Das brasilianische Fussballteam Chapecoense ist am 28. November 2016 auf dem Weg zum Endspiel der Copa Sudamericana gegen Nacional Medellín aus Kolumbien. Kurz vor der Landung geht der Treibstoff aus. Die Maschine mit 77 Passagieren an Bord stürzt ab. 71 Menschen, darunter 19 Spieler, sterben. Nur sechs überleben. Vor Kurzem wurde der Untersuchungsbericht der Flugbehörden vorgestellt und offenbarte eklatante Fehler der Fluggesellschaft und des Piloten. Aus Kostengründen war die Maschine nur mit 9,3 Tonnen statt der für den vierstündigen Flug vorgeschriebenen 11,6 Tonnen Treibstoff betankt. 40 Minuten vor der Ankunft gab der Pilot eine erste Sprit-Warnung an die Flugüberwachung durch. Er hätte zu diesem Zeitpunkt noch die Ausweich-Flughäfen Cali und Bogotá erreichen können, entschied sich aber dagegen.
Herr Ruschel, wie geht es Ihnen?
Es geht mir gut. Ich bin glücklich.
Und körperlich?
Ich fühle mich hundertprozentig fit. Ich konnte schon zehn Monate nach dem Absturz wieder Fussball spielen. Das war bei einem Benefizspiel zugunsten der Opferfamilien in Barcelona. Gegen Messi und all die anderen Stars von Barcelona. Ein sehr bewegender Augenblick.
Stört es Sie, dass Sie dauernd über den Flugzeugabsturz Auskunft geben müssen?
Ich habe mich daran gewöhnt. Es ist Teil meines Lebens.
Sie müssen praktisch zu jedem Spiel im Flugzeug anreisen…
…Sie wollen wissen, ob mir das etwas ausmacht?
Haben Sie Flugangst?
Ich mag es nicht, wenn es schüttelt, wenn es Turbulenzen hat. Aber ich wusste, dass ich das würde überwinden müssen. Fliegen ist eine Notwendigkeit in einem derart grossen Land wie Brasilien.
Haben Sie Albträume?
Nein, Gott sei Dank nicht.
Wie oft denken Sie an den Absturz zurück?
Ich versuche, nicht allzu oft daran zu denken. Ich suche Kraft in Gott und versuche dieses Unglück so gut es geht zu bewältigen. Aber das ist schwierig. Irgendwann am Tag denkst du trotzdem daran. Auch, weil das Thema immer wieder in den Medien kommt.
Vor Kurzem wurde der Untersuchungsbericht veröffentlicht: Der Pilot wusste schon 40 Minuten vor dem Absturz, dass der Treibstoff nicht bis zum Flughafen reichen würde. Was ging Ihnen durch den Kopf, als Sie das hörten?
Da fragt man sich natürlich: Weshalb war das Flugzeug unzureichend betankt? Hätte der Pilot nicht eine andere Entscheidung treffen können, als den Zielflughafen anzusteuern? Hätte man all die Menschenleben nicht retten können? Aber man darf sich diese Fragen nicht immer aufs Neue stellen. Es musste passieren. Ich darf nicht jeden Tag zurückschauen.
Haben Sie mitbekommen, dass es Probleme gab im Cockpit?
Nein. Die Stimmung an Bord war gut, wir haben geredet, gelacht und darauf gewartet, dass wir landen würden. Die Landung wurde angekündigt. Das Flugzeug war im Sinkflug, aber dann zog sich die Landung hin. Allmählich merkten wir, dass etwas nicht in Ordnung war. Dann gingen plötzlich alle Lichter im Flugzeug aus, die Motoren verstummten.
Was geht da in einem vor?
Wir wussten nicht, was los war. Aber es brach keine Panik aus. Es dauerte ja auch nur ein paar Minuten, dann kam schon der Aufprall.
Haben Sie daran Erinnerungen?
Nein. Ich erinnere mich an nichts. Es ist wie ein Blackout in meinem Gedächtnis. Die erste Erinnerung ist, dass ich im Spitalbett lag und Ärzte um mich herum standen.
