Möchte man mehr über das Wunder von Bodö/Glimt erfahren, führt kein Weg an Aasmund Björkan vorbei. Der heute 47-Jährige kam hier zur Welt, spielte einst zwölf Saisons lang für den Klub, war danach zuerst Assistenz- und dann Cheftrainer der Gelb-Schwarzen und ist jetzt seit 2018 deren Sport-Direktor.
Mit anderen Worten: Björkan ist Bodö/Glimt. Und Bodö/Glimt ist Björkan. Doch was die letzten Wochen abgegangen ist, das hat auch der Norweger noch nie erlebt. Von der «New York Times» bis zum «Kicker» – alle wollen von ihm wissen, was hinter dem Fussballmärchen steckt. Warum der Provinz-Klub norwegischer Meister ist und dank dem 2:1-Sieg im Auswärtsspiel bei Strömsgodset Bodö/Glimt bereits fünf Runden vor Schluss den Titel auf sicher hat. Den ersten in der 104-jährigen Klub-Geschichte.
Oben ohne begeben sich die Bodö/Glimt-Spieler nach dem Sieg zur Feier vor das Hotel, in dem ihre Teamkollegen Patrick Berg und Marius Lode nach der Covid-Infektion beim Nationalteam Norwegens in Quarantäne sitzen. Während die Mannschaft unten feiert und Bier trinkt, jubeln ihnen die Quarantäne-Kicker vom Balkon aus zu.
Kleines Budget, grosser Erfolg
Herr Björkan, ist das, was momentan bei Ihnen abgeht, ein Märchen? «Eindeutig ja», sagt er zu BLICK, «es ist unglaublich. Wir haben nur etwa einen Viertel der Budgets von Klubs wie Rosenborg und Molde. Unser Team besteht aus Spielern aus unserer eigenen Akademie und aus solchen, die bei den anderen Vereinen nicht mehr erwünscht waren. Das macht unseren Erfolg noch spezieller.»
Für Björkan geht es um mehr als nur Fussball. Bodö liegt rund 15 Autofahrstunden von der Hauptstadt Oslo entfernt. Nördlich des Polarkreises. Gelegen an der legendären Hurtigruten. «Wir wollen die Menschen in Nordnorwegen stolz machen. Die Männer, aber auch die Frauen, sollen hier ihre fussballerischen Träume verwirklichen können.»
Die lange Reise des FC Vaduz
Dass Bodö, diese Stadt mit rund 50’000 Einwohnern, quasi am Ende der Welt liegt, das weiss auch Uwe Wegmann. 1999 reiste er als Spielertrainer des FC Vaduz in der Qualifikation zum Uefa-Cup nach Bodö. «Ja, wir waren sehr lange unterwegs», erinnert sich der Deutsche lachend, «ich weiss noch, dass wir in Oslo zwischenlandeten und später auch noch lange mit dem Bus unterwegs waren.»
Obwohl der damalige 1.-Liga-Klub Vaduz knapp ausschied, hat Wegmann nur positive Erinnerungen an diese Reise. «Bodö ist eine sehr schöne Stadt, direkt am Meer gelegen. Und es war 23 Stunden am Tag hell. Wir als reine Amateure schlugen uns damals erstaunlich gut.»
«Dieses Team wird in die Geschichte eingehen»
Zurück zu Björkan, der damals in den Spielen gegen Vaduz ebenfalls auflief. Auch diesen Sommer nahm der Klub in der Qualifikation zur Europa League teil und scheiterte nur knapp an der AC Milan (2:3). Dass die Mailänder danach gleich Bodö-Offensivmann Jens Petter Hauge für fünf Millionen Euro verpflichteten, für Björkan kein Problem. «Es ist normal, dass Jahr für Jahr unsere besten Spieler verkauft werden. Wir wurden trotzdem immer stärker und stärker. Auch dank unserem Trainer Kjetil Knutsen. Wir werden wieder neue Stars rausbringen.»
Björkan verabschiedet sich höflich. Die Arbeit ruft. Kurze Zeit später meldet er sich noch einmal per Mail. «Noch ein Punkt: Es ist nicht nur, dass wir Meister werden, wir haben fast alle Rekorde im norwegischen Fussball gebrochen. Die meisten Siege. Die meisten Tore. Die meisten Punkte. Die längste Siegesserie. Dieses Glimt-Team wird in die Geschichte eingehen. Es ist unglaublich.»