zum Juni 2021 fürstlich entschädigt.
Aber der FC Luzern kann aufatmen. Er spart rund eine Million Franken an Salär. Weil sich René Weiler in ein Abenteuer stürzt, das typisch ist für den Querdenker, der so gar nicht in ein Schema passen will und das Theoretische wie Bürokratische wenig mag. Weiler hat beim ägyptischen Topklub Al Ahly einen Zweijahresvertrag unterschrieben.
Christian Gross als Vorreiter
Da liegt es auf der Hand, dass vielleicht der ägyptische Luzern-Geldgeber Samih Sawiris die Hände im Spiel hatte, um dem FCL einen dicken Brocken von der Lohnliste zu nehmen. Weiler schmunzelt bei dieser These. «Nein, Herr Sawiris hat damit nichts zu tun. Wir hatten auch in meiner Zeit bei Luzern nie Kontakt.»
Es war ein Vermittler, der den ersten Kontakt hergestellt hat. Danach hat sich Weiler mit der Delegation von Al Ahly zuerst in Monaco und dann in Zürich getroffen und dann hat sich Weiler noch mit Christian Gross unterhalten, der in der letzten Saison bei Zamalek, dem anderen Grossklub in Ägypten, Trainer war.
Nach diesem Gespräch war für ihn klar: Das mache ich. Jetzt sitzt er im Hotel in Kairo. Bei 38 Grad. Mit dabei sind auch sein Assistenztrainer Thomas Binggeli sowie David Sesa, der für die Spielanalysen zuständig ist. Zum neuen Trainerteam gehört auch ein Torhütertrainer aus Belgien, den Weiler aus seiner Zeit bei Anderlecht kennt. «Es ist möglich, dass noch ein weiterer ehemaliger Weggefährte dazu stöss», sagt Weiler.
Erfahrungen fürs Leben
Allein dies zeigt, in welcher Dimension sich ein Klub wie Al Ahly bewegt. «Wir schauen in der Schweiz in die Bundesliga, kennen vor allem Vereine wie Barcelona und Manchester United. Aber ein Klub wie Al Ahly ist für uns nicht auf dem Radar», sagt Weiler. Dabei sind die Zahlen gigantisch. Im Grossraum Kairo leben über 20 Millionen Menschen. «Und Al Ahly hat rund 60 Millionen Fans», sagt Weiler, der schon bei seiner Vorstellung in die Gesichter von 100 Journalisten geschaut hat.
Für Weiler ist klar: «Der Trainerjob braucht enorm Energie. Das kann man nicht ewig machen. Darum war für mich immer klar, dass ich in meiner Karriere auch viele Erfahrungen abseits des Platzes machen will. Ich will auch Eindrücke fürs Leben in exotischeren Regionen mitnehmen. Und hier habe ich die Chance, richtig in eine neue Kultur einzutauchen. Nicht nur als Tourist.»
Meistertitel ist Pflicht
Er muss auch Kompromisse machen. Die Familie bleibt in Zürich. «Die kommen alle fünf Wochen für ein paar Tage nach Kairo.» Und in diesem hoch leidenschaftlichen und emotionalen Umfeld, sitzt er natürlich auch auf einem Schleudersitz. Sein Vorgänger hat den Meistertitel gewonnen. Aber halt ein Spiel im Cup verloren. Er musste gehen.
Die Vorgabe ist glasklar. «Mir helfen nur Siege und Titel. Ich muss Meister werden», sagt Weiler. Und er hat für diese Ausgangslage einen fast schon philosophischen Zugang. «Der Fussball ist hier noch ein verständliches Spiel. Gewinnst du, kannst du bleiben. Verlierst du, musst du rasch gehen. Das ist mir lieber und es ist fast ehrlicher als an vielen anderen Orten in der Schweiz. Dort muss man zwar auch gewinnen, doch es wird auch noch anderweitig am Stuhl des Trainers gesägt. Man wird in Raten demontiert. Hier sind die Verhältnisse von Beginn weg klar.»
Politik spielt nach wie vor grosse Rolle
Fussball ist in Ägypten ein riesiges Thema. Aber seit 2012 ist der ägyptische Fussball auch traumatisiert. Am 1. Februar gab es im Stadion von Port Said nach schweren Ausschreitungen 74 Tote. Die meisten davon waren 15- bis 20-Jährige Anhänger von Al Ahly, die vom Mob des Heimklubs Al Masry geradezu massakriert wurden. Der Ligabetrieb wurde danach abgebrochen. Und noch heute werden für einige Spiele die Zuschauerkapazitäten beschränkt. «Sonst hätten wir bei den Heimspielen immer 74'000 Menschen im Stadion», sagt Weiler.
Die Ausschreitungen von Port Said sind auch Ausdruck der verworrenen politischen Situation im Land. Auch Weiler weiss, dass es in der Militärdiktatur rund 6000 politische Gefangene gibt. Auch er weiss, dass Al Ahly im Gegensatz zu Zamalek ein vom Staat subventionierter Klub ist. «Dazu habe ich mir meine Gedanken gemacht. Aber grundsätzlich möchte ich die Politik vom Sport trennen. Und vor allem: Ich möchte mir ein eigenes Bild vom Land, vom Klub und von den Menschen machen.»
Bereits am 14. September geht das Abenteuer los. Mit einer Partie der afrikanischen Champions League auswärts bei Cano Sports in Äquatorialguinea. «Die erste elfstündige Reise», sagt Weiler. Danach folgt der Supercup gegen Zamalek und dann Ende September der Start in die Meisterschaft.
Es ist für den Zürcher ein grosses Abenteuer. Eines, das natürlich auch grosszügig entlöhnt wird. Aber nur solange er Siege einfährt.
Murat Yakin und Fabio Celestini haben sich einst für eine Rückkehr in die Schweiz entschieden. Auch Marcel Koller, Alain Geiger, Patrick Rahmen, Giorgio Contini und Stéphane Henchoz coachen mittlerweile nach Trainer-Stationen im Ausland wieder in der Heimat. René Weiler dagegen geht den umgekehrten Weg. Er sucht sein Glück in Ägypten. Er ist nicht der einzige Schweizer Trainer, der sein Geld im Ausland verdient. Eine Auswahl:
Lucien Favre
Dortmund, 1. Bundesliga
Martin Schmidt
Augsburg, 1. Bundesliga
Urs Fischer
Union Berlin, 1. Bundesliga
Bernard Challandes
Nationalmannschaft Kosovo
Raoul Savoy
Nationalmannschaft
Zentralafrikanische Republik
Raphael Wicky
U17-Nationalmannschaft USA
Thomas Stamm
SC Freiburg U19, A-Junioren
Bundesliga Süd/Südwest
Murat Yakin und Fabio Celestini haben sich einst für eine Rückkehr in die Schweiz entschieden. Auch Marcel Koller, Alain Geiger, Patrick Rahmen, Giorgio Contini und Stéphane Henchoz coachen mittlerweile nach Trainer-Stationen im Ausland wieder in der Heimat. René Weiler dagegen geht den umgekehrten Weg. Er sucht sein Glück in Ägypten. Er ist nicht der einzige Schweizer Trainer, der sein Geld im Ausland verdient. Eine Auswahl:
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Union Berlin, 1. Bundesliga
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Bundesliga Süd/Südwest