Weltmeister-Trainer Jogi Löw im Exklusiv-Interview
«Ich wäre fast FCZ-Trainer geworden»

Hier spricht der Weltmeister-Trainer Jogi Löw (57) exklusiv über seine Schweizer Zeit, Förderer Fringer und das mentale Loch nach dem WM-Titel.
Publiziert: 08.12.2017 um 12:08 Uhr
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Aktualisiert: 13.09.2018 um 00:30 Uhr
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Deutschlands Weltmeister-Trainer Jogi Löw posiert in Zürich mit dem Fifa-Pokal.
Foto: Thomas Meier
Andreas Böni

Der Weltmeister gibt sich die Ehre. Joachim Löw (57) besucht Zürich. Im Fifa-Museum darf er den WM-Pokal streicheln, danach werden ihm die Tore des 7:1 gegen Brasilien eingespielt. Löw betrachtet den einen oder anderen Treffer des WM-Halbfinals von 2014, setzt dann seinen Rundgang fort. «Ich habe die Tore ja gesehen», sagt er schmunzelnd.

Es ist für Löw auch eine Rückkehr in ein Land, in dem er über Jahre lebte. Erst spielt er 1989 bis 1992 für den FC Schaffhausen. Dann bis 1994 bei Winterthur, wo er auch seine erste Mannschaft trainiert - nämlich die D-Junioren des Klubs.

Heute, 23 Jahre später, ist der Lörracher Welt-Trainer des Jahres. A-Promi in Deutschland. Eine lebende Legende. Die Schweiz hat eine wichtige Rolle in seiner Karriere gespielt, sagt er im BLICK-Interview.

Herr Löw, telefonieren Sie ab und zu noch mit ihren ehemaligen D-Junioren des FC Winterthur?
Jogi Löw: Nein, aber es gibt hier und da schon noch mal Kontakt mit dem einen oder anderen Mitspieler von damals. Das war für mich eine prägende Zeit, vor allem die drei Jahre in Schaffhausen waren eine tolle Erfahrung. Ich habe viel gelernt. Ich will nicht sagen, dass viele Freundschaften entstanden sind, aber mit Sicherheit viele Beziehungen.

Zum Beispiel zu Roberto Di Matteo, der später die Champions League gewann.
Ja, manchmal hören wir uns. Gesehen haben wir uns zuletzt in London, bei einem Spiel von Chelsea. Und ja: Ich bin Schweiz-geprägt.

Nach Löws Zeit beim FC Winterthur will ihn der FC Töss (2. Liga) verpflichten. Nach Verhandlungen in Unterohringen entscheidet sich Löw aber für den FC Frauenfeld, wo er Spieler-Trainer wird. «Joggi» wird er im Machprogramm genannt. Löw macht parallel die Trainer-Kurse in der Schweiz.

Es wird entscheidend sein für seine Entwicklung. Denn Rolf Fringer macht mit ihm die Diplome. Fringer nimmt Löw 1995 als Assistent mit zum VfB Stuttgart.

Herr Löw, haben Sie den Trainer-Schein komplett in der Schweiz gemacht? Haben wir den Weltmeister-Trainer geformt?Ich habe ihn in der Schweiz fast beendet. Ich habe alle Trainer-Stationen bis zur Profi-Lizenz gemacht, aber damals war ich schon Trainer des VfB Stuttgart, weil Rolf Fringer zurück zur Nationalmannschaft ging. So hatte ich relativ wenig Zeit, alle Module zu besuchen. In der Endphase musste ich aus dem Trainer-Kurs aussteigen, weil wir im Pokalfinale und im Halbfinale des Europapokals standen. Da fehlte mir dann die Zeit – darum habe ich die letzten Scheine in Deutschland gemacht.

BLICK-Fussballchef Andreas Böni (l.) im Gespräch mit Jogi Löw.
Foto: Thomas Meier

Rolf Fringer ist das Stichwort. Haben Sie mitbekommen, dass Sion-Präsident Christian Constantin Ihren ehemaligen Chef-Trainer Rolf Fringer geschlagen hat?
Natürlich, klar. Das habe ich verfolgt, was da passiert ist.

Haben Sie sich mit Fringer ausgetauscht?
Ja, ich habe ihn vor diesem Anlass am Flughafen getroffen. Er war ja derjenige, der mich damals nach Stuttgart mitgenommen hat. Das war ja sozusagen mein Einstieg in den Profi-Fussball. Darum pflegen wir auch heute eine gute Beziehung zueinander.

2003 kehrt Löw beinahe wieder in die Schweiz zurück. Der FC Zürich sucht einen Nachfolger für Trainer Georges Bregy – und verhandelt mit Löw und Lucien Favre, der später zwei Meister-Titel mit dem FCZ holt.

Sie wären fast mal Trainer des FC Zürich geworden. Woran scheiterte es?
Ja, ich hatte mal eine Anfrage und auch ein sehr, sehr gutes Gespräch mit Sven Hotz. Er war ja der starke Mann damals beim FC Zürich, er machte sehr viel für den Verein. Damals hätte es fast geklappt. Ich weiss nicht mehr, warum es am Ende nicht zustande kam.

