Uefa-Präsident Ceferin gesteht
«Haben Angst, dass der VAR das Spiel zu sehr verändert»

Im Anschluss an die Sitzung des Uefa-Exekutivkomitees kritisiert Präsident Aleksander Ceferin den Video-Assistenten mit deutlichen Worten.
Publiziert: 05.12.2019 um 15:24 Uhr
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Aktualisiert: 05.12.2019 um 15:32 Uhr
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Aleksander Ceferin spricht Klartext darüber, was er vom VAR hält.
Foto: AFP
Eynat Bollag

Früher hatte man auf den Linienrichter geschaut, ob die Fahne hochging (Abseits). Wenn das nicht der Fall war, konnte man zu fast 100% von einem Goal ausgehen. Heute wird die Szene, je nachdem, nochmals vom VAR (Video-Assistant-Referee) angeschaut und vielleicht ist dann beispielsweise ein Hands zu erkennen, das eine Minute vor dem Torschuss passierte, was dann wiederum Konsequenzen mit sich bringt. Das nur ein Beispiel, inwiefern der VAR das Fussballspiel heute beeinflusst und teils auch verändert.

Uefa-Präsident Aleksander Ceferin ist kein Fan vom VAR, wie er selber sagt. «Wenn Sie eine lange Nase haben, sind Sie in diesen Tagen in einer Abseitsstellung.» Der 52-Jährige ist äusserst unzufrieden mit der Handhabung der Abseits-Situationen des VAR. Ihn stört, dass die Abseitslinien zu genau sind. Ein Zentimeter Abseits verändert die Spielsituation nicht. «Zudem zieht der VAR die Linien. Es ist also eine subjektive Zeichnung von objektiven Kriterien», argumentiert er weiter. Daher wünscht sich der Slowene eine Toleranzgrenze von 10 bis 20 Zentimetern. Mit diesem Vorschlag driftet er aber total von der ursprünglichen Idee des VAR ab, die ja lautet, eine Schwarz-Weiss-Bestimmung machen zu können.

«Das Spiel verändert sich»

Weiter beschwert sich Ceferin über die VAR-Analyse beim Handspiel. Anhand einer Anekdote bei einer Tagung mit den Trainern Jürgen Klopp, Pep Guardiola, Max Allegri, Carlo Ancelotti, Zinédine Zidane beweist er die Mehrdeutigkeit der Handspielregel: «Alle Topcoaches unserer europäischen Teams waren da und unser Schiedsrichter-Chef zeigt ein Handspiel. Er fragt: ‹Handspiel, oder nicht?› Der halbe Raum sagt ‹Ja›. Die andere Hälfte sagt ‹Nein›. Also sag mir, wie eindeutig die Regel ist? Wir wissen es nicht.»

Für den Uefa-Präsidenten steht fest: «Das Spiel verändert sich. Und wir haben Angst, dass es sich zu sehr verändert.»

Der Fussball verliert an seiner Einfachheit. Früher galt doch die Aussage: Fehlentscheide gibt es immer, aber im Laufe einer Saison gleichen sie sich aus. Da mittlerweile aber so viel Geld im Spiel ist, möchte man Fehlentscheide natürlich auf ein Minimum reduzieren. Klar, die krassesten Fehlentscheide sollten durch den VAR vermieden werden. Die aktuelle Situation zeigt aber eindeutig, dass dieser auch viele neue Probleme schafft.

Problem 1: Das Spiel verliert an Fluss.

Problem 2: Den VAR bedienen Menschen und Menschen machen Fehler.

Problem 3: Kameraeinstellungen können täuschen. Beispiel: Für das Abseits wird ja mit einer kalibrierten Linie gearbeitet und da weiss man nicht genau, ob durch die Kameraeinstellung möglicherweise etwas verzerrt wurde.

Problem 4: Der Schiedsrichter sollte der Entscheider sein und der VAR eigentlich nur sein «Sensibilisierer» für Entscheide. In der Durchführung ist das aber leider ein etwas schwierigeres Unterfangen.
Aleksander Ceferin sagt sogar: «Die Schiedsrichter sollten die Verantwortung haben. Nicht irgendwelche Leute, die versteckt in einem Übertragungswagen oder in einem Gebäude 500 Kilometer vom Stadion entfernt sitzen.»

Problem 5. Keine Transparenz. Das IFAB (International Football Association Board) möchte deshalb die VAR-Entscheidungen für die Fans verbessern. Es gibt Überlegungen für eine Testphase, in der Schiedsrichter Durchsagen machen könnten oder zumindest der Schiedsrichterfunk im Fernsehen übertragen wird.

Am 29. Februar 2020 findet die Generalversammlung des IFAB statt, bei der Regeländerungen im Fussball beschlossen werden können. Es bleibt nur zu hoffen, dass auch dem Videobeweis genügend Zeit gewidmet wird.

Emotionen gehen kaputt

Generell kann gesagt werden, dass der VAR auf eine Art und Weise zwar für mehr Gerechtigkeit sorgt, für Zuschauer und Spieler aber teilweise schwierig zu handeln ist. Emotionen gehen kaputt, weil man sich nicht mehr richtig freuen oder ärgern kann. Wie man es nimmt.

Mario Gomez hat sich nach dem Spiel am Sonntag enorm enerviert und gesagt, er sei froh, dass er am Ende seiner Karriere sei. Der Stürmer hat für den VfB Stuttgart drei Tore geschossen und alle wurden vom VAR wieder als ungültig erklärt.

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