Soll man ihm tatsächlich glauben? «Um ehrlich zu sein, ist mir Geld schon lange ziemlich egal», sagte Mino Raiola (48) bereits vor zwei Jahren in einem Interview mit dem Magazin «11 Freunde». Doch allein für den Rekord-Deal, der den französischen Superstar Paul Pogba (23) für über 100 Millionen Franken von Juventus Turin zu Manchester United bringen soll, bringt dessen Berater gemäss englischen Medienberichten über 20 Mio. Franken ein. Zum Vergleich: Letzte Saison hatte ManU für Agenten total 14, die ganze Premier League 91 Mio. ausgegeben.
300 Mio. soll Raiola mit Transfers schon kassiert haben. Bereits seit 1993 und dem Wechsel von Dennis Bergkamp von Ajax Amsterdam zu Inter Mailand ist er dick im Geschäft.
Aber mit Pogba dürfte ihm in diesen Tagen das Meisterstück gelingen. Der in Süditalien geborene Holländer hat ManUtd nach allen Regeln der Kunst die Hosen runtergezogen. Die Engländer werden nun über 100 Mio. für einen Spieler hinblättern, den sie vor vier Jahren ablösefrei nach Italien ziehen lassen mussten.
«Ich habe ihm vom ersten Moment an misstraut», schrieb der langjährige United-Erfolgstrainer Sir Alex Ferguson in einer seiner Memoiren. «Wir wollten den Vertrag mit Pogba, der erst 18 Jahre alt war, verlängern. Doch plötzlich tauchte Raiola auf der Bildfläche auf. Unser erstes Treffen war ein Fiasko. Er und ich waren wie Öl und Wasser.»
In Manchester heisst es, Raiola habe unverschämte Lohnforderungen für das Talent, das nur 7-mal in der ersten Mannschaft zum Zug gekommen war, gestellt. Und Raiola behauptete: «Ferguson glaubte nicht an den Spieler, während es andere, allen voran Juve, taten.»
Inzwischen ist Pogba ein Superstar. Und United ist, seit der Schotte vor drei Jahren in Rente ging, notorisch erfolglos. So konnten Juve und Raiola, der alle Tricks des Metiers beherrscht, den verzweifelten, reichen Engländern in den Verhandlungen der letzten Wochen die Daumenschrauben anziehen.
Bei ManUtd wusste man schon vorher, mit wem man es zu tun hat. Schliesslich hatte Raiola in diesem Sommer schon Zlatan Ibrahimovic (ablösefrei von Paris St-Germain) und Henrikh Mkhitaryan (für 46 Mio. von Dortmund) zu den «Red Devils» gelotst. Und das kaum gratis.
«Ich bin ihre Familie»
«Ein guter Berater ist viel mehr als ein Vermittler in Vertragsverhandlungen. Er sorgt dafür, dass sich seine Spieler wohl und beschützt fühlen. Ich löse die Probleme meiner Klienten, wie es ein Vater täte. Ich bin ihre Familie», sagt Raiola.
Dazu passt die Anekdote, die er «France Football» erzählte. «Eines Nachts rief mich einer meiner Spieler (wohl Mario Balotelli, die Red.) an und sagte, dass es in seinem Haus brenne. Ich fragte, ob er die Feuerwehr gerufen habe. Er antwortete: ‹Nein.› Ich sagte: ‹Vielleicht solltest du das tun, bevor du mich anrufst!›»
Bei der ersten Begegnung habe ihn Raiola, der sieben Sprachen parliert, an die Mafiosi der TV-Serie «Sopranos» erinnert, erzählte Ibrahimovic. «Dieser sonderbare Typ soll ein Agent sein?», habe er sich damals gefragt. «Er bestellte uns genug Essen für fünf Personen. Und begann, sich vollzustopfen.»
Dass Raiola gerne isst, sieht man. Und es passt zu seinem Übernamen: «Pizzaiolo». Sein Vater war 1968 von Italien nach Holland ausgewandert und machte ein Restaurant auf. «Ich war der älteste Sohn, mein Holländisch war besser als das meines Vaters, also wurde ich sein Berater, sein Einkäufer, sein Geschäftsführer. Verhandeln und organisieren, das war mein Ding», sagte Raiola.
«Alles, was ich kann, habe ich im Restaurant gelernt. Mein Jurastudium war verschenkte Zeit. Anwälte kann ich mir schliesslich kaufen. Ich habe im Restaurant so ziemlich alles gemacht – gespült, gekellnert, nur eines nie: Pizza gebacken.» Derzeit trocknet er ManUtd ab.