Löw redete einst mit Ex-FCZ-Präsident Sven Hotz über ein Engagement.
Foto: EQ Images

Heute sind Sie Weltmeister-Trainer. Und somit ist es undenkbar, dass Sie nochmals in der Schweiz arbeiten, oder?
Hier wird sehr gut gearbeitet. Vor allen Dingen, was die ganze Basisarbeit betrifft, ist die Schweiz vorbildlich. Die Trainer-Ausbildung ist auf einem hohen Niveau. Viele Spieler sind in grossen Ligen. Das ist sehr erfreulich für ein so kleines Land, in dem Fussball ja nicht so die absolute Nummer 1 – auch Eishockey und Skifahren haben ja Gewicht. Das zeigt, wie gut in der Schweiz im Fussball gearbeitet wird.

Sprechen wir noch über die WM. Worauf freuen Sie sich besonders?
So ein Turnier ist immer etwas Spektakuläres. Die besten Nationen der Welt messen sich, wir sehen die besten Spieler der Welt, die grossen Top-Stars. Eine WM hat immer ein spezielles Flair. Es ist als Trainer etwas Besonderes, weil man sich auf Spiele gegen Brasilien, Argentinien, Spanien oder Frankreich freut. Besondere Atmosphäre, besondere Anspannung – verbunden mit viel Tradition.

Befürchten Sie kein schlechtes Karma, weil Sie den Pokal hier im Fifa-Museum schon in Händen hielten?
Nein, ich habe den anderen Pokal vor 2014 auch mal in der Hand gehabt, ihn so halb angefasst. Von daher ist es für mich jetzt kein schlechtes Omen.

Joachim Löw setzt sich auf ein Podium. Beim Swiss Sport Forum im refomierten Kirchgemeinde-Haus in Zürich gibt er Einblicke in sein Leben als Bundestrainer.

Herr Löw, die Reisen bei der WM in Russland sind teils sehr lange und es gibt verschiedene Zeitzonen. Wie gehen Sie damit um?
Im Sommer hatten wir die Möglichkeit, das beim Confed-Cup ein wenig kennenzulernen. Russland hat elf verschiedene Zeitzonen, das ist eine Dimension, die uns bisher fremd war. Wenn um 21 Uhr Anstoss ist, fliegt man erst nachts zurück. Am nächsten Tag kann man nur regenerieren.  Daher ist es wichtig, den Ort des Mannschaftsquartiers gut zu wählen.

Bei der Auslosung sagte ein russischer Kollege, man solle in Moskau gut überlegen, für das Abschluss-Training am Tag vor dem Spiel ins Stadion zu fahren. Man könne danach zwei Stunden im Stau stehen. Ist das für Sie ein Thema oder ist eh klar, dass man das Abschluss-Training im Stadion absolviert?
In Brasilien haben wir manchmal auch schon im Team-Basecamp das Abschlusstraining absolviert. Es ist generell aber schon gut, wenn die Spieler im Stadion trainieren – gerade, wenn sie die Arena nicht kennen. Um ein Gefühl für den Rasen und die gesamte Arena zu bekommen. Wenn man allerdings weiss, dass der Weg zum Training 90 Minuten dauert, dann kann man auch mal eine andere Entscheidung treffen. Man muss flexibel sein.

Löw redet beim Swiss Sport Forum.
Foto: Thomas Meier

Der Video-Beweis gibt viel zu reden. Soll er bei der WM eingesetzt werden?
Es war ein Thema bei der Fifa-Tagung der Trainer vor der Auslosung. Ich bin ein Befürworter des Video-Beweises. In Deutschland gab es anfangs ein paar technische Probleme. Aber man muss neuen Dingen manchmal auch ein wenig Zeit geben. Mittlerweile sind in Deutschland aber knapp 40 richtige Entscheidungen getroffen worden durch den Video-Beweis. Der Fussball wird gerechter, und der Schiedsrichter verliert die Autorität nicht.

Sie stehen während der WM unter Strom. Wie gehen Sie körperlich damit um?
Während eines Turniers geniesse ich es sogar, auf solche Spiele arbeitet man als Trainer ja hin, darauf freut man sich. Ich weiss dann auch, dass wir bestens vorbereitet sein. Ausserdem weiss ich auch, dass ich ein sehr gutes Team um mich herum habe, lauter Experten, auf die ich mich hundertprozentig verlassen kann. Zwischen uns herrscht riesiges Vertrauen.

Und danach?
Du bist 8 Wochen mit 60 bis 70 Leuten unterwegs, alle arbeiten für ein Ziel. Dann erreichst du es, hast eine wahnsinnige Euphorie – irgendwann zuhause bist du alleine und du denkst: Was mache ich jetzt eigentlich? In den Wochen danach spüre ich den Stress. Da erwachst du mal nachts und es gehen dir Szenen durch den Kopf, die du während des Turniers schon vergessen hast. Es dauert Wochen, bis man wieder Orientierung findet. Man muss seinen eigenen Weg kennen und diesen gehen. Dann kann man das nächste Ziel angehen.

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