Sommer jubelt, Okafor sitzt – bis in die 77. Minute
Erstes Schweizer Mailand-Derby seit 112 Jahren

Erstes Schweizer Mailand-Derby seit 112 Jahren! Für Sommer und Inter ein denkwürdiges: Gleich 5:1 gewinnen die Interisti gegen Milan und Noah Okafor. Das «Derby della Madonnina» ist ein Erlebnis, das für immer in Erinnerung bleibt.
Publiziert: 17.09.2023 um 00:13 Uhr
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Aktualisiert: 17.09.2023 um 12:11 Uhr
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Ohrenbetäubender Lärm: Das Einlauf-Mädchen hält sich vor dem Mailand-Derby die Ohren zu. Yann Sommer erkundigt sich.
Foto: Toto Marti
Michael Wegmann (Text) und Toto Marti (Bilder) aus Mailand

Yann Sommer schwärmt im Nati-Camp von der «emotionalen und brutal lauten» Stimmung im San Siro. Er freue sich riesig auf sein erstes Mailänder Derby, Ex-Milan-Verteidiger Ricardo Rodríguez habe ihm davon vorgeschwärmt, so Sommer weiter. «Das Mailänder Derby sei der Wahnsinn. Es wird noch lauter als brutal laut.»

Am Samstag ist es dann so weit: Sommers erstes «Derby della Madonnina» ist das 238. in der Geschichte. An diesem Tag ist Mailand jeweils zweigeteilt: Inter gegen Milan. Nerazzurri gegen Rossoneri. Schwarz-Blau gegen Rot-Schwarz. Und diesmal mittendrin zwei Rot-Blaue. Zwei Basler. Nebst Sommer auch Milan-Stürmer Noah Okafor. Sommers Nati-Kollege muss erstmal aber mit dem Platz auf der Bank vorliebnehmen.

112 Jahre hat die Schweiz gewartet

Ein Schweizer Duell im Mailänder Derby? Das gabs in der Neuzeit noch nie. 1911 soll es das letzte Mal gewesen sein, als Oscar Engler mit Inter auf Edi Pichler-Ott und Milan traf. Jetzt heissts Sommer gegen Okafor. Im Vorfeld fragte Blick Okafor, ob er als erster Spieler Sommer in der Serie A bezwingen werde. «Das werden wir sehen, wer weiss? Vielleicht!», antwortet dieser und schmunzelt.

Vor Anpfiff herrscht vor dem ausverkauften Stadion zwar mächtig Betrieb, was den neuen Inter-Keeper angeht, aber langweilige Übereinstimmung. Als Blick ein paar Inter-Fans ankickt und wissen will, was sie vom Schweizer Nati-Goalie halten, schwärmen alle. Einer sagt: «Weltklasse!» Ein zweiter: «Ein Transfer-Coup von Inter.» Ein dritter: «Einer der besten Goalies weltweit in den letzten Jahren, schön, dass er bei uns ist.» Wer ist Fan-Liebling Nummer eins bei Inter anhand der Trikots, die spazieren geführt werden? Keine Frage: die «Nr. 10», Lautaro Martínez.

Ohrenbetäubender Lärm

«Noch lauter als brutal laut» ist nicht übertrieben. Einen Vorgeschmack gibts, als Sommer mit seinen Kollegen den Platz betritt. Der Applaus der Interisti, die Pfiffe der Milanisti aus der Südkurve. Ohrenbetäubend. Noch ein paar Dezibel mehr dann, als die Spieler den Platz betreten. Es ist so laut, dass das Mädchen, das mit Sommer einlaufen darf, sich die Ohren zuhält.

Der Schrecken steht ihr ins Gesicht geschrieben. Sommer scheints zu geniessen, wirkt cool und konzentriert. Wegen solchen Emotionen liebe er den Fussball, meinte er ja kürzlich.

Sommer nicht wirklich geprüft

Keiner im Stadion hört den Anpfiff, doch Inter erwischt einen perfekten Start. Knapp vier Minuten sind gespielt, da stehts schon 1:0. Sommers ehemaliger Gladbach-Teamkollege Marcus Thuram leitet mit einem Energieanfall den Führungstreffer ein – der Armenier Henrikh Mkhitaryan trifft.

Sommer macht den Faustjubel. Obwohl Milan mehr Ballbesitz hat als das Heimteam, kann sich Sommer nicht gross auszeichnen. Seine stärkste Parade in den ersten 45 Minuten? Der tolle Reflex gegen Milan-Star Rafael Leão. Dieser steht zwar im Abseits, Szenenapplaus gibts dennoch.

Mann des Derbys wird Sommer nicht. Kann er gar nicht, wenn er so wenig geprüft wird. Oder wenn Thuram so ein Traumtor schiesst. Quasi aus dem Stand und mit voller Wucht schlenzt er den Ball in der 38. Minute ins Lattenkreuz. Jetzt explodiert das San Siro! Die Tribüne wackelt, weil alles springt und singt. Sommers Einlauf-Mädchen ist hoffentlich in den Katakomben oder schon zu Hause.

Leão bezwingt Sommer

Noch ist Sommer in der Serie A die ersten drei Partien ohne Gegentor geblieben. Das hält bis zur 58. Minute. Bis Leão Matteo Darmian enteilt und einschieben darf. Milan hofft. Doch nicht lange. Mkhitaryan stellt Minuten später mit seinem zweiten Tor den Zwei-Tore-Vorsprung wieder her.

Milan-Coach Stefano Pioli versuchts in der 77. Minute mit einem Dreifachwechsel. Unter anderem bringt er Okafor für Olivier Giroud. Die Wirkung der Wechsel verpuffen, kaum sind Okafor, Jovic und Florenzi auf dem Platz. Calhanoglu setzt dem Mailänder-Derby per Penalty den Deckel drauf. Ab jetzt wird in der Curva Nord nur noch gesungen. Sommer jubelt wieder. Auf der Tribüne tuts ihm seine Frau Alina mit den Töchtern und Yanns Eltern Monica und Daniel gleich.

Inter zementiert Vormachtstellung

Bis die Familie ein neues Zuhause gefunden hat, lebt Yann zwar noch alleine in Mailand, das «Derby della Madonnina» lässt sich aber niemand entgehen. Für Interisti wirds ein einziger grosser Triumph. Denn Davide Frattesi macht tief in der Nachspielzeit noch das 5:1. Ein unglaublich effizientes Inter prügelt Milan im Spitzenkampf aus dem San Siro, bleibt Leader der Serie A und zementiert mit dem fünften Derby-Sieg in Serie auch die Vormachtstellung in der Modestadt.

Milan-Joker Okafor hat im ersten Schweizer Duell im Mailänder-Derby nicht gestochen. Einziger Wermutstropfen bei Inter-Keeper Sommer: Er ist seine weisse Weste in der Serie A los. Aber damit werden er, seine Familie und alle Interisti, die auch das fünfte Mailand-Derby im Jahr 2023 gewinnen, gut leben können. Schlusswort von Inter-Trainer Simone Inzaghi: «Ich bin total happy für die ganze Inter-Familie.»

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