Droht wieder der Zwangsabstieg?
Das bedeutet der grosse Juve-Knall

Der Rücktritt der gesamten Juve-Führung hat in Turin das pure Chaos ausgelöst. Der Klub steht vor einer unsicheren Zukunft – wie 2006.
Publiziert: 29.11.2022 um 15:40 Uhr
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Andrea Agnelli ist am Montagabend von seinem Amt als Juve-Präsident zurückgetreten.
Foto: AFP
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Carlo Emanuele FrezzaReporter Fussball

Wie aus heiterem Himmel herrscht im italienischen Fussball das pure Chaos. Dafür sorgt mit Juventus ausgerechnet der Rekordmeister und Klub mit den meisten Fans im Lande. Die gesamte Geschäftsleitung um Präsident Andrea Agnelli (46) sowie Vize Pavel Nedved (50) hat am Montagabend den Rücktritt bekannt gegeben.

Seit knapp einem Jahr ermittelt die Turiner Staatsanwaltschaft gegen Juventus. Es geht um Bilanzfälschung, Kommunikation falscher Zahlen an die Börse, Unregelmässigkeiten bei Spielertransfers und Verhinderung von Revisionen. Die Akte heisst «Prisma». In den vergangenen Wochen hat sich die Schlinge immer mehr zugezogen. Agnelli, Nedved und die weiteren Manager haben keinen anderen Ausweg gesehen, als zu gehen.

Systematisch getrickst

Es ist kein Geheimnis, dass Juventus finanziell angeschlagen ist. Im letzten Geschäftsjahr hat der Klub einen Verlust von 254 Millionen Euro eingefahren. Erklärt hat Agnelli das Millionen-Minus simpel mit der Corona-Pandemie. Dasselbe hat er in den Jahren davor getan. Doch das ist nur ein winziger Teil der Wahrheit.

Die Ermittler haben die Bilanzen der Jahre 2019, 2020 und 2021 (Geschäftsjahr per Ende Juni) unter die Lupe genommen. Während der Klub in diesen drei Bilanzen zusammengerechnet auf einen Verlust von 337 Millionen Euro kommt, kommen die Ermittler auf ein Minus von 542 Millionen. Sagenhafte 205 Millionen Euro Unterschied.

Getrickst haben Agnelli und Co. vor allem bei Transfers. So hätten sie systematisch den Wert von Spielern künstlich aufgeblasen. Zudem gibt es noch ein «Blatt Papier, das es nicht geben dürfte». Dabei geht es um die Personalie Cristiano Ronaldo, der zwischen von 2018 bis 2021 unter Vertrag stand.

Die Akte «Prisma» liegt nun bei Giuseppe Chiné, dem Chefankläger der Turiner Staatsanwaltschaft. Er analysiert die Unterlagen Seite für Seite und entscheidet, wie es weitergeht.

Droht der Zwangsabstieg?

Sportlich hat der Knall in der Geschäftsleitung noch keine Konsequenzen. Das könnte sich bald ändern. Was passieren könnte, dürfte den Juve-Fans gar nicht gefallen. Denn die Situation erinnert an den Manipulationsskandal «Calciopoli» im Jahr 2006. Es drohen Bussen über Punktabzüge bis hin zum Zwangsabstieg. Juventus steht wieder am Abgrund.

Agnelli ist seit 2010 Präsident von Juventus. In dieser Zeit hat er den Klub wieder an die Spitze des italienischen Fussballs gebracht. Nur die Krönung, der Gewinn der Champions League, hat ihm dabei gefehlt. Zweimal scheiterte die «Alte Dame» im Final. Doch jetzt ziehen dunkle Wolken über die zwölf erfolgreichen Jahre auf. In den Worten von Agnelli: «Es ist eine heikle Situation für den Verein.»

Das Sagen im Klub hat nun Gianluca Ferrero. Das hat Exor, die Holdinggesellschaft der Familie Agnelli, die Juventus kontrolliert, am Dienstag entschieden. Ferrero ist nicht nur Mitaktionär von Exor, sondern von Beruf Steuerberater und Wirtschaftsprüfer. «Er ist die geeignetste Person für diese Position», schreibt die Holding. Die Kandidaten für die Neubesetzung des Verwaltungsrats will sie bis Mitte Dezember bekannt geben.

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