Waren Sie beim Absturz und danach bewusstlos?
Ich denke nicht. Man hat mir erzählt, ich hätte ganz viel gesprochen, als man mich evakuierte. Aber wie gesagt: Ich habe keinerlei Erinnerungen daran. Wahrscheinlich war ich in einem Schockzustand.
Sie hatten nach dem Start Ihren Sitzplatz gewechselt.
Ja. Ich sass zuerst weit hinten und bin dann kurz nach dem Start einige Reihen nach vorne gegangen.
Warum?
Weil ich neben meinem Freund Jakson Follmann, unserem Torhüter, sitzen wollte. Er hatte mich zu sich gerufen. Wir kennen uns seit 10 Jahren. Er hat auch überlebt, aber man musste ihm einen Teil des Beins amputieren.
Fragen Sie sich manchmal: Warum habe ich überlebt und warum sind die Anderen gestorben?
Das geht einem unweigerlich durch den Kopf. Aber ich will mir diese Überlegungen eigentlich nicht machen. Es würde bedeuten, dass ich Gott in Frage stelle. Ich glaube, es ist Schicksal. Gott ist gross.
Sind Sie sehr gläubig?
Ja, ich habe grosses Vertrauen in Gott.
Was haben Ihnen die Ärzte im Krankenhaus gesagt?
Sie sagten, dass ich eine Rückenverletzung hätte, aber dass ich wohl wieder würde gehen können. Sie sagten aber auch gleich, dass es sehr schwierig würde, wieder Fussball zu spielen.
Wie hat der Absturz Ihr Leben verändert?
Ich versuche, jeden Moment zu geniessen. Die Zeit mit meinen Nächsten zu geniessen. Das ist für einen Athleten nicht einfach. Wir sind immer unterwegs. Ich weiss, dass mir Gott ein zweites Leben geschenkt hat.
Der Klub hat Ihren Vertrag bis 2020 verlängert. Obwohl zunächst nicht sicher war, ob Sie überhaupt wieder würden spielen können.
Dafür bin ich dem Verein dankbar. Aber ich will nicht, dass dies aus Mitleid geschah. Ich will die Anerkennung als Fussballer, nicht als Überlebender des Absturzes. Ich hoffe, diese Anerkennung verdiene ich. Ich spiele wieder auf höchstem Niveau. Ich hätte auch anderswo spielen können. Aber ich will bei Chapecoense bleiben.
Haben Sie Kontakt zu den Familien der Opfer?
Ja. Für sie ist es unglaublich schwierig. Nach dem Verlust ihrer Liebsten kommen nun all die Prozesse auf sie zu. Viele sind daran zerbrochen.
Mai 1949: Das Profiteam des FC Turins, damals die beste italienische Mannschaft, fliegt nach einem Spiel von Lissabon zurück nach Italien. Das Wetter über Turin war schlecht. Während des Sinkflugs kollidiert die Maschine mit der Basilika von Superga, 31 Menschen kommen dabei ums Leben, auch die Turin-Spieler.
Februar 1958: In München explodiert beim Startversuch ein Flugzeug der British Airways. In der Maschine: Die Spieler von Manchester United. 23 Menschen sterben, darunter acht Spieler. Zu den 15 Überlebenden zählt der spätere englische Weltmeister Bobby Charlton.
Januar 1966: Eine Lufthansa-Maschine stürzt auf ihrem Weg von Frankfurt nach Hamburg ab. Alle 42 Passagiere an Board sterben. Darunter sieben Schwimmer der italienischen Olympiamannschaft und ihr Trainer.
Februar 1982: Der damalige FC-Bayern-Manager Uli Hoeness ist zusammen mit einem Bekannten in einem kleinen Leichtflugzeug unterwegs von Riem nach Hannover. Nach Problemen stürzt die Maschine über der Stadt Grabsen ab. Honess überlebt als Einziger.
September 2011: Beim Start verunglückte eine Maschine bei Jaroslawl in Russland. Mit an Board: Fast das ganze Eishockey-Team von Lokomotive Jaroslawl Nur eine Person überlebte.
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