Es ist ein regnerischer Nachmittag im August 2012, als Rory Curtis auf der Schnellstrasse M42 in der Nähe von Birmingham unterwegs ist. Der damals 22-Jährige will die Spur wechseln, verliert auf der nassen Fahrbahn aber die Kontrolle über sein Auto – und kollidiert seitlich mit einem Sattelschlepper. Curtis verletzt sich beim Unfall schwer, erst nach 40 Minuten kann ihn die angerückte Feuerwehr aus dem Autowrack befreien. Angekommen im Spital wird er sofort ins künstliche Koma versetzt – eine Hirnverletzung macht diesen Schritt, neben einer zerschmetterten Hüfte und einem gebrochenen Ellenbogen, notwendig.
Erst nach sechs Tagen erwacht der junge Fussballer, der einst ein vielversprechendes Manchester-United-Talent war – und nun, zum Zeitpunkt des Unfalls, als semi-professioneller Kicker auch noch Sportwissenschaften und Psychologie studiert.
Als ihn eine Krankenschwester das erste Mal wieder anspricht, folgt die grosse Überraschung. Der junge Engländer spricht plötzlich fliessend Französisch! Und zwar so gut, dass sich die frankophone Krankenschwester prompt bei Rorys Vater erkundigt, aus welchem Teil Frankreichs die Familie denn stamme.
Dieser erklärt der verblüfften Frau den Sachverhalt, ist aber selbst so fasziniert, dass er weitere Recherchen anstellt. «Mein Vater hat sich erkundigt. Die Curtis-Familie kommt ursprünglich aus der Normandie, aber das geht ins Jahr 1800 zurück», so Rory Curtis gegenüber der «BBC».
Sprach der verunfallte Kicker also wegen seiner Vorfahren Französisch? Rory: «Es gibt viele Theorien, die besagen, dass ein Gehirn das Wissen über Generationen behalten kann. Verrückt.»
Heute ist er Coiffeur
Lange währen Curtis’ Französisch-Fähigkeiten aber nicht, rasch spricht er nur noch Englisch. Dafür bringt sein Gehirn zunächst noch andere Dinge durcheinander. Nach dem Erwachen aus dem Koma ist er überzeugt, zehn Jahre alt zu sein und erkundigt sich bald einmal bei seiner Mutter nach dem Familienhund. Nur: Dieser ist vor Jahren bereits verstorben. Später ist er überzeugt, Hollywood-Schauspieler Matthew McConaughey zu sein.
Erst mit der Zeit ordnen sich die Dinge in Curtis’ Kopf. Im November 2012 darf er das Spital verlassen, allerdings ist er da noch an den Rollstuhl gebunden. Die Ärzte geben der Familie zu Beginn die Prognose mit, Rory würde wohl nie mehr richtig laufen oder problemlos sprechen können.
Doch die Spezialisten täuschen sich. Innerhalb eines Jahres erholt sich der junge Mann vollständig. Und weitere zwölf Monate später steht er im Dress von Amateurklub Stourport gar wieder auf dem Platz. Nur: Fussball wird in seinem Leben nie mehr denselben Stellenwert einnehmen, wie er das zuvor getan hat.
Das runde Leder ist jetzt, acht Jahre später, immerhin noch Nebensache Nummer eins. Priorität geniesst mittlerweile aber eine andere Tätigkeit. Er übt nun denselben Beruf aus wie seine Mutter. Rory Curtis, das einstige ManUtd-Talent, ist jetzt Coiffeur. Mit eigenem Salon in Worcester. (mpe)