Eigentlich stehen für die Squadra Azzurra in diesen Tagen wichtige Spiele für die EM-Qualifikation an. Malta (Samstag) und England (Dienstag) heissen die Gegner. Darüber spricht im Land des Stiefels derzeit aber niemand. Denn der italienische Fussball versinkt mal wieder in einem Wettchaos. «Choc Nazionale», titelt der «Corriere della Sera».
Diesmal geht es nicht um Wetten, wie bei Calciopoli, als vor gut zwanzig Jahren systematisch Spiele gekauft und verkauft wurden. Nein, diesmal geht es um Wetten auf bestimmte Spielereignisse – Gelbe Karten, Freistösse, Eckbälle usw. Mittendrin: Nicolò Fagioli (22, Juventus), Nicolò Zaniolo (24, Aston Villa), Sandro Tonali (23, Newcastle) und Nicola Zalewski (21, Roma). Alles Spieler, die bei den grössten Klubs Italiens gespielt haben oder noch immer dort spielen und Nationalspieler Italiens bzw. Polens sind. Gegen sie ermittelt nun die italienische Staatsanwaltschaft.
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Lange Spielsperre droht
Denn es besteht der dringende Verdacht, dass die vier Spieler gegen Artikel 24 des «Codice di giustizia sportiva» verstossen haben. Im Regelbuch des italienischen olympischen Komitees (Coni) steht, dass Mitglieder eines Sportverbands nicht auf den Sport wetten dürfen, in dem sie selbst aktiv sind. Bei Verstoss droht laut Reglement eine Spielsperre von «mindestens drei Jahren», die auch international gültig wäre. Noch höher könnte sie ausfallen, sollte ein Spieler auf Spiele seines eigenen Teams wetten. Genau das wird Zaniolo vorgeworfen. Er soll, als er noch bei der Roma spielte und verletzt war, bei einem Cup-Spiel gewettet haben.
Wetten auf bestimmte Spielereignisse sind kein neues Phänomen. Längst hat sich diese Art von Sportwette etabliert und sich zu einem lukrativen Geschäft entwickelt. Denn nicht selten wird mit exorbitanten Summen gespielt. Laut Schätzungen erwirtschaften die in Italien aktiven und illegalen Wettplattformen einen Jahresumsatz von über 18 Milliarden Euro. Seit gut einem Jahr laufen, geführt von Staatsanwältin Manuela Pedrotta, die sich sonst mit Terrorismus und organisiertem Verbrechen beschäftigt, entsprechende Ermittlungen.
Corona ist wieder da
Die vier beschuldigten Spieler sind die ersten Erkenntnisse daraus. Zuerst darüber berichtet hat aber nicht etwa die Staatsanwaltschaft, sondern eine Person mit Insiderwissen, die alles andere als ein Freund der Justiz ist: Fabrizio Corona (49). Ein Mann mit einer bewegten Vergangenheit. Zu Beginn der Nullerjahre hat er sich als «Paparazzo» einen Namen gemacht. Mit Bildern von berühmten Persönlichkeiten hat er sich ein Vermögen aufgebaut. Dabei griff er zu perfiden Mitteln.
Dutzenden prominenten Personen hatte Corona gedroht, kompromittierende Bilder von ihnen zu veröffentlichen, falls sie ihn nicht bezahlten. Zu den Opfern zählte unter anderem der französische Fussballstar David Trezeguet, der damals gestand, 20'000 Euro für Fotos von ihm und einem Model hingeblättert zu haben.
2007 flog der Skandal um Corona auf. Sechs Jahre später wurde er verurteilt. Nach tagelanger Flucht wurde er schliesslich in Lissabon verhaftet. Vor knapp zwanzig Tagen ist er aus der Haft entlassen worden. Jetzt ist er wieder da – laut wie eh und je. Lange hat er jedenfalls wirklich nicht gebraucht, um seinen Namen wieder in der Öffentlichkeit zu platzieren.
Amerikas Staatsfeind Nr. 1 als Vorbild
Die Wett-Bombe liess Corona auf seiner vor wenigen Tagen gegründeten Plattform «Dillingernews» platzen. Benannt ist sie nach einem ehemaligen US-amerikanischen Gangster, der sich zwischen dem Ersten und Zweiten Weltkrieg, mit seiner Bande auf Bankraub spezialisierte. Das FBI erklärte ihn damals als erste Person überhaupt zum «Staatsfeind Nr. 1». Corona sieht sich seinerseits ebenfalls als Staatsfeind. Wohl auch deshalb will der bekennende Inter-Fan den Italienern nun die Liebe zum Calcio nehmen, indem er dreckige Geheimnisse des Fussballs leakt.
Man werde sich noch wundern, was sonst noch herauskommt, meint Corona. Die bereits bekannten Namen könnten nur die Ersten einer langen Liste sein. Davon sind inzwischen alle in Italien überzeugt. «Wir stehen erst am Anfang dieser Geschichte», schreibt «La Repubblica».
Blackjack statt Wette
Drei der vier Beschuldigten haben sich öffentlich zum Sachverhalt noch nicht geäussert. Nur Fagioli hat schon gestanden und sich dabei als spielsüchtig bekennt, in der Hoffnung, seine Strafe etwas drücken zu können. Gerüchten zufolge soll sich inzwischen auch Zaniolo zu Wort gemeldet haben. Demnach soll er zugegeben haben, dass er regelmässig Blackjack spiele. Von Wetten wisse er allerdings nichts.
Zu Ermittlungszwecken hat die italienische Justiz die Telefone und Tablets der Spieler sichergestellt. Die Ergebnisse der Untersuchungen werden schon sehnsüchtig erwartet. Bis dahin müssen sich die italienischen Fussballfans mit Fussball begnügen. Gegen Malta und England müssen Punkte her, sonst droht neben dem Wettchaos auch eine verpasste EM-Qualifikation. Das wäre der ultimative Super-Gau.
Mannschaft | SP | TD | PT | ||
---|---|---|---|---|---|
1 | SSC Neapel | 12 | 10 | 26 | |
2 | Atalanta BC | 12 | 16 | 25 | |
3 | AC Florenz | 12 | 15 | 25 | |
4 | Inter Mailand | 12 | 12 | 25 | |
5 | Lazio Rom | 12 | 11 | 25 | |
6 | Juventus Turin | 12 | 14 | 24 | |
7 | AC Mailand | 11 | 6 | 18 | |
8 | Bologna FC | 11 | 2 | 18 | |
9 | Udinese Calcio | 12 | -3 | 16 | |
10 | FC Empoli | 12 | -1 | 15 | |
11 | FC Turin | 12 | -3 | 14 | |
12 | AS Rom | 12 | -3 | 13 | |
13 | Parma Calcio | 12 | -2 | 12 | |
14 | Hellas Verona | 12 | -10 | 12 | |
15 | Como 1907 | 12 | -10 | 10 | |
16 | Cagliari Calcio | 12 | -10 | 10 | |
17 | Genua CFC | 12 | -13 | 10 | |
18 | US Lecce | 12 | -16 | 9 | |
19 | AC Monza | 12 | -5 | 8 | |
20 | FC Venedig | 12 | -10 | 8 |