Sepp Blatter im Exklusiv-Interview tief geschockt
«Ich fühle mich von meinen eigenen Leuten verraten»

Sepp Blatter (81) vermutet eine Fifa-interne Verschwörung gegen sich. Hier packt er aus – und verrät: «Ich habe als WM-Bonus 10 Millionen erhalten.»
Publiziert: 13.08.2017 um 00:01 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 08:05 Uhr
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Sepp Blatter auf dem Sonnenberg in Zürich. Im Hintergrund weht nahe des alten Hauptsitzes eine Fifa-Flagge im Wind.
Foto: foto-net / Teamfoto
Andreas Böni

Ein Komplott seiner eigenen Leute habe Sepp Blatter (81) als Fifa-Präsident gestürzt, schreibt der «Spiegel». Und präsentiert einen 8-seitigen Vertrag der Fifa mit der Kanzlei Quinn Emanuel. Er soll beweisen, wie man Blatter hintergangen hat.

Der Inhalt: Fifa-Chefjurist Marco Villiger beauftragt die Anwälte im Dezember 2014 damit, die Fifa-Interessen gegenüber der USA zu vertreten – obwohl man zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht weiss, dass die US-Justiz bald zuschlagen wird. Im Januar, 142 Tage vor den Festnahmen im Baur au Lac, unterschreiben Ex-Finanzchef Markus Kattner sowie der Ex-Generalsekretär Jérôme Valcke den Vertrag. Rechtlich ist alles in Ordnung, da sie zeichnungsberechtigt sind – aber das Brisante daran ist: Keiner informiert den Boss. Man lässt Blatter aussen vor - er vermutet eine interne Verschwörung und ist «tief geschockt».

Blatter sitzt im Restaurant Sonnenberg hoch über Zürich. Ein Glas Weisswein vor sich, etwas spanischen Schinken, Cervelat, Bündnerfleisch und Parmesan. Er sagt: «Ich glaubte immer an ein internationales Komplott gegen mich. Dass die USA mich im Visier hatten, weil die Amerikaner die WM 2022 nicht erhalten hatten. Aber ein internes Komplott? Nie im Leben», sagt er. Nun fühlt er sich von den eigenen Leuten hintergangen.

BLICK: Herr Blatter, belogen, betrogen und verraten – was trifft Ihr Empfinden am besten?
Sepp Blatter: Harte Worte, aber ja, verraten komme ich mir vor. Und auch hintergangen. Da weiss man bei der Fifa, dass von den USA etwas droht, aber der Boss wird nicht informiert. Es scheint wie ein intern abgekartetes und falsches Spiel.

Inwiefern?
Versetzen Sie sich in meine Situation. Ich war völlig ahnungslos, dass der Fifa etwas von der US-Justiz droht. Heute habe ich von einem Angeklagten aus Südamerika schriftliche Beweise, dass die Schweizer Justiz bereits im März 2015 von der amerikanischen Justiz eine Liste bekommen hatte, wen man verhaften möchte. Wenn ich gewusst hätte, dass Gefahr von der US-Justizbehörde im Anzug ist, hätten wir uns vorbereiten, besser verteidigen und insbesondere gegen die Korruptionsfälle in Nord- und Südamerika vorgehen können.

Wurde der Bundesrat informiert?
Die damalige Bundespräsidentin und Justizministerin Simonetta Sommaruga hat es gewusst, aber offenbar die anderen sechs Mitglieder des Bundesrates nicht informiert. Was mir Ueli Maurer am 28. Mai 2015 – einen Tag vor dem Fifa-Kongress in Zürich – bestätigte. Frau Sommaruga sagte nachher nur, sie wisse nicht, warum ich mich aufrege, ich sei ja nicht auf der Liste gewesen... Heute weiss ich: Die Fifa war gewarnt, nur ich nicht. Darum ist das Verhalten meiner Mitarbeiter noch schlimmer.

Sie haben alle selber ausgewählt.
Ja, und besonders bei meinen Generalsekretären hatte ich kein gutes Händchen. Zudem war Chef-Jurist Marco Villiger, der heute noch bei der Fifa arbeitet, mein Vertrauensmann. Und dieses Vertrauen hat er offenbar missbraucht. Nun soll er hinter dieser Sache stecken – und er war es offenbar nach meinem Kenntnisstand auch, der mich bei der Bundesanwaltschaft wegen der Zahlung über zwei Millionen an Michel Platini gemeldet hat und ihr Informationen zuspielte. Wenn es so war, ist das eine riesige menschliche Enttäuschung.

