Das Monumental-Stadion ist Teil der Geschichte des universellen Fussballs. Nicht nur, weil es das grösste Fussballstadion Argentiniens und zugleich Hauptquartier von River Plate ist. Es ist eine Ikone, vor allem, weil dort Argentinien 1978 seinen ersten Fussball-Weltmeistertitel gewann. Seit dieser Woche ist das Monumental jedoch etwas anderes: ein Fussballstadion, das es wagte, seine Türen zu öffnen, damit die Obdachlosen im Winter von Buenos Aires für eine Nacht der Gefahr des Kältetodes ausgesetzt sind. In den vergangenen zwei Wochen ereilte dieses Schicksal bereits fünf Menschen.
«Am Dienstag sind wir durch die Strassen gegangen, um die Obdachlosen vor der Kälte zu schützen, ihnen Essen zu geben und mit ihnen zu sprechen. 100 von 300 Personen haben beschlossen, über Nacht zu bleiben», sagte Stefano Di Carlo, Vizepräsident von River Plate, zu BLICK. Einige schliefen in der Clubgarage, andere im Karate-Fitnessstudio und eine kleine Gruppe im River Plate Museum.
Die Initiative, eine Idee von Red Solidaria (Solidar-Netzwerk), angeführt von Juan Carr, wurde erst einen Tag zuvor bekannt gegeben, aber der Erfolg ist fulminant. Am Mittwochabend begeben sich dutzende Menschen zum Monumental. Dort warten sie auf Unterkunft, Decken, eine Matratze und warmes Essen.
Nicht überall kommt die Aktion gut an
Die Temperaturen überschreiten in Buenos Aires im Winter selten die Null-Grad-Grenze, aufgrund der Luftfeuchtigkeit liegt die gefühlte Temperatur aber noch einmal deutlich niedriger. Diese Woche hat es in der Provinz Buenos Aires geschneit, etwas Ungewöhnliches. Der Winter im Süden der Erdkugel kam in den letzten Tagen mit aller Wucht. Die Wirtschaftskrise von 2018 erhöhte die Anzahl der auf der Strasse schlafenden Menschen. Während die Stadtverwaltung von 1146 Personen ausgeht, schätzen soziale Organisationen die Zahl der Obdachlosen auf 4000.
Die Aktion von River und Carr löst bei der Regierung Unmut aus. Einige Beamte sehen darin den Versuch, die Schwierigkeiten der Wirtschaftskrise in den öffentlichen Fokus zu rücken. Rodolfo D'Onofrio, der Präsident von River, pflegt ein gutes Verhältnis zu Präsident Mauricio Macri, Präsident des Landes. Trotzdem weist er immer wieder darauf hin, dass er ideologisch sehr weit von ihm entfernt ist.
Abgesehen von der Politik bringt die Nacht einen magischen Moment. In der riesigen Garage steht ein Klavier. Carlos, einer der Obdachlosen, sitzt vor ihm und gibt ein Konzert.
«Ich habe mit vier Jahren Klavier gelernt. Bei meinem Examen kamen Leute aus Italien. Ich wurde einer der zwanzig besten Pianisten des Landes», erklärte der Mann, der seinen Job verlor und auf der Strasse landete. «Es war ein Genuss, mit so vielen Menschen die Musik und einen warmen Abend zu teilen».
Einen Tag später schläft Carlos wieder auf der Strasse.