Die Bundesanwaltschaft eröffnete gegen Blatter ein Verfahren wegen ungetreuer Geschäftsbesorgung. Zwei Millionen Franken hatte der Fifa-Boss im Februar 2011 an Platini überwiesen – für von 1999 bis 2002 geleistete Dienste. Platini und er verstritten sich und Blatter sagt: «Ich war unvorsichtig, aber nie korrupt.» Villiger lässt über die Pressestelle der Fifa ausrichten, dass sich der Weltverband nicht zu den neuen Erkenntnissen äussere. 

Herr Blatter, am 27. Mai 2015 ging die Verhaftungswelle im Baur au Lac los. Wussten Ihre drei Mitarbeiter davon?
Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie nicht wussten, dass etwas kommt. Mir fiel an jenem Morgen die Welt auf den Kopf, den anderen offenbar nicht. Aber nun erscheint alles in neuem Licht.

Kattner, Valcke und Sie waren eng verbandelt. Die Fifa veröffentlichte ein Dokument, wonach Valcke, Kattner und Sie sich 79 Millionen Franken an WM-Boni zuschanzten. Das geht gar nicht!
Ich weiss nicht, was die anderen bekommen haben. Ein Journalist rechnete mir vor, ich hätte für die WM 2014 in Brasilien 12 Millionen bekommen. Ich habe aber keinen Rappen kassiert bis heute. Was stimmt, ist, dass ich 2010 einen Bonus von etwa 10 Millionen Franken bekommen habe.

10 Millionen? Im Ernst?
Ja, es war für die besondere Leistung, dass ich die WM erfolgreich nach Afrika gebracht habe. Das war klar deklariert und versteuert.

War es ein Komplott? Valcke bezeichnet die Geschichte in «Le Monde» als «Anklage ohne Grundlage». Kattner sagt im «Spiegel», er habe täglich viele Verträge unterzeichnen müssen – und dieser sei mit dem Stempel von Chefjurist Villiger versehen gewesen. «Wenn der Stempel des Chefjuristen als Zeichen seiner Prüfung und Gutheissung drauf war, habe ich mich darauf verlassen, dass alles richtig ist, und unterschrieben.»

Was schwer zu verstehen ist: Warum trinken Ihr Nachfolger Gianni Infantino und Sie nicht mal eine Flasche Wein zusammen und vertragen sich? Dieser Hass auf allen Seiten ist doch für niemanden gut.
Ich habe keinen Hass auf ihn, ich kann ihn nur nicht verstehen und er will nicht mit mir reden. Ich lade ihn gerne zum grossen Doppelinterview mit BLICK ein. Ich habe keine Berührungs-Ängste. Fragen Sie ihn mal. Ich bin dabei.

Aber warum diese tiefe Abneigung?
Als er gewählt wurde, habe ich ihm gratuliert. Er bedankte sich und als er eines Abends auf dem Weg nach Hause war, hat er mich angerufen und wir hatten einen schönen Abend bei mir. Ich richtete ein Plättchen, wie wir es hier essen, und tischte eine Flasche Rotwein auf. Ich sagte ihm, dass ich in der Fifa ein paar Dinge zu erledigen hätte und er sagte: «Mach mir eine Liste». Diese gab ich ihm ab – seither erreiche ich ihn nicht mehr.

Okay, aber wenn ein Freund wie Jean-Paul Brigger sich distanziert, schmerzt das mehr, oder?
Jean-Paul ist Jean-Paul. Ich würde ihn nicht in die Pfanne hauen, er wollte einfach seine Position bei der Fifa behalten und kam mit Gianni gut klar.

Wären Sie heute noch gerne Fifa-Präsident?
Nein. Das Einzige, was ich mir wünsche, ist, dass meine Arbeit anerkannt wird. Ein gläubiger Moslem sagte mir: «Verlieren Sie nicht Ihre Energie, sich zu verteidigen. Die Gesellschaft wird Sie verteidigen.